08.07.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 184 / Tagesordnungspunkt 34+ZP 6

Joachim PfeifferCDU/CSU - Waffenexporte in die Golfstaaten

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Rüstungsexporte wird in der Tat reflexartig in schöner Regelmäßigkeit immer wieder aufgerufen, es wird in populistischer und alarmistischer Weise versucht, Rüstungsexporte zu skandalisieren und das Thema aufzublasen. Ich möchte deshalb eingangs ein paar Bemerkungen zu den Zahlen und Fakten machen.

Kollege van Aken sprach vorher – ich zitiere – von „unfassbar hohen“ Rüstungsexporten.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Da hat er recht!)

Es wurde davon gesprochen, die Bundesrepublik eile von Rekord zu Rekord, es wurde vom Anstieg der Exporte und was weiß ich gesprochen. Fakt ist, dass im Zeitraum von 2005 bis 2015, also in den letzten zehn Jahren, der Anteil der Exporte von Kriegswaffen gesunken ist. Ich differenziere jetzt. Hier werden Äpfel mit Eiern und Birnen in einen Topf geworfen. Aber das ist Absicht. Ich unterstelle, dass man intellektuell wahrscheinlich schon, wenn man es möchte, in der Lage wäre, zu differenzieren, aber man möchte es gar nicht, weil einem das nicht ins Konzept passt.

Ich rede jetzt von den Kriegswaffen. Das sind die Waffen, die im Kampf zum Einsatz kommen können. Die sollen in angeblich so unverantwortlich hoher Zahl exportiert worden sein. Der Anteil der Kriegswaffenausfuhr Deutschlands hat sich in absoluten Zahlen in den letzten zehn Jahren quasi nicht erhöht. Er ist gleich geblieben. In relativen Zahlen hat er sich sogar halbiert, nämlich von 0,26 Prozent auf 0,13 Prozent. Das ist im Rüstungsexportbericht nachzulesen. Ich gehe davon aus, dass die Zahlen stimmen. Ich habe es nicht nachgerechnet, aber ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung richtig rechnet. Sie finden die Zahlen auf den Seiten 30 und 31 des Berichts dieser Woche. Wenn Sie ihn zur Hand nehmen, dann können Sie das nachschauen. Der relative Anteil der Kriegswaffenexporte hat sich also von 2005 bis 2015 halbiert.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Relativ wozu? – Weiterer Zuruf der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Der Anteil vom Gesamtexport hat sich reduziert.

Jetzt werfe ich einmal einen Blick auf die globalen Rüstungsexporte. Dazu gehören auch die Minenräumfahrzeuge, Wassertanks und andere Maschinen. Zwei Drittel der Ausfuhren entfallen auf Güter dieser Art, während die Kriegswaffen nur ein Drittel der Ausfuhren ausmachen. Im Zeitraum von 2011 bis 2015, also in den letzten fünf Jahren, haben sich die globalen Rüstungsexporte um 14 Prozent erhöht. Der Anteil Deutschlands daran ist im Vergleich zum Zeitraum 2006 bis 2010 von 11 Prozent auf 4,7 Prozent zurückgegangen. Er hat sich also mehr als halbiert – und, und, und. Das sind die Zahlen und Fakten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

– Ich komme gleich noch darauf zu sprechen. Dann können Sie sich ja daran abarbeiten.

Ich finde Ihr Verhalten nicht erfreulich. Sie müssten eigentlich darüber jubeln, dass sich diese Zahlen reduziert haben;

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben sie aber nicht!)

aber das machen Sie nicht. Im Gegenteil: Sie skandalisieren das Ganze weiter, obwohl es in der Sache definitiv falsch ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Definitiv ist Ihre Rede falsch! Wir schauen uns nur seriöse Zahlen an!)

Jetzt einmal zu den Lösungsansätzen. Was sind denn Rüstungsexporte und Kriegswaffenexporte? Sie sind in allererster Linie Teil unserer Außen- und Sicherheitspolitik. Selbstverständlich verfolgen wir mit großer Mehrheit hier im Hause zuvorderst multilaterale Ansätze im Rahmen der UN oder im Rahmen anderer internationaler Zusammenarbeit, die vor allem mit friedlichen Mitteln, mit Entwicklungshilfe, mit anderen unterstützenden Maßnahmen vorgehen.

Die Probleme der Welt werden nicht durch Schönreden oder durch Wegducken gelöst. Der Kollege Willsch und der Kollege Hampel haben es angesprochen – ich fand es sehr treffend –: Wegschauen, nicht liefern, den Kopf in den Sand stecken und gleichzeitig hier rein binnenorientierte Debatten führen ist ein schlechter und der Welt gegenüber unverantwortlicher Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir sind uns darüber einig, dass es Probleme gibt, und wir versuchen auch, sie zu lösen. Wenn ich mich nicht irre, befindet sich die Bundeswehr im Moment in 16 Missionen in der Welt. Erst gestern Abend haben wir wieder ein entsprechendes Mandat verlängert. Mit diesen Missionen leisten wir einen Beitrag dazu, dass Sicherheit erhalten wird, zum Teil aber auch erst geschaffen wird; da sind wir uns einig. Ohne Sicherheit gibt es nämlich keine Weiterentwicklung, und ohne Weiterentwicklung, ohne Arbeitsplätze, ohne Wachstum gibt es keine Menschenrechte. Diese Abfolge lässt sich an der Historie der Länder erkennen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Fordern Sie jetzt, dass die Bundeswehr an noch mehr Auslandseinsätzen teilnimmt, dass wir noch häufiger Teil eines internationalen Verbundes werden? Diese Forderung wäre konsequent; sie erheben Sie aber nicht. Nein, Sie sagen stattdessen – jetzt kommen wir zu Abschichtung –: Dort, wo wir selber nicht sein können, um Frieden zu schaffen und um Frieden zu erhalten, haben wir Partner und Verbündete. Sie sind es zum Teil seit Jahrzehnten, und sie entsprechen nicht immer unseren Standards. Vielleicht haben sie auch eine andere Historie. Aber sie sorgen dafür, dass die Stabilität erhalten wird, dass die Sicherheit erhalten wird, dass Wachstum entsteht und dass auch dort die Menschenrechte eingehalten werden.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Menschenrechte werden mit Füßen getreten!)

Das gilt auch für viele verlässliche Partner in Arabien, so auch für Saudi-Arabien auf der Arabischen Halbinsel. Sehen Sie sich an, was dort in den letzten Jahren passiert ist: Wahlen wurden durchgeführt, rechtsstaatliche Elemente wurden geschaffen, die Mitwirkung der Frauen wurde gestärkt. Das entspricht zwar nicht dem, was wir uns in Deutschland vorstellen und erreicht haben, aber es geht auf jeden Fall in die richtige Richtung.

Ich persönlich bin froh – ich sage das in aller Offenheit und Deutlichkeit –, dass Saudi-Arabien dafür sorgt, dass auf der Arabischen Halbinsel, also auch im Jemen, das Töten von Menschen und der Bürgerkrieg beendet werden. Ich halte das für richtig.

(Zurufe von Abgeordneten der LINKEN: Was? – Jan van Aken [DIE LINKE]: Pfui! Bomben auf Zivilisten, und Sie finden das richtig! Pfui, Herr Pfeiffer! – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon mal was vom Völkerrecht gehört?)

Ich bin froh, dass sie dieses machen.

Das Schicksal der Jesiden im Irak und anderer kurdischer Gruppen ist bereits angesprochen worden. Andere gehen gegen deren Vertreibung mit militärischen Mitteln vor. Wenn wir sie dann aber im Stich lassen und ihnen nicht die Ausrüstung geben, die sie brauchen, um diese Aufgabe zu erledigen, wie sollen sie sie dann erledigen?

In Mali machen wir es so. Dort soll das staatliche Sicherheitsmonopol hergestellt werden. Wir bilden die Leute aus, aber Waffen – da braucht man Kriegswaffen, nicht nur Wassertanks für die Wüste – liefern wir ihnen natürlich nicht. – Da muss ich sagen: Wer ist jetzt inkonsequent, wer ist scheinheilig?

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Bigotterie ist das, ja! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können das nicht mit einer UN-Friedensmission vergleichen!)

Deshalb ist ein Systemwechsel nötig. Ein Verbot ist, glaube ich, nicht die richtige Lösung.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Doch!)

Wir müssen die in der Tat viel zu restriktive Handhabung hier in Deutschland überdenken, und zwar aus politischen Gründen, nicht aus wirtschaftlichen oder Arbeitsplatzgründen. Die Zahlen habe ich dargelegt; Sie können sie nachlesen.

(Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Es geht in erster Linie um Außen- und Sicherheitspolitik. Dann müssen wir innovationsfähig bleiben. Wir brauchen Kernkompetenzen, damit wir unabhängig bleiben und unsere Sicherheit selber gewährleisten können. Wir müssen auch verlässlich sein, und wir müssen dies partnerschaftlich organisieren können. Vorhin wurde Wolfgang Schäuble erwähnt. Er hat natürlich hundertprozentig recht,

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie immer!)

wie er in fast allen Fragen hundertprozentig recht hat und dann auch irgendwann bekommt.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, klar, Sie werden die Menschen für Europa begeistern!)

Zur Europäisierung haben wir hier gesagt: Jawohl, wir wollen eine Europäisierung. Aber die Europäisierung darf natürlich nur nach unseren Standards sein. Wenn alle anderen nicht so mitmachen, wie wir es gern hätten, dann funktioniert die Europäisierung nicht. – Ich glaube, das ist der falsche Weg. Wir müssen in Europa – das ist im Moment aktueller denn je – definieren, welche Außen- und Sicherheitspolitik wir anstreben wollen, und dann müssen wir die Instrumente dafür einsetzen. Dazu gehört eine verantwortliche, diesen Kriterien entsprechende Rüstungs- und Kriegswaffenexportpolitik, aber nicht mit einem nationalen Sonderweg – „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.“ –, sondern international und europäisch eingebunden. Das ist die Aufgabe. Dieser Systemwechsel ist notwendig, nicht ein populistisches, alarmistisches Verbot, das weder politisch noch den Menschen in der Welt weiterhilft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Matthias Ilgen für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6971068
Wahlperiode 18
Sitzung 184
Tagesordnungspunkt Waffenexporte in die Golfstaaten
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