08.07.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 184 / Tagesordnungspunkt 34+ZP 6

Petra Pau - Waffenexporte in die Golfstaaten

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eben leider wie immer in den Debatten: Dass die Diskussion über Rüstungsexporte keine einfache Diskussion ist, wissen wir alle, nur krankt die Diskussion immer wieder daran, dass Herr van Aken sozusagen versucht, Rednern anderer Fraktionen die Worte im Mund umzudrehen, und völlig populistische und aus dem Zusammenhang gelöste Sachen behauptet, die durch nichts gedeckt sind. Das ist genau dieselbe Situation, wie wir sie gestern im Zusammenhang mit der Diskussion um CETA schon erlebt haben. Die Linken betreiben Politik, indem sie mit populistischen Floskeln ohne Details, ohne wirklich sachlich aufzuklären, unter den Menschen Ängste schüren, um sozusagen gegen die Regierung, gegen die deutsche Politik zu argumentieren.

(Jan van Aken [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal ein Beispiel!)

– Sie haben doch gerade Herrn Pfeiffer die Worte im Mund umgedreht. Es stimmte doch einfach nicht, was Sie behauptet haben.

(Jan van Aken [DIE LINKE]: Hat er doch gesagt! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann man doch im Protokoll lesen!)

Ich erinnere Sie immer wieder an die Historie Ihrer Partei.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Werden Sie doch mal konkret!)

Wir in Deutschland haben die restriktivsten Rüstungsexportkontrollen, die restriktivsten Exportrichtlinien, an deren Formulierung die Grünen im Übrigen mitgewirkt haben.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Sie täglich verletzen! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Werden Sie einmal konkret!)

– Langsam. – Die Waffen, die zum Teil heute noch in der Welt sind, die al-Qaida und andere benutzen, sind keine deutschen Waffen. Das sind möglicherweise noch Waffen, die die Sowjetunion mit ihren sozialistischen Partnern weltweit in Umlauf gebracht hat, völlig unkontrolliert, meine Damen und Herren.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hör doch auf! Peinlich!)

Al-Qaida kämpft nicht mit deutschen Waffen. Das muss man doch einmal deutlich sagen. Es handelt sich nicht um deutsche Waffen.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Jemen schon! – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon einmal etwas von G3-Gewehren gehört?)

Es gibt ganz andere Nationen wie die Russen oder die Amerikaner, die Waffen völlig unkontrolliert exportieren. Sie können doch die deutsche Rüstungsexportpolitik nicht mit anderen gleichsetzen. Das ist absurd, was Sie hier betreiben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kollege Lämmel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. – Dann müssen wir uns das einmal genauer anschauen – Herr Nouripour, Sie haben es doch selber gesagt –, statt es so populistisch wie Herr van Aken mit „Rekorde, Rekorde“ darzustellen. Schauen wir doch einmal, was auf der Exportliste steht.

Von den Rüstungsexporten in Höhe von 96 Millionen Euro, die in den Oman geliefert wurden, entfallen wertmäßig gesehen zum Beispiel 25 Prozent auf Flugleit­einrichtungen, 20 Prozent auf Lkws, 12 Prozent auf Datenverarbeitungsanlagen und 12 Prozent auf Dekontaminationsausrüstungen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie einmal etwas über Katar! Das ist viel interessanter!)

Von den Rüstungsexporten in die Vereinigten Arabischen Emirate in Höhe von 107 Millionen Euro entfallen 40 Prozent auf Lkws, Schwerlasttransporter, Sattelauflieger, 20 Prozent auf Überwachungssysteme, der Rest auf Seeminenräumsysteme, aber auch auf Sportpistolen und Jagdgewehre.

Ich will damit bloß sagen: Wenn man eine solche Diskussion führt, dann muss man ehrlicher differenzieren. Daran krankt die ganze Diskussion.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Leider!)

Sie versuchen hier nämlich, sozusagen ein Monster aufzubauen: Deutschland als Politikmonster im internationalen Rüstungsexport. Der Kollege Pfeiffer hat ja darauf verwiesen, dass sich der deutsche Anteil am weltweiten Rüstungsexport, der um 14 Prozent gestiegen ist, deutlich verringert hat, da er nur um 4,7 Prozent gestiegen ist. So etwas ignorieren Sie einfach.

Meine Damen und Herren, da muss man die Frage an die Kollegen der Fraktion Die Linke stellen, deren Antrag wir heute beraten – Herr van Aken hat ja gar nicht dazu gesprochen; er hat stattdessen die globale Lage der Welt erklärt –: Wie halten Sie es mit den UN-Missionen? Wenn man zu einem Verbot käme, beträfe das auch das Thema UN-Missionen. Wie verhält sich dann Deutschland? Deutschland ist dann ja praktisch raus.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)

Blicken wir einmal nach Afrika, wo sich jetzt südlich der Sahara in den sogenannten Sahel-G5-Staaten eine große Ansammlung von Terroristen befindet. Es gibt Bemühungen, dass die Afrikanische Union eine Eingreiftruppe mit dem Oberkommando in N’Djamena im Tschad aufstellt, um den Terrorismus in der Sahelzone zu bekämpfen. Teilweise können Sie sich in den Ländern überhaupt nicht mehr bewegen, und die Gebiete unter terroristischer Kontrolle sind so groß, dass es nicht mehr möglich ist, dorthin zu reisen. Wer stattet denn nun die Mission der Afrikanischen Union aus? Das ist doch die Frage. Sollen wir das mit unseren demokratischen Grundsätzen machen, oder sollen wir das den Russen oder Chinesen überlassen, wobei dann niemand mehr eine Kontrolle darüber hat, was geliefert wird?

Es ist also die Frage, welche Sicherheitsinteressen wir mit unserer Rüstungsexportpolitik verfolgen. Es ist eben nicht so einfach, wie Sie es immer wieder versuchen darzustellen. Auch aus dem jetzigen Rüstungsexportbericht geht doch klar hervor, dass Deutschland mit dem Export von Gerätschaften acht VN-Missionen unterstützt. Auch das würde bei einem Verbot völlig unter den Tisch fallen.

Auf der einen Seite fordern die NATO-Partner, fordern die Verbündeten weltweit ein stärkeres Engagement Deutschlands, weil es ein wirtschaftlich starkes Land ist. Gar keine Frage; das ist auch richtig so. Ich frage mich aber: Wie soll man das leisten, wenn wir uns mit dem restriktivsten Recht ein Verbot auferlegen und andere Staaten, in denen es keine Kontrolle gibt, in denen überhaupt nicht über den Verbleib von Waffen diskutiert wird, in diese Lücke springen?

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer soll das sein?)

Wissen Sie, das ist genauso absurd wie die Diskussion über den Export von Kohlekraftwerken. Deutschland will die Welt sozusagen damit heilen, dass es keine Exportfinanzierung mehr für die Lieferung deutscher Kohlekraftwerke in die Welt gibt. Wir ruinieren unsere Industrie damit, wir gefährden Arbeitsplätze auf hohem Niveau, aber die Kraftwerke werden doch gebaut. Da freuen sich die Japaner, die Chinesen, die Russen. Alle freuen sich darüber, wenn sich Deutschland als gesitteter Staat aus diesen Exporten heraushält. Deswegen ist Ihr Antrag eigentlich ziemlich absurd.

Dann muss ich noch etwas zum Kollegen Ilgen von der SPD sagen. Ich frage mich, woher Sie wissen, dass SPD-Kollegen im Sicherheitsrat anders abstimmen als CDU/CSU-Kollegen. Ich frage mal Frau Zypries, ob sie das bestätigen kann. Uns wird nie das Abstimmungsverhalten mitgeteilt. Meines Erachtens ist es geheim. Sie können mir ja nach der Debatte einmal verraten, woher Sie die Informationen haben.

(Zuruf des Abg. Matthias Ilgen [SPD])

Ich möchte eine weitere Sache aufklären. Wir, CDU/CSU und SPD, haben im Koalitionsvertrag gemeinsam die Neuregelung bei den Rüstungsexportberichten vereinbart. Dass jetzt der Wirtschaftsminister den Willen der Koalition ausführt, ist ja das Normalste der Welt. Insofern muss ich sagen: Ursprung der Neuregelung ist die Koalitionsvereinbarung, und dass das Wirtschaftsministerium sie jetzt umsetzt, ist ja ganz klar. Es gibt also nicht nur eine Person, die jetzt hier den Glorienschein davonträgt, sondern es war unser gemeinsamer politischer Wille.

Ich möchte ganz klar in Richtung der Linken sagen: Wir wissen ganz genau, wie sensibel dieses Thema ist. Nur: Mit Ihrem Populismus wird man erstens in der Welt nichts verändern und zweitens auch in der deutschen Politik nichts Vernünftiges zustande bringen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Ihr Populismus ist gefährlicher!)

Wir sind da besser in der Spur. Ich denke, es hat sich in den letzten Jahren gerade auf diesem Gebiet sehr viel getan. Diesen Weg werden wir weiter beschreiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Jan van Aken das Wort.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Der hat doch schon elf Minuten gehabt!)

Es tut mir leid, aber ich möchte nur kurz drei Aussagen von Herrn Lämmel korrigieren.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur drei? Mindestens 30!)

– 30 Dinge könnte man korrigieren, aber ich möchte mich auf drei fokussieren.

Erstens. Herr Lämmel, Sie haben nicht hingehört. Auch irgendwelche Waffenexporte der Sowjetunion oder der Staaten des Warschauer Paktes bis 1989/1990 finde ich falsch; da bin ich ganz Ihrer Meinung. Der Unterschied zwischen uns ist: Ich finde auch die bundesdeutschen Waffenexporte falsch; Sie finden sie richtig. Sie finden die sowjetischen Waffenexporte falsch, ich finde alle falsch.

(Beifall bei der LINKEN – Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Das war jetzt aber keine Korrektur!)

Zweitens. Sie haben jetzt drei-, viermal wiederholt: Al-Qaida kämpft nicht mit deutschen Waffen. – Ich persönlich war im Januar 2014 im Norden Syriens und habe dort eine MILAN-Rakete aus deutsch-französischer Produktion, zu 50 Prozent in Deutschland hergestellt, in der Hand gehabt; ich habe die Seriennummer, das Produktionsjahr usw. Mit dieser MILAN-Rakete hat al-Qaida damals direkt an der Grenze, im Dreieck zwischen Türkei, Syrien und Irak, gekämpft. Ihre Information ist falsch. Ich habe das Ding persönlich in der Hand gehabt.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt viele andere Beispiele – das Internet ist voll mit Fotos –, aber in diesem Fall kann ich es selbst bestätigen, weil ich die Waffe selbst angefasst und die Seriennummer gesehen habe.

Drittens. Es geht zu weit, dass Sie hier von Seite 111 des Rüstungsexportberichtes zitieren und sagen, dass 40 Prozent der Exporte in die Vereinigten Arabischen Emirate, VAE, auf Lkws entfallen. Lesen Sie das bitte ganz vor! Die dort genannten 41,6 Prozent beziehen sich auf „LKW“ und „Teile für Kampfpanzer“ und „gepanzerte Fahrzeuge“. Es sind Kriegswaffen, die darunterfallen.

(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Na und?)

Tun Sie nicht so, als ob der Großteil von dem, was in die VAE geht, Lkws sind. Entweder haben Sie es nicht verstanden, oder Sie haben hier bewusst falsch zitiert.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Möchten Sie erwidern?

Nein, danke, möchte ich nicht.

(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Bringt ja eh nichts!)

Das Wort hat der Kollege Dr. Karl-Heinz Brunner für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6971092
Wahlperiode 18
Sitzung 184
Tagesordnungspunkt Waffenexporte in die Golfstaaten
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