Clemens BinningerCDU/CSU - Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will vorneweg kurz auf die Reden der Oppositionskollegen eingehen, die alle – wie auch ich als Vorsitzender – dem Parlamentarischen Kontrollgremium angehören.
Kollege Hahn, Sie haben sich darüber echauffiert, dass jetzt eine Regelung im Gesetzentwurf enthalten ist, die vorsieht, dass der Vorsitzende des Gremiums und sein Stellvertreter zukünftig für die ganze Legislatur gewählt werden. Es steht nirgends, aus welcher Fraktion der Vorsitzende kommt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)
Bitte unterstellen Sie uns an dieser Stelle nicht, wir würden die Möglichkeiten der Opposition beschneiden.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Beweis können wir sofort antreten, Herr Binninger! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir haben die Geschäftsordnung!)
– Es scheint Sie ja zu treffen, wenn die Erregung so groß ist.
Dann haben Sie zum Recht der Information gegenüber den Fraktionsvorsitzenden gesagt, Sie seien von Ihrer Fraktion in dieses Gremium entsandt worden, deshalb müssten Sie Ihre Fraktionsvorsitzenden – bei Ihnen sind es ja zwei – informieren.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Das stimmt nicht. Sie sind nicht von Ihrer Fraktion entsandt worden.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aber vorgeschlagen worden!)
– „Vorgeschlagen“? Das spielt doch keine Rolle. – Dieses Gremium hat eine besondere Stellung und ist deshalb in der Verfassung genannt, in Artikel 45d.
(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])
Alle, egal wie stark ihre Fraktion ist, können nur dann Mitglied dieses Gremiums werden, wenn sie mit Kanzlermehrheit in geheimer Wahl vom gesamten Plenum gewählt sind. Das heißt, Sie sind mindestens mit 250 Stimmen der anderen Fraktionen gewählt worden. Sie dürfen also nicht behaupten, Sie seien von Ihrer Fraktion entsandt worden. Wir haben eine andere Stellung. Wir vertreten das gesamte Haus.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Deshalb haben wir dieses Wahlprinzip. Sie sollten darüber nachdenken, dann merken Sie, dass Ihre Kritik an dieser Stelle unberechtigt ist.
Jetzt zu Ihnen, Herr Kollege Ströbele. Ich habe den Antrag der Grünen gelesen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wirklich?)
– Ja, wirklich. – Ich war ein bisschen verwundert, dass gerade Sie kritisieren, dass wir das Amt eines Ständigen Bevollmächtigten – man könnte sagen: einen ständigen Arbeitsstab – zur wirksamen Entlastung schaffen wollen – derzeit haben wir nur ein Sekretariat, das diese Aufgabe kaum erfüllen kann –; denn auf Seite 4 Ihres Antrages schlagen Sie doch genau das vor.
(Dr. Eva Högl [SPD]: Ja!)
Sind Sie mit der Position der Grünen nicht einverstanden, oder wie soll ich Ihren Beitrag verstehen?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wir machen nicht alles, was in Ihrem Antrag steht, aber lassen Sie mich eines deutlich machen: Ich will – da unterscheiden wir uns bestimmt; das sage ich auch zu den Kollegen der Linken –, dass wir die Dienste konsequent und nachhaltig, aber auch objektiv und seriös kontrollieren. Was ich nicht will, ist, dass wir jede Aufgabe mit einem permanenten Misstrauen, mit einem permanenten Skandalton auf den Lippen angehen. Nicht durch jede Kontrolle muss unbedingt ein Fehler gefunden werden, und nicht jeder Fehler ist ein Skandal.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Es gibt so viele Skandale!)
Wir sind hier nicht der Skandaldurchlauferhitzer, wenn es um die Dienste geht. Wir kritisieren dort, wo es angebracht ist, aber wir stellen uns auch vor die Dienste. Genau das muss Sinn und Zweck eines solchen Gremiums sein.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Sie sind das dienstälteste Mitglied, Herr Ströbele, dann komme, glaube ich, schon ich; so schnell kann es gehen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben im Zuge der letzten Reform 2009 folgende Instrumente an die Hand bekommen: Wir dürfen die Nachrichtendienste aufsuchen, wir dürfen die Mitarbeiter befragen, wir dürfen uns Akten vorlegen lassen, wir dürfen einen Ermittlungsbeauftragten einsetzen, und die Regierung muss uns informieren. Das sind unsere fünf wesentlichen Befugnisse. Wenn man nüchtern bilanziert, welche Befugnisse angewendet werden, dann müssen eigentlich alle zugeben: Wir wenden sie kaum an – Sie nicht, ich nicht, keines der Mitglieder; denn uns fehlt einfach die Zeit.
Wir hatten uns ein Arbeitsprogramm, das sieben Aufträge enthält, gegeben, um zu zeigen, dass wir auch vor Ort sein können. Das Arbeitsprogramm galt für 2014/2015, jetzt haben wir Mitte 2016, aber es ist noch nicht abgearbeitet, weil wir eben viele andere Aufgaben haben.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einer fehlt noch!)
– Ihr Arbeitsauftrag fehlt, glaube ich, auch noch.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die Akten nicht gekommen sind!)
Diesen Grundmangel zu beheben, finde ich völlig richtig. Dafür brauchen wir eine vernünftige Personalausstattung. Wir brauchen jemanden, der uns koordinierend zur Seite steht. Dann können wir eine gute, seriöse Kontrolle gewährleisten.
Wir machen noch mehr; auch das betrifft Punkte, die Sie gefordert haben. Wenn es um öffentliche Elemente geht, soll das Gremium nicht nur im Geheimen tagen. Jetzt wissen wir alle: Nachrichtendienste sind mit sehr sensiblen Aufgaben betraut, da muss Geheimhaltung sein. Aber wir haben genau das Element eingeführt, das gerade von Ihnen, Herr Ströbele, immer gefordert wurde: Einmal im Jahr, wie in den USA, wird eine öffentliche Anhörung der Präsidenten der Nachrichtendienste des Bundes durchgeführt.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gut!)
Das ist auch im Gesetzentwurf enthalten.
In der Vergangenheit war es so, dass Beschäftigte der Dienste, die sich an uns wenden wollten, vorher ihren Präsidenten darüber informieren mussten. Das haben wir jetzt gestrichen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sie können sich nun direkt an uns wenden.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ja, aber die Namen werden trotzdem herausgegeben!)
– Moment, die Namen werden nur dann genannt – damit wollen wir falschen Anschuldigungen vorbeugen –, wenn sie zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sind, nur dann.
(Dr. Eva Högl [SPD]: Das ist entscheidend!)
Das halte ich für eine absolut überzeugende Regelung:
(Beifall bei der SPD)
zunächst Schutz für die Whistleblower, aber wenn es notwendig ist, um den Sachverhalt aufzuklären, dann muss auch jemand zu seiner Kritik stehen können.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Das ist genau der richtige Maßstab, den wir hier gefunden haben.
Wir wurden bisher rechtlich daran gehindert – Kollege Hahn, das wissen Sie doch selber, Sie waren letztes Jahr Vorsitzender –, unsere Ergebnisse durch Ermittlungsbeauftragte zum Beispiel dem NSA-Untersuchungsausschuss oder den Landtagsuntersuchungsausschüssen zur Verfügung zu stellen. Das ging einfach nicht. Wir greifen diesen Mangel in dem vorliegenden Gesetzentwurf auf und sagen: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse und vergleichbare Kontrollgremien dürfen zukünftig entsprechende Berichte erhalten. Dadurch sorgen wir für eine Verzahnung zwischen den Parlamenten und den Parlamentsgremien.
Ich halte das alles für sehr gute und sinnvolle Lösungen.
(Beifall des Abg. Christian Flisek [SPD])
Ich kann Sie nur ermuntern, unser Gesetzesvorhaben zu unterstützen. Wir sind auf einem sehr guten Weg hin zu einer sehr guten parlamentarischen Kontrolle der Dienste.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Als Nächste hat die Kollegin Gabriele Fograscher, SPD-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU])
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Electoral Period | 18 |
Session | 184 |
Agenda Item | Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste |