06.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 185 / Einzelplan 06

Roland ClausDIE LINKE - Inneres

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Weil es eben auch mein Land ist, will ich zunächst bekennen, dass es mir ziemlich schwerfällt, hier zur Tagesordnung, also zur Befassung mit dem Bundeshaushaltsplan, überzugehen. Hier redet ein Bundesminister über seinen Haushalt, und zeitgleich sagt Ministerpräsident Seehofer den für mich unglaublichen Satz: „Die Menschen wollen diese Berliner Politik nicht.“ Er meint auch Ihre Politik, Herr de Maizière. Ich glaube, er hat den Koalitionsvertrag auch mit unterschrieben.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Time to say goodbye!)

Das ist voll Pegida-anschlussfähig.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss hier nicht die SPD verteidigen. Aber wer über Gabriel und dessen mangelnde Kabinettsdisziplin redet, der darf über Horst Seehofer nicht schweigen. Das müssen Sie sich sagen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieser Etatentwurf, Herr Minister, ist in der Tat das Abbild eines innenpolitischen Weiter-so. Genau das ist das Problem dieses Etats. Ihre innenpolitische Zustandsbeschreibung kennt immer nur drei Aggregatzustände: Deutschland geht es gut. Wir sind auf einem guten Weg. Und wenn es einmal nicht so klappt: Es ist alternativlos. Etwas mehr Demut hätte ich mir erwartet. Immerhin ist hier die ganze bisherige – man kann auch sagen: eta­blierte – Parteiendemokratie gefährdet und nicht nur ein Teil davon.

Der Haushalt sieht an vielen Stellen mehr Geld für Polizei und Behörden vor. Das war schon beim Haushalt 2016 der Fall, häufig mit Zustimmung einer sicherheitspolitisch verantwortungsvollen Opposition. Für 2017 haben Sie erneut eine halbe Milliarde Euro mehr vorgesehen. Allerdings muss man Ihnen auch sagen, dass Sie in Ihrem eigenen Entwurf Haushaltsreste für 2016 in einer Höhe von einer halben Milliarde Euro ausweisen. Sie weisen einen Zuwachs beim sogenannten Asylpaket aus, aber beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kommen Sie beim Stellenaufbau nicht voran, wie dessen Chef Weise vor kurzem kundgetan hat. Deshalb sagen wir Ihnen: Mehr Geld im Haushalt ist noch kein Beleg für bessere Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Gemessen, Herr Bundesminister, wurden die Bienen nicht an ihren Flugkilometern, sondern an dem Honig, den sie nach Hause brachten.

Nun fordert die Bundesregierung bekanntlich überall auf, Geflüchteten Zugang zu Ausbildung und Arbeit zu ermöglichen. Ich habe mir gedacht, dass ich einmal der Bundesregierung eine Anfrage stelle, wie sie selbst mit gutem Beispiel vorangeht. Meine Anfrage an das Bundesministerium lautete: Wie viele geflüchtete Menschen sind seit 2015 in allen Bundesbehörden zusammengenommen in Ausbildung oder Arbeit gebracht worden? Die Antwort des BMI lautet: Fünf. In Ziffern: 5. Ich finde das beschämend. Natürlich weiß ich, dass die Aufgabe der Bundesregierung nicht darin besteht, Geflüchtete einzustellen; aber ein Stückchen mehr mit gutem Beispiel voranzugehen, habe ich schon erwartet. Wirklich etwas leisten geht anders, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sagen wir Ihnen: Ihren sicherheitspolitischen Ankündigungen folgen keine Taten. Wenn man in der Sackgasse ist, ist ein Weiter-so eine gefährliche Fahrt­richtung. Wir werden in Ihrem Etat an vielen einzelnen Stellen Änderungen vorschlagen.

Die IT-Netze des Bundes sollen konsolidiert werden. Nach dem, was ich jetzt wahrnehme, läuft es ein bisschen Gefahr, Installation von veralteter Technik getarnt als Modernisierung auszugeben. Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll 20 Prozent mehr bekommen. Noch mehr Geld für diese Versagertruppe. Oder sollte man fragen: War das Versagen der Plan? Bei der Sportförderung haben sich Bundesinnenministerium und Olympischer Sportbund auf eine Art Geheimverhandlung beschränkt. Bei der Behindertensportförderung kommen wir nicht wirklich voran. Dann noch das sogenannte Zivilschutzkonzept. Zu den Lebensmittelvorräten ist schon etwas gesagt worden.

Ich will noch etwas anfügen, was noch nicht gesagt wurde. Ich fühlte mich an Mao Tse-tung erinnert, der vor mehreren Jahrzehnten einen Aufruf in die Worte gekleidet hat: Grabt die Gräben tief und legt Reisvorräte an. – Wem Sie so alles nacheifern, Herr Bundesminister!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Ergebnis in der Öffentlichkeit, diese Verunsicherung, Herr Mayer, hat ihnen doch nicht die Opposition eingeredet. Da überschätzen Sie uns aber ein Stückchen, muss ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb ist es leider so, Herr Bundesminister: Ihre Stichwortgeber sind die Jungs von der Fraktion „Angst für Deutschland“ oder auch AfD. Sie bedienen deren Ressentiments, Sie verschärfen das Asylrecht und schränken Freiheitsrechte ein. Dafür werden Sie von der Angst-Fraktion gelobt, aber Sie werden nicht gewählt. In der Mitte zwischen Angst und Mut ist auf Dauer kein Staat zu machen. Sie müssen sich entscheiden: Angst oder soziale und humanistische Erneuerung der Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Der politische Hauptfehler seit dem 11. September 2001 war, Krieg als Mittel der Außenpolitik und Freiheitsbeschränkung als Mittel der Innenpolitik zu etablieren. Da, Herr Minister, hilft kein Weiter-so. Da geht es um Umdenken jetzt, Umsteuern jetzt. Und wir sagen Ihnen: Dafür ist es wirklich allerhöchste Zeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Roland Claus. – Nächster Redner in der Debatte: Burkhard Lischka für die SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6998750
Wahlperiode 18
Sitzung 185
Tagesordnungspunkt Inneres
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta