Fritz FelgentreuSPD - Verteidigung
Danke schön. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben heute viel über Trendwende und über das Ansteigen der Ausgaben gesprochen. Ich würde ganz gern quasi antizyklisch einmal darauf hinweisen, dass man diesen Haushaltsentwurf durchaus auch als ein Dokument von Kontinuität und Augenmaß lesen kann.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Das kann überraschen; denn wir alle sind uns einig, dass wir Deutschen mehr für unsere Sicherheit und die Sicherheit unserer Verbündeten tun müssen, sodass es durchaus logisch wäre, den einen oder anderen sprunghaften Anstieg zu erwarten. Aber wenn man genauer hinguckt, dann ergibt sich ein differenziertes Bild.
Wir haben heute zum Beispiel noch gar nicht darüber gesprochen, dass ein nicht unwesentlicher Teil des Anstiegs allein schon durch die Tarifentwicklung bedingt ist.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das ist ja jedes Jahr!)
Das ist klar: In dem Moment, in dem wir keine Stellen mehr abschmelzen, muss die Tarifentwicklung entsprechend zu Buche schlagen.
Die Kosten für Auslandseinsätze der Bundeswehr – das finde ich schon ganz erstaunlich – tragen zu dem Anstieg insgesamt zu weniger als einem Fünftel bei. Gemessen an den vielen wichtigen Aufgaben, die die Bundeswehr im Auftrag dieses Parlaments übernommen hat, gerade auch im letzten Jahr – in Afghanistan, in Mali, im Irak im Einsatz gegen den IS –, ist dieser Entwurf für einen Haushalt durchaus auch ein Dokument der Zurückhaltung.
Meine Damen und Herren, diese Zurückhaltung kritisiert die SPD-Fraktion nicht. Wir sehen aber schon Gründe, bei der Haushaltsberatung etwas genauer nachzufragen, wie das Verteidigungsministerium den politischen Anspruch mit den vorhandenen Möglichkeiten zur Deckung zu bringen beabsichtigt. Im Mai haben Sie, liebe Frau von der Leyen, eine Trendwende in der Personalentwicklung angekündigt; erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges sollten die Streitkräfte wieder wachsen. Aber in diesem Haushaltsplan sind dafür noch keine zusätzlichen Stellen vorgesehen. Auch das kritisieren wir nicht; denn bevor sich eine solche Trendwende tatsächlich in einer größeren Bundeswehr niederschlagen könnte, müssten wir erst einmal die Sollstärke von 185 000 erreicht haben. Damit werden unsere Personalbüros im kommenden Jahr zweifellos mehr als genug zu tun haben.
Aber, meine Damen und Herren, die Aufgaben wachsen dennoch weiter. Wir sind dabei, überall dort, wo keine Übung und kein Einsatz durchgeführt, vorbereitet oder nachbereitet wird, die 41-Stunden-Woche umzusetzen. An vielen Standorten erweist sich das als schwer genug – ohne zusätzliches Personal; auch darauf hat die Ministerin hingewiesen.
Zu den Standardaufgaben der Bundeswehr gehört auch ihr Beitrag zur NATO, und die hat sich im Juli auf dem Gipfel in Warschau einiges vorgenommen, vor allem den Aufbau von vier sogenannten Battle Groups, die in Polen und im Baltikum jeweils in der Stärke eines Bataillons die ständige Anwesenheit von NATO-Truppen in wechselnder Zusammensetzung garantieren sollen, aber auch die Verlängerung des Einsatzes in Afghanistan über 2016 hinaus und den Einsatz von bis zu 16 AWACS-Flugzeugen, um den Luftraum über dem vom IS kontrollierten Gebiet zu überwachen. Das sind nur drei Beispiele; die Liste ist länger.
Jedes dieser Vorhaben, liebe Kolleginnen und Kollegen, hält auch die SPD-Fraktion für sinnvoll und notwendig. Die Verbündeten in Osteuropa brauchen die Rückversicherung, dass der Schutz des NATO-Vertrags auch ihre Sicherheit in vollem Umfang garantiert. Die Anwesenheit von Truppen der anderen NATO-Staaten macht diese Garantie anfassbar. Zugleich bleibt sie aber auch im Rahmen des Grundlagenvertrages mit Russland und stellt für den großen und schwierigen Nachbarn keine Bedrohung dar.
(Dr. Karl A. Lamers [CDU/CSU]: Genau!)
Warum es zwingend notwendig ist, einerseits über die Lage im IS-Gebiet Bescheid zu wissen und andererseits die Afghanen mit ihren Problemen nicht alleinzulassen, erschließt sich nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres von selbst. Deutschland steht zu seinen Verpflichtungen als wichtiges Mitglied der NATO, und es ist gut und richtig, dass wir uns aktiv an der Umsetzung der Warschauer Beschlüsse beteiligen.
Aber, meine Damen und Herren, das alles kostet viel Geld, und wir brauchen dafür viel Personal. Die angekündigte Trendwende schlägt sich in dem vorgelegten Entwurf noch nicht entsprechend nieder. Ehrlich gesagt, bin ich etwas erstaunt, dass der Entwurf nicht einmal bei den Reservedienstposten eine Aufstockung vorsieht. Unter den Reservistinnen und Reservisten dürfte es doch noch viele gut qualifizierte und motivierte Leute geben, mit denen kurzfristig Personallücken geschlossen werden könnten. Bei meiner Sommertour habe ich Klagen darüber gehört, dass Freiwillige abgewiesen werden mussten, obwohl ihre Dienststellen sie gebraucht hätten. Das sollten wir ändern.
Deshalb: Sosehr wir einen Haushalt begrüßen, der auf neue Aufgaben eingestellt ist, aber zugleich unter dem Zeichen von Kontinuität und Augenmaß steht, so genau und kritisch werden wir über die Prioritäten des kommenden Jahres zu sprechen haben; denn dass wir allen hochgesteckten Zielen näherkommen, das wird die Debatte über diesen Entwurf erst noch beweisen müssen. Eine gewisse Skepsis merken Sie mir vielleicht an. In der SPD-Fraktion werden wir auf jeden Fall unser Augenmerk darauf richten, dass die notwendige Schwerpunktbildung am Ende nicht zulasten derjenigen geht, die in der Bundeswehr Tag für Tag ihren anspruchsvollen und oft auch gefährlichen Dienst leisten.
Danke schön.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6999388 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 186 |
Tagesordnungspunkt | Verteidigung |