06.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 185 / Einzelplan 06

Eva HöglSPD - Inneres

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland ist ein sicheres Land. Ich stelle fest, dass es ein großes Glück ist, dass wir das so sagen können; denn wir leben alles in allem in einem sicheren Land. Dazu tragen, meine Damen und Herren, viele an ganz vielen unterschiedlichen Stellen jeden Tag bei: die Polizistinnen und Polizisten in Bund und Land, die Justiz, die Nachrichtendienste, die Rettungsdienste sowie auch Verbände, Vereine, Organisationen und Projekte, die ein sicheres Umfeld schaffen und sich um unsere Demokratie kümmern. Ich finde, am Anfang unserer Arbeit hier wieder im Deutschen Bundestag und zu Beginn unserer Haushaltsdebatte kann man dafür einfach einmal ganz herzlich Danke schön sagen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Sicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, bewegt – das ist schon erwähnt worden – alle Bürgerinnen und Bürger. Das haben nicht nur die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern gezeigt. Dass dies das Topthema war, wissen wir aus allen Umfragen und Untersuchungen der letzten Zeit.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wegen der Burka, haben wir gehört!)

Es gibt in unserer Bevölkerung ein ganz subjektives, manchmal auf konkreten Gegebenheiten – manchmal auch nicht – beruhendes Unsicherheitsgefühl ganz unterschiedlicher Art und mit ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Aber es gibt auch objektiv Unsicherheit und Ängste, weil die Diebstahlszahlen steigen, weil es zunehmend Wohnungseinbrüche gibt, weil auch Gewaltdelikte vorkommen und weil bestimmte Orte nicht sicher sind. Auch die Amokläufe und die Terrorgefahr produzieren Unsicherheit.

Wir alle hier gemeinsam – ich sage „gemeinsam“, weil das in solch einer Debatte auch eine wichtige Botschaft ist – setzen mit unseren Gesetzen – die wir gemeinsam beraten, aber nicht immer gemeinsam beschließen – alles daran, dass Deutschland ein sicheres Land bleibt. Wir legen die Grundlagen im Haushalt.

Eines ist mir auch ganz wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich die Botschaften, die wir in einer Debatte über die öffentliche Sicherheit transportieren.

Die Große Koalition hat schon viel auf den Weg gebracht – das können wir in dieser Debatte auch sehr selbstbewusst sagen –: Gesetze zur Terrorbekämpfung, zur grundlegenden Reform des Asylrechts und zur Integration, und dieser Haushalt des Bundesministeriums des Innern ist im Vergleich zum Jahr 2015 um 30 Prozent gestiegen.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das sei hier einmal erwähnt. Das heißt, wir sorgen uns um die öffentliche Sicherheit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich habe die Demokratieförderung eben schon erwähnt. Auch dafür haben wir die Mittel verdoppelt. Auch das ist eine ganz wichtige Botschaft und eine wichtige Grundlage, die wir legen.

Herr Minister, Sie haben eben schon die Sache mit den Botschaften angesprochen. Ich will das noch einmal verstärken. Es ist nicht gut, wenn wir Ängste herbeireden; auf der anderen Seite dürfen wir keine Probleme verschweigen. Sie haben das auch gesagt. Es hilft nichts, wenn wir selbst darüber sprechen, dass es in Deutschland flächendeckend No-go-Areas gibt. Die gibt es in Deutschland nicht flächendeckend. Trotzdem müssen auch wir im Deutschen Bundestag über Kriminalitätsschwerpunkte reden. Es muss darum gehen, dass alle Plätze und Orte in Deutschland sicher sind und die Menschen sich sicher fühlen und sich gerne dort aufhalten oder gerne dort entlanggehen.

In der Debatte über die öffentliche Sicherheit – das hat der Sommer gezeigt, in dem uns vieles beschäftigt hat – ist eines auf jeden Fall fehl am Platz, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich Symbolpolitik und Aktionismus.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie haben das auch gesagt, Herr Minister: besonnen und ruhig.

Im Sommer hat mich durchaus das eine oder andere gestört. Denn wir haben die Aufgabe, Ängste zu nehmen, statt sie zu schüren.

(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Ich sage es ganz deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das Verbot der Burka schafft nicht mehr Sicherheit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch wenn wir alle – ich glaube, das gilt für alle in diesem Raum und auch für diejenigen, die uns zuhören – gegen Vollverschleierung sind, dürfen wir nicht den Eindruck erwecken, dass wir mit solchen Diskussionen und Maßnahmen mehr Sicherheit schaffen. Denn dann werden wir unglaubwürdig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in Berlin mit unserem Neutralitätsgesetz einen ganz guten Weg gewählt, und ich glaube – so habe ich Sie und auch die Debatte bei unserem geschätzten Koalitionspartner wahrgenommen –, dass wir einen Weg gehen könnten, wo wir Bereiche definieren, in denen eine Vollverschleierung untersagt wird. Aber mir sind, wie gesagt, die Ernsthaftigkeit und Besonnenheit in dieser Debatte sehr wichtig.

Ich will noch etwas erwähnen, das mich im Sommer geärgert hat – auch das gehört in eine solche Debatte –: Es gibt keinen einzigen Zusammenhang zwischen Terror und doppelter Staatsangehörigkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir gehen gemeinsam in der Koalition einen guten Weg in der Integration und in der Frage, wie wir Menschen mit einer unterschiedlichen Biografie, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind, aber jetzt Deutsche sind oder Deutsche sein wollen, Möglichkeiten geben – auch mit einer doppelten Staatsangehörigkeit –, um sich zugehörig zu fühlen. Das sollten wir nicht kaputtmachen und kleinreden, sondern gegebenenfalls noch ausbauen; denn das stärkt unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und ist ein wichtiger Beitrag zu guter Integration.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin immer noch bei den Botschaften und verbinde das gleich mit ein paar konkreten Forderungen. Mir ist auch eines ganz wichtig, nämlich dass wir deutlich machen, dass wir in der Sicherheit einen starken Staat brauchen.

(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)

Wir dürfen die Sicherheit nicht privatisieren. Sicherheit ist keine Privatsache, und Sicherheit darf in keinem Fall vom Geldbeutel abhängen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sind wir gefordert, mit dem Bundeshaushalt die Grundlagen dafür zu legen, dass wir unseren Staat stärken. Es darf also keine Einsparungen und auch keine Privatisierungen in diesem Bereich geben. Es ist, glaube ich, sehr wichtig, dass wir das noch einmal deutlich machen.

Ich will ein paar konkrete Punkte im Haushalt herausgreifen. Herr Minister, Sie haben schon die Bundespolizei und die kräftige Aufstockung in diesem Bereich angesprochen. Wir haben in der Vergangenheit ein ganz gewaltiges Defizit bei der Bundespolizei gehabt. Es gibt Berechnungen, denen zufolge uns immer noch insgesamt 14 000 Stellen fehlen. Sie kennen die Berechnungen; wir haben sie in der Diskussion. Wir müssen uns auch gar nicht über die eine oder andere Stelle streiten. Klar ist aber: Die Aufgaben bei der Bundespolizei nehmen zu, und wir müssen die Grundlagen schaffen, die Bundespolizei ausreichend auszustatten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir haben – darauf sind wir als SPD auch stolz – im letzten Haushalt 3 000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei durchgesetzt. Jetzt wollen wir noch draufsatteln – Sie haben es gesagt –: weitere 4 000  2017 bis 2020. Ich würde sagen, wir stocken so lange auf, bis wir das Defizit bei der Bundespolizei ausgeglichen haben und bis wir dort ausreichend Stellen haben, um die gewachsenen Aufgaben zu bewältigen.

Wir dürfen nicht vergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir die Bundespolizistinnen und Bundespolizisten auch fortlaufend gut bezahlen müssen – es geht nicht nur um die Stellen, sondern auch um die Bezahlung – und dass wir sie gut ausstatten müssen. Auch das ist sehr wichtig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich habe schon die gestiegenen Zahlen bei der Einbruchskriminalität angesprochen. Ich glaube, ich muss es nicht weiter betonen: Alle wissen – das besorgt die Bürgerinnen und Bürger auch –, wie wichtig es ist, dass wir bei der Einbruchskriminalität mit guten Maßnahmen versuchen, die Zahlen zu senken und schnell und gut zu ermitteln. Wir brauchen also mehr Polizei in Bund und Ländern. Über die Bundespolizei habe ich schon gesprochen; auch sie kann einen Beitrag leisten. Aber wir brauchen vor allen Dingen eine Stärkung des Bundeskriminalamtes in diesem Bereich. Dort, wo es um organisierte Kriminalität und Bandenkriminalität geht, muss das Bundeskriminalamt konsequent gegen die Täter vorgehen. Zugleich fördern wir die Einbruchssicherung bzw. die Eigensicherung der Bürgerinnen und Bürger durch öffentliche Zuschüsse. Das ist eine sehr gute Kombination.

Ich habe mich gefreut, dass wir Geld für eine Kampagne gegen Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten eingestellt haben. Uns alle besorgt, dass Polizistinnen und Polizisten, aber auch Rettungskräfte, also engagierte Menschen, die anderen helfen wollen, zunehmend angegriffen werden. Es ist ein guter Weg, hier Geld in die Hand zu nehmen und für Respekt und Achtung vor den Einsatzkräften zu werben. Das ist eine gute Nachricht.

Noch ein paar Sätze, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu einem anderen Thema, das ich auch unter Aktionismus und Symbolpolitik abhake.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt die CSU! Endlich!)

Es geht um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Es hilft nicht weiter, dies immer wieder zu fordern; das ist ein ziemlich alter Hut. Die Bundeswehr kann im Inneren eingesetzt werden und wird es auch, zum Beispiel bei Naturkatastrophen wie der Flut.

(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Genau das haben wir gesagt!)

– Nicht nervös werden! – Bei der Flüchtlingshilfe hat die Bundeswehr Grandioses geleistet. Dafür können wir uns nur bedanken. Das Grundgesetz gibt den Rahmen für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren vor. Unsere Position als SPD ist: Dabei wollen wir es belassen. Das ist ein guter Rahmen. Wir sehen keine Notwendigkeit, den Einsatz der Bundeswehr im Inneren auf militärische Einsätze auszuweiten. Wir begrüßen durchaus eine gemeinsame Übung mit der Polizei; das ist genau der richtige Weg. Aber für eine solche Übung und für den Zivilschutz insgesamt müssen wir entsprechende Voraussetzungen schaffen und gegebenenfalls mehr Personal und eine bessere Ausstattung zur Verfügung stellen. Dann haben wir einen guten Rahmen geschaffen.

Wir legen mit dem Haushalt eine gute Grundlage dafür, dass Deutschland ein sicheres Land bleibt. Die Kombination aus mehr Polizei und konsequenter Prävention als Schwerpunkte des Haushalts ist wichtig. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen. An der einen oder anderen Stelle kann man sicherlich noch ein bisschen draufsatteln. Dafür werden wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier sorgen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank, Eva Högl. – Nächster Redner: Dr. Konstantin von Notz für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6998740
Wahlperiode 18
Sitzung 185
Tagesordnungspunkt Inneres
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta