08.07.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 184 / Tagesordnungspunkt 37

Stefan RebmannSPD - Internationale Palmölproduktion

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gehört – das spüren wir ja auch –, dass der Anbau von Palmöl höchst umstritten ist. Wir haben schon mehrfach gehört, was die Palmölproduktion bedeutet: Es findet eine Rodung von Tropenwäldern im großen Stil statt. Allein im Kongo wurden 2,8 Millionen Hektar für Plantagen gerodet. In Indonesien sind 57 Prozent der Entwaldung allein darauf zurückzuführen, dass dort Palmöl produziert werden soll. All das hat Auswirkungen auf die Umwelt, auf die Tierwelt, auf die Menschen vor Ort und auf den Wasserhaushalt in den betroffenen Regionen. Natürlich hat das auch Auswirkungen auf unser Klima.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt zu den Maßnahmen der Regierung!)

Das alles spüren wir dann natürlich auch zeitverzögert hier bei uns, zumindest was den Klimawandel betrifft.

Palmölplantagen bedeuten also Treibhausgasemissionen in ungeahnten Höhen durch Brandrodungen und dergleichen. Sie bedeuten Landkonflikte durch Vertreibung von einheimischen Kleinbauern und nicht selten die komplette Missachtung der Landrechte indigener Minderheiten und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen auf den Plantagen. Das alles muss man leider mit dem industriellen Anbau von Palmöl verbinden. Inwieweit Palmöl, das wir nahezu ausschließlich aus Entwicklungs- und Schwellenländern beziehen – wir haben schon gehört, dass 85 Prozent aus Indonesien und Malaysia kommen –, schon unseren Alltag beeinflusst – wir haben gehört, wo überall Palmöl eingesetzt wird –, ist vielen von uns gar nicht bewusst. Mir war es bis vor wenigen Wochen auch nicht so bewusst. Das eine oder andere wusste ich, aber nicht in dieser Dimension: dass 68 Prozent des produzierten Palmöls in die Nahrungsmittelindustrie gehen. Wir kennen alle den schokoladenartigen Brotaufstrich, den Kinder morgens gern essen

(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Meine Kinder nicht!)

und den auch ich in der Vergangenheit gern gegessen habe.

Wir kennen das alles: 27 Prozent der Produktion gehen in Kosmetika, Putz- und Reinigungsmittel, und 5 Prozent – das haben wir auch schon gehört, je nachdem, welche Zahlen man nimmt – werden im Kraftstoff verwendet.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind völlig veraltete Zahlen! Es sind 41 Prozent, die heute in den Tank gehen!)

– Ja, Kollege, ich habe ja – hör richtig zu – gesagt: Je nachdem, welche Zahlen man verwendet.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Veraltete oder neue!)

Ich sage selbstverständlich auch: mit extrem steigender Tendenz. Wenn man sich das gerade beim Kraftstoff anschaut, sieht man innerhalb von sechs Jahren eine Steigerung – wenn die Zahl richtig ist – um 365 Prozent.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt zu den Maßnahmen der Regierung!)

Du siehst also, Kollege, ich habe den Antrag durchaus gelesen.

Wir wissen natürlich: 58 Millionen Tonnen werden insgesamt produziert, und 10 Prozent davon gehen in die EU.

Wenn wir jetzt die Auswirkungen des Palmölanbaus auf die vielen betroffenen Menschen vor Ort, also die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die indigene Bevölkerung, die Landbevölkerung, auf diejenigen, die dort vertrieben werden, auf das Klima, die Umwelt auf der einen Seite betrachten und uns auf der anderen Seite den steigenden Verbrauch, die enorme Nachfrage in den Industriestaaten vor Augen führen, dann stellen wir fest: Es ist eine enorme Schieflage zuungunsten der Entwicklungs- und der Schwellenländer da. Es ist schon ein Punkt, wo wir sagen müssen: Das ist eine enorme Schieflage zuungunsten der Länder und ihrer Umwelt, und dem müssen wir deutlich entgegenwirken. Ich sage aber auch: Wir müssen nicht nur entgegenwirken, sondern auch besonnen entgegenwirken. Ich sage das deshalb, weil der Kollege Klimke schon recht hat, dass nicht wenige Kleinbauern von den Einnahmen leben müssen, da dies ihre einzige Einnahmequelle ist, die sie zur Verfügung haben, um ihre Familie zu ernähren.

Nicht wenige Entwicklungsländer verbinden mit dem Export von Palmöl auch die Hoffnung auf zusätzliche Arbeitsplätze und zusätzliche Einnahmen.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Arbeitsplätze werden ja durch die industrielle Produktion zerstört!)

Ich betone: die Hoffnung. Wer also, lieber Kollege, den Anbau und den Verbrauch von Palmöl quasi untersagen will – was euer Antrag ja nicht fordert; das will ich hier deutlich sagen –, schießt eigentlich am Ziel vorbei, und es ist auch unrealistisch. Aber die hohen Erträge und günstigen Herstellungskosten machen diese Pflanze natürlich sehr attraktiv und behindern auch ein zügiges Ersetzen dieser Pflanze. Palmöl ist nun einmal dreimal so ertragreich wie Raps und beansprucht ein Sechstel der Fläche für Soja. Trotzdem finde ich: Wir können da eine ganze Menge tun.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gott sei Dank wächst sie in Deutschland nicht!)

Wir Entwicklungspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion sind für verbindliche, einklagbare soziale Umweltstandards – nicht nur beim Palmöl, sondern generell. Dazu gehören effektive Beschwerde- und Sanktionsrechte, damit Arbeitnehmer ihre Rechte auch einklagen können. Dazu gehören Gewerkschaftsrechte und faire Löhne. Dazu gehört, dass wir bei Handelsverträgen mit anderen Staaten die verbindliche Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen einfordern. Dazu gehört, dass multinational agierende Unternehmen dazu verpflichtet werden, ihre Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette zu garantieren. Ich sage: Wir brauchen mehr Transparenz, mehr Verbindlichkeit und ein Mehr an Verantwortung, und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern auch so, dass es eingefordert werden kann.

Ich sage auch: Wir Entwicklungspolitiker der SPD sind, glaube ich, auf einem guten Weg. Wir haben in dem Bereich schon einiges auf den Weg gebracht. Unser Antrag „Gute Arbeit weltweit“, den dankenswerterweise viele Kolleginnen und Kollegen in der Koalition namentlich mitgezeichnet haben und damit persönlich dokumentiert haben, wie wichtig ihnen gute Arbeit weltweit ist, beweist das, glaube ich, nachdrücklich. Mit der Umsetzung der CSR-Richtlinie und dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte, der gerade erarbeitet wird, müssen wir die nächsten Schritte konsequent und vor allen Dingen verbindlich umsetzen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Ziel muss sein, dass gut gemeinte, gut gemachte und ordentlich formulierte Anträge wie dieser – das will ich bei dem Antrag, den wir gerade debattieren, gar nicht in Abrede stellen –, die sich auf sektorale Produktionen, auf einzelne Produkte, auf Produktlinien oder auf einzelne Lieferketten beziehen, nicht mehr notwendig sind, weil verbindliche Sozial- und Umweltstandards, Menschenrechtsstandards, Unternehmensverantwortung und faire Arbeitsbedingungen sowie faire Löhne überall gelten und eingehalten werden müssen und notfalls auch eingeklagt werden können. Ich finde, das muss unser Ziel sein.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das verhindert diese Regierung: dass verbindliche Standards kommen!)

– Kollege, zuhören.

(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist nicht seine Stärke!)

Beim Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte sage ich recht deutlich: Wir müssen liefern. Ein Jahr lang haben sich Zivilgesellschaft, NGOs, Stiftungen, Gewerkschaften und viele Verbände mit ihrem Expertenwissen sehr konstruktiv, sachbezogen und lösungsorientiert eingebracht und sich dabei engagiert. Dieses Wissen und Engagement kann man nicht einfach mit einem Federstrich zur Seite wischen, auch die BDA nicht, möge sie seit wenigen Tagen über noch so gute Beziehungen zum Finanzministerium verfügen.

Ich sage auch: Politisches Handeln muss durch Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden, weil es wichtig ist, dass die Menschen wissen, was in unseren Produkten enthalten ist. Denn nur dann, wenn sie wissen, was in den Produkten drin ist, können sie sich für Alternativprodukte entscheiden.

Damit sind wir schon beim Thema Transparenz und Siegel. Aus meiner Sicht ist es ein durchaus schwieriges Unterfangen. Die Grundidee der Siegel halte ich für sehr gut. Unser Problem ist allerdings, dass wir eine ganze Reihe von Siegeln haben, die nicht das halten, was sie versprechen. Wir haben auch eine ganze Reihe von Siegeln, die im Grunde nur zu Werbezwecken erfunden wurden. Deshalb bin ich der Auffassung: Wir müssen da politisch handeln. Wir müssen Rahmenbedingungen vorgeben. Ich finde, das ist mit eine Aufgabe von Politik.

Ich freue mich darauf, in den Wochen nach der Sommerpause, lieber Kollege Kekeritz, dieses Thema in den Fachausschüssen weiter zu verfolgen, weiter zu begleiten. Ich glaube, die Arbeit daran lohnt sich; denn es geht um gute Arbeit weltweit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Jetzt spricht Peter Stein, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6971204
Wahlperiode 18
Sitzung 184
Tagesordnungspunkt Internationale Palmölproduktion
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