Stefan RebmannSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute einen Entwicklungsetat, der mit seinem Aufwuchs ein positives Signal setzt. Wir als Entwicklungspolitiker sagen schon lange, dass Entwicklungspolitik auf der politischen Agenda eine ganz andere Wertigkeit einnehmen muss, und das muss sich selbstverständlich auch im Haushalt widerspiegeln.
Der Minister hat es schon angesprochen: Angesichts von 65 Millionen Menschen, die derzeit weltweit auf der Flucht sind, müssen wir noch deutlicher als bisher klarstellen: Je zielgerichteter, je effektiver und je nachhaltiger wir Entwicklungspolitik gestalten und damit für stabilere und friedlichere Verhältnisse in den Ländern sorgen, umso mehr Menschen können und werden in ihren Heimatländern bleiben und müssen sich nicht auf die Flucht begeben.
Kolleginnen und Kollegen, gute Entwicklungspolitik ist die langfristige Antwort auf die Angstmacher, Spalter und Hetzer, die derzeit in unsere Parlamente einziehen; denn mit einer guten Entwicklungspolitik wirken wir Flucht- und Wanderungsbewegungen entgegen. Wir bieten den Menschen in den Entwicklungsländern Zukunftsperspektiven, und gleichzeitig – der Minister hat eine ganze Reihe positiver Aspekte dieser Politik aufgeführt – können wir den Menschen hier bei uns ihre Ängste nehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Herr Minister, ich kann verstehen, dass sie die Sonderinitiativen eingerichtet haben, um flexibel auf die Krisen in der Welt reagieren zu können. Damit ist ja auch viel Gutes auf den Weg gebracht worden;
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch viel Mist!)
das will ich gar nicht kritisieren. Dennoch mache ich im dritten Jahr der Sonderinitiativen ein Fragezeichen an die Fortschreibung der Sonderinitiativen in dieser Höhe.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Leutert [DIE LINKE] – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)
Ich wünsche mir jedenfalls für die anstehenden Beratungen, dass die entscheidenden und schon bestehenden Haushaltstitel gestärkt werden; denn Entwicklungspolitik ist, wie ich meine, die beste Fluchtursachenbekämpfung, und dafür brauchen wir eine langfristig abgesicherte Finanzierung und keine jährlichen Rhythmen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Diese jährlichen Vergaben der Mittel aus den Sonderinitiativen geben den Durchführungsorganisationen leider keine ausreichende Sicherheit. Ich bin in dieser Woche mehrfach darauf angesprochen worden. Das schafft einfach Probleme.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Anträge habt ihr letztes Jahr noch verschlimmbessert!)
Das kann dazu führen, dass Projekte eventuell eingestampft werden, weil die Finanzierung nicht ganz klar ist. Wenn sie dann doch steht, sind die Mitarbeiter eventuell fort oder die Strukturen bestehen nicht mehr, und wir fangen wieder von vorne an. Ich glaube, das kann nicht Ziel dieser Vorgehensweise sein. Meine Bitte für die kommenden Haushaltsberatungen lautet also: ein Mehr an Mitteln im Haushalt jenseits der Sonderinitiativen, ohne die Sonderinitiativen ganz aufzulösen.
Auf meiner Liste ganz oben steht der Zivile Friedensdienst. Wir als SPD kämpfen schon jahrelang für den Zivilen Friedensdienst, und wir sind dabei, glaube ich, durchaus erfolgreich. Ich finde, die Unterstützung von Friedensprozessen und die Aussöhnung sind enorm wichtig. Herr Müller, Sie sprechen selbst von einer großartigen Arbeit des Zivilen Friedensdienstes. Deshalb freue ich mich sehr, dass Sie mich sicherlich dabei unterstützen werden, die Kolleginnen und Kollegen Haushälter zu überzeugen, einen spürbaren Aufwuchs um einige Millionen festzuschreiben.
(Beifall bei der SPD)
Weiter sehe ich auf meiner Liste der Themen für die zukünftigen Haushaltsberatungen die Deutsche-Welle-Akademie. Wenn wir wollen, dass Menschen in Entwicklungsländern gut informiert sind und ihre Möglichkeiten in Deutschland und Europa realistisch einschätzen können, wenn wir Meinungsfreiheit, Medienvielfalt und neutrale, gute Berichterstattung fördern wollen, damit sich die Menschen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen, wenn wir das, was für uns selbstverständlich ist – freier Informationszugang und Pressefreiheit –, auch in anderen Ländern haben wollen, dann, glaube ich, brauchen wir in diesem Bereich keine Kürzung, sondern eher einen bescheidenen Aufwuchs. Auch darüber, denke ich, müssen wir noch miteinander beraten.
Auch die Investitionen im Bereich Gesundheit sind, wie ich meine, von elementarer Bedeutung; denn ohne Gesundheit keine Zukunft und keine Perspektiven. Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, kurz GFATM genannt, leistet, wie wir alle wissen, hervorragende Arbeit. Ich frage mich, warum trotz der enormen Erfolge des GFATM angesichts der Wanderungsbewegungen, die wir haben, bisher lediglich ein Aufwuchs um 10 Millionen Euro vorgesehen ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das fragen wir uns auch!)
Bei der Wiederauffüllungskonferenz in Kanada in wenigen Tagen stehen wir alle gemeinsam, aber ganz besonders die Kanzlerin, im Wort, unseren Beitrag zu leisten. Als SPD fordern wir schon lange mindestens 300 Millionen Euro für den GFATM. Wenn sich die Kanzlerin diesem Ziel nähern kann und sich bei der Wiederauffüllungskonferenz in diese Richtung bewegt, dann, glaube ich, bekommen wir das zusammen, was wir dringend benötigen, um den drei großen Killerkrankheiten der Menschheit entsprechend begegnen zu können.
Zum Schluss noch eine Anmerkung zu einem Themenbereich, den der Herr Minister auch schon angesprochen hat, zur menschenwürdigen Arbeit. Wir haben in der Koalition den Antrag „Gute Arbeit weltweit“ verabschiedet. Es hat sich ja auch schon einiges getan; auch dafür wurden schon ein paar Beispiele genannt. Nun haben wir nicht nur die SDGs auf unserer Agenda, sondern auch den Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“. Die Kanzlerin hat ja beim G 7-Gipfel in Elmau die Einhaltung der Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards entlang der globalen Lieferketten in den Mittelpunkt gerückt, und zwar zu Recht. Gute Arbeit weltweit – das wäre ein sinnvoller Beitrag, um Fluchtursachen nachhaltig zu bekämpfen.
Aber die Anmerkungen des Bundesfinanzministeriums zum Nationalen Aktionsplan bewirken genau das Gegenteil
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und sind eigentlich auch gegen die Kanzlerin gerichtet. Da werden menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in menschenrechtliche Verantwortung abgeschwächt, und alles, was nur den Anschein erweckt, eventuell vielleicht doch unter ganz bestimmten Umständen zu mehr Verbindlichkeit zu führen, wird gleich ganz gestrichen. Ich glaube, da muss man ein deutliches Wort sprechen. Das Bundesfinanzministerium hat sich da aus meiner Sicht komplett verrannt. Sie haben sich zum Sprachrohr der BDA gemacht. Das ist nicht gut. Das ist keine Fluchtursachenbekämpfung, sondern genau das Gegenteil.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Würden diese Anmerkungen übernommen, wäre der NAP nicht das Papier wert, auf dem er steht.
Zusammenfassend und zum Schluss, Frau Präsidentin: Wenn wir Entwicklungspolitik ernst nehmen, dann brauchen wir die finanziellen Mittel und den ernsthaften Willen für verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten, für den Aufbau von sozialen Sicherungssystemen und für eine konsequente Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens. Schon heute gibt es 20 Millionen Klimaflüchtlinge weltweit. Die Zahlen werden noch dramatisch steigen. Wir brauchen den ernsthaften Willen für mehr konsequentere und nachhaltigere Entwicklungspolitik. Wir brauchen eine langfristig abgesicherte Finanzierung. Entwicklungspolitik ist eine langfristige Aufgabe. Es braucht Zeit. Wir brauchen deshalb langfristig die entsprechenden finanziellen Mittel. Ich bin guter Dinge, dass wir in den nächsten Wochen noch gut beraten werden.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Zeit war ein sehr gutes Stichwort. Aber das müssen Sie dann irgendwann mit Ihren Kolleginnen und Kollegen ausmachen, wenn es nicht anders geht.
Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6999404 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 186 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |