Matthias IlgenSPD - Waffenexporte in die Golfstaaten
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen die Häufigkeit, in der der Rüstungsexportbericht inzwischen vorgelegt wird; denn das ist auch eine Gelegenheit, ab und an einmal deutlich zu machen, wie die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sich dann doch von den Christdemokraten unterscheidet.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herr Pfeiffer hat hier eben gesagt: Wir brauchen eine Wende, weg sozusagen vom Restriktivismus hin zum Aktivismus. Und er hat gesagt: Weg mit den Regeln! – Das unterstützt die SPD-Bundestagsfraktion ganz klar nicht.
(Beifall bei der SPD)
Wir sind stolz darauf, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine restriktive Rüstungspolitik nicht nur angekündigt, sondern auch durchgehalten hat.
Damit bin ich beim Antrag der Opposition, Herr van Aken, der Linksfraktion. Ich schätze Sie als Kollegen wirklich, als redlich und intellektuell. Aber Sie haben heute nicht mit einem Wort zu Ihrem Antrag gesprochen,
(Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: So ist das! Ganz genau!)
sondern Sie haben lediglich erneut die Zahlen zum Gesamtvolumen laut Exportbericht benannt und skandalisiert. Das ist unredlich; denn man muss schon genau hingucken. Nicht ein nominaler Wert oder eine nominale Steigerung sind entscheidend dafür: „Wie gefährlich ist ein Rüstungsexport real?“, sondern entscheidend ist: Was wird im Einzelnen exportiert? Da muss man genauer hingucken.
Bei Kleinwaffen, die wir für besonders gefährlich halten, insbesondere wenn sie in Drittstaaten gehen und wir die Weiterverwendung nicht nachprüfen können, wie das in der Vergangenheit der Fall war, sind die Zahlen relativ günstig verglichen mit dem, was wir vor allem an unsere vielen Partner in der Welt an Tankflugzeugen, Bergepanzern, Eisbrechern usw. liefern. Deswegen ist es einfach unredlich – das war es auch bei Ihnen, Frau Brugger –, das Volumen zu nehmen und zu sagen: Sie haben das verdoppelt, und deswegen ist die Welt jetzt schlechter geworden.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe einen differenzierten Blick! Ich habe das im Einzelnen dargestellt!)
Das ist eine Schwarz-Weiß-Malerei, die man einfach nicht machen darf.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich will erklären, dass die Welt manchmal Graustufen hat. Ich will ein Beispiel nennen.
Kollege Ilgen, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen van Aken?
Wenn ich den Gedanken noch zu Ende führen darf.
Dann meldet er sich noch einmal.
Ja, okay. – Eine Frage wird auf uns zukommen. Brasilien fragt an. In Brasilien stehen die Olympischen Spiele vor der Tür, und Brasilien will Maschinengewehre haben, weil man im Moment die Sicherheitslage so einschätzt, dass man mit der polizeilichen Ausrüstung nicht zurechtkommen wird, wenn es darum geht, die Olympischen Spiele zu schützen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann soll man es lassen!)
Sie wollen – ich habe das jetzt mehrfach gehört, sowohl von den Grünen als auch von den Linken – in der Bundesrepublik Deutschland ein totales Exportverbot für Kleinwaffen. Das würde dazu führen, dass der Export der gewünschten Maschinengewehre nicht genehmigungsfähig wäre, und wir würden damit aktiv dazu beitragen, dass die Sicherheit bei den Olympischen Spielen in Brasilien nicht gewährleistet werden könnte. Das halten wir Sozialdemokraten für falsch. Man muss den Einzelfall prüfen. Das ist für uns das entscheidende Argument, warum man ein solches Totalverbot nicht machen kann.
Jetzt bitte.
Das Wort erteile ich jetzt. – Der Kollege van Aken hat für eine Frage oder eine Bemerkung das Wort.
Danke schön. – Herr Ilgen, Sie sagen ja zu Recht, man müsse genau hinschauen und dürfe nicht nur die Gesamtzahlen sehen, sondern müsse ins Detail gehen. Ja, dann reden wir doch einmal über den Antrag, reden wir einmal über Saudi-Arabien. Sie wissen, im letzten Jahr, 2015, hat Saudi-Arabien im Jemen bombardiert, hat bei Luftangriffen ganz viel Munition, Bomben und Raketen, verbraucht. All dieses kauft Saudi-Arabien jetzt nach. Wissen Sie, für wie viele Millionen Euro Saudi-Arabien in Deutschland Nachschub gekauft hat?
270, glaube ich. Aber Sie werden es mir sagen.
Nur Munition! Ich rede nur über Munition. – Munitionsexporte im Wert von 20 Millionen Euro hat Ihr Wirtschaftsminister für Saudi-Arabien genehmigt, Munition, die sie wahrscheinlich am nächsten Tag gleich wieder im Jemen verballert haben. Das sind konkrete Zahlen, das sind konkrete Beispiele.
Wenn Sie hier schon fordern, ins Detail zu gehen, dann sagen Sie auch, dass es deutsche Waffen sind, die gerade im Jemen töten, und dann äußern Sie sich bitte auch zu Herrn Pfeiffer, der sagt, dass er es richtig finde, dass mit deutschen Waffen Zivilisten getötet werden.
(Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Hat er überhaupt nicht gesagt! – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ich habe gesagt: „Frieden schaffen mit deutschen Waffen“, und nicht: „Zivilisten umbringen“!)
Das müssen Sie hier jetzt einmal ganz klar sagen.
Danke.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will versuchen, darauf einzugehen. Sie sprechen immer von „dem Wirtschaftsminister“. Das ist falsch. Ich muss Ihnen hier an der Stelle Nachhilfe in Staatsrecht erteilen. Der Bundessicherheitsrat genehmigt, und daraufhin erteilt dann das Bundeswirtschaftsministerium die Genehmigung.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!)
Ich glaube, wir haben in diesem Hause mehrfach deutlich gemacht, dass es in der Vergangenheit Abstimmungen in diesem Bundessicherheitsrat gegeben hat, bei denen die sozialdemokratischen Bundesminister anders abgestimmt haben als die Kolleginnen und Kollegen von der Union. Es handelt sich allerdings um ein Kollegialorgan, das nach dem Mehrheitsprinzip entscheidet.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der entscheidet gar nicht!)
Deswegen sind wir in einigen dieser Abstimmungen unterlegen. Nun werden die in der Regel nicht im Einzelnen öffentlich gemacht, aber der Bundeswirtschaftsminister hat ein paar Fälle genannt. Ich kann jetzt, ehrlich gesagt, zu diesem konkreten Anlass nichts sagen, weil ich das Abstimmungsergebnis und auch das Abstimmungsverhalten nicht kenne wie Sie ja auch nicht; aber vielleicht kennen Sie es ja. Auf jeden Fall geht es doch darum, dass man da differenziert.
Wir als SPD-Bundestagsfraktion lehnen auf jeden Fall – das will ich Ihnen politisch sagen – diesen Stellvertreterkrieg, wie er dort durch Saudi-Arabien im Jemen geführt wird, ab.
(Beifall bei der SPD – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Sie stimmen also unserem Antrag nachher zu?)
– Nein, das werden wir nicht tun.
Das, was mit diesem Antrag ja auch versucht wird, ist, sozusagen politische Sippenhaft einzufordern. Ich will das aus folgendem Grund sagen: Wenn man zum Beispiel Bergepanzer an den Oman liefert oder ABC-Abwehrfahrzeuge nach Kuwait liefert, dann geht es ja sozusagen auch um Lieferungen in den Nahen Osten. Sie wollen so etwas in Zukunft verbieten, weil Sie jetzt ein konkretes Problem mit Saudi-Arabien haben, wobei wir hier Ihre Analyse teilen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht Herr Pfeiffer aber anders!)
So kann man allerdings nicht vorgehen; vielmehr werden wir uns an dieser Stelle weiterhin ganz klar für die Einzelfallbetrachtung aussprechen.
Ich will noch einmal etwas zu den Kleinwaffen sagen. Die konkreten Werte wurden ja noch einmal angesprochen. Aber ich denke, es ist doch ein entscheidender Punkt, dass wir alle miteinander in diesem Haus – zumindest von der linken Seite bis über die Mitte hinaus, sage ich einmal – daran festhalten, dass Kleinwaffenexporte weiter reduziert werden müssen. Meine Kollegin Finckh-Krämer wird auch noch etwas dazu sagen, was sozusagen unsere Vorstellungen hinsichtlich einer neuen Gesetzesgrundlage dafür angeht.
Ja, eigentlich bin ich am Ende meiner Rede; denn alles andere wurde schon von den Kolleginnen und Kollegen gesagt. Wenn Sie noch weitere Interventionen planen – – Ich glaube, Frau Brugger hatte eben gezuckt. Vielleicht haben Sie noch – –
(Heiterkeit bei der SPD – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, danke!)
– Gut.
Dann danke schön.
(Beifall bei der SPD)
Es gibt keine Pflicht zum Ausschöpfen der verabredeten Redezeit. Insofern herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Omid Nouripour für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Aber wenn, hat er die für die Koalition eingespart, nicht für euch!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6971063 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 184 |
Tagesordnungspunkt | Waffenexporte in die Golfstaaten |