08.07.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 184 / Zusatzpunkt 7

Petra CroneSPD - Änderung des Bundesjagdgesetzes

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommen wir von den großen Waffen zu den etwas kleineren Waffen. Es stimmt, was meine Vorrednerinnen gesagt haben: Viele Jägerinnen und Jäger waren nach dem Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts vom März ziemlich verunsichert.

40 Jahre lang galt: Jägern war es verboten, die Jagd auf Wild mit halbautomatischen Waffen auszuüben, die ein Magazin mit mehr als zwei Patronen aufnehmen können, unabhängig davon, ob es sich um Schalen-, Haar- oder Federwild handelte. Das bedeutete im Umkehrschluss: Halbautomaten mit maximal zwei Patronen im Magazin waren bisher für die Jagd erlaubt. Übrigens ist klar: Maschinengewehre und Maschinenpistolen als Vollautomaten haben bei der Jagd überhaupt nichts zu suchen. Das versteht sich von selbst.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann kam das völlig unerwartete Urteil: Sämtliche Halbautomaten mit wechselbaren Magazinen dürfen von Jägern nicht einmal besessen werden. Für die Politik hieß das, schnell zu reagieren, um die Hängepartie zu beenden. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und wir Koalitionsfraktionen wollten rasch eine Klarstellung oder – besser – die gültige Gesetzeslage wiederherstellen. Gut war es, dass wir im Bundesjagdgesetz eine längst überfällige Gesetzesänderung in der Pipeline hatten, und zwar die Anpassung an die EU-Richtlinie für Umweltstrafrecht. So konnten wir beides koppeln.

Mit der heute vorliegenden Änderung sind es nun im parlamentarischen Verfahren insgesamt drei Patronen geworden, mit denen die Waffen geladen werden dürfen. Wir werden dem heute zustimmen. Aber ich möchte nicht verhehlen, dass ich weiterhin Zweifel an der sachlichen und praktischen Notwendigkeit dieser Erweiterung des Ursprungsgesetzes habe, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber ich bin sehr froh, dass die Jägerinnen und Jäger jetzt, kurz vor der Blattzeit, Klarheit haben.

Wir hatten eigentlich mehr vor. Ich will nun gar nicht behaupten, dass ich zu Beginn der Verhandlungen zu einer großen Jagdnovelle vor vielen Monaten am Ende ein fortschrittliches Bundesjagdgesetz erwartet hätte. Aber dass wir heute mit leeren Händen hier stehen, das hätte ich ganz und gar nicht erwartet. Das ist sehr bedauerlich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Macht es doch mal!)

Mir war es wichtig, mit dem Gesetz die Qualität der Jägerausbildung zu stärken. Ich komme aus dem ländlichen Raum, aus dem Sauerland in Südwestfalen, und dort wachsen die jungen Leute mit Natur und Jagd auf. Sie begleiten früh Eltern, Nachbarn oder Freunde zur Jagd und machen irgendwann über einen angemessenen Zeitraum hinweg ihren Jagdschein. Der Bezug zur und die Kenntnis über die Natur sind stark.

Deshalb sind mir die Kurzausbildungen zum Jagdschein innerhalb von 14 Tagen sehr suspekt. Das kann nicht die gleiche Substanz haben. Daher habe ich eine verlängerte Ausbildungszeit gefordert, nämlich zehn Stunden mehr auf insgesamt 130 Stunden. Außerdem wäre Wildbrethygiene neben der Schießübung das zweite Sperrfach in der Ausbildung gewesen. Das heißt, wer in diesem Fach durchfällt, ist durch die ganze Prüfung gefallen. Mit dem Vorschlag wollte ich die Bedeutung und die sinnvolle Verwendung von Wildfleisch als Lebensmittel stärken – mit aller gebotenen Sorgfaltspflicht vom Aufbruch bis zur Wildwurst.

(Beifall bei der SPD – Dr. Kirsten Tackmann [Die Linke]: Schön wär’s gewesen!)

– Ja.

Apropos Sorgfalt mit Mensch und Umwelt: Nach langem, zähem Ringen hatten wir auch einen Kompromiss zur Verwendung von bleifreier Munition bei der Jagd gefunden. Die SPD-Fraktion hätte ein Minimierungsgebot nach Stand der Technik unterstützt. Es war nicht unser Wunschmodell. Ich hätte lieber ein sachliches Verbot in ein, zwei Sätzen in § 19 gehabt. Ich erinnere daran: Die vom Ministerium in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Untersuchungen und Gutachten haben doch letztendlich alle Vorurteile gegenüber bleifreier Munition ausgeräumt. An dieser Stelle frage ich mich auch: Wo bleibt eigentlich die Innovationsfreude deutscher Munitionshersteller?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Na gut, die SPD-Fraktion und genauso das Umweltministerium haben sich in den Verhandlungen sehr stark bewegt und haben einen Kompromiss zwischen den Jagd- und Naturschutzverbänden und der Politik gesucht, sei es bei der Regelung zur bleifreien Munition, sei es bei der Berücksichtigung des Erhaltungszustandes einer Art als Kriterium bei der Jagd oder sei es beim Schießnachweis. Übrigens: Das waren auch Teile, die von Bayern gefordert wurden.

Jagd ist auf allen Seiten ein absolut emotionales Thema; das muss ich Ihnen ja nicht sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Diese Emotionalität ist richtig klasse, führt aber auch dazu, dass manchmal sprichwörtlich über das Ziel hinausgeschossen wird. Das heißt praktisch aber auch: Der Schuss trifft nicht mehr oder geht nach hinten los. Und da stehen wir jetzt – ohne große Novelle. Es reichte ein wildes Aufbäumen aus einem südlichen Bundesland, um die Änderungen des Bundesjagdgesetzes zunichtezumachen. Das ist schade; denn die Jägerinnen und Jäger wünschen sich einheitliche Standards in der Fläche.

Diese Novelle wäre nicht der große Sprung geworden – nein, das sicher nicht –, aber sie wäre ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Ich hoffe, es ist nicht der letzte Versuch in puncto Bundesjagdgesetz. Das nächste Mal dann bitte mit mehr Mut und Offenheit und auf der Höhe der Zeit.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Die Akzeptanz der Jagd in der Gesellschaft liegt letztendlich in den Händen der Jägerinnen und Jäger. Ich habe in den vergangenen Monaten viele getroffen, die meine Einschätzung teilen. Jagd und Jäger agieren nicht im luftleeren Raum, sie sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Das heißt aber auch: Sie werden sich mit ihr verändern.

Nun wünsche ich allen einen schönen Sommer und vor allem den Jägerinnen und Jägern eine schöne Blattzeit.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Kollege Harald Ebner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6971115
Wahlperiode 18
Sitzung 184
Tagesordnungspunkt Änderung des Bundesjagdgesetzes
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