07.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 186 / Einzelplan 23

Uwe KekeritzDIE GRÜNEN - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Könnte es sein, Herr Minister, dass wir Ihre Rede schon drei- oder viermal gehört haben? Glauben Sie nicht, dass das Kritik ist. Ich freue mich immer wieder, wenn wir aus Teilen Ihrer Rede grüne Programmatik heraushören. Aber es wäre doch schön, wenn Sie sich mal mit der Bundeskanzlerin zusammensetzen und klären würden, was zu tun ist, damit dann doch am Schluss etwas mehr herauskommt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der Aufwuchs – wir haben es heute gehört – ist da, er reicht aber nicht aus. Das möchte ich mit einem einzigen Beispiel, nämlich dem Global Fund, belegen. Sie erinnern sich: Unter Frau Wieczorek-Zeul wurde er eingeführt. Seitdem gibt es für ihn jedes Jahr – seit 13 Jahren – 200 Millionen Euro. Wenn wir die Inflation und die Währungskursschwankungen der letzten Jahre nehmen, dann wird klar, dass der Global Fund von uns heute effektiv 30 Prozent – wahrscheinlich sind es sogar 40 Prozent – weniger an Kaufkraft zur Verfügung gestellt bekommt als vor 14 Jahren. Damit werden wir unserer internationalen Verpflichtung in diesem Bereich nicht gerecht.

Herr Minister, Sie stecken lieber weitere Mittel in das mehr als fragwürdige Konstrukt der Sonderinitiativen; das wurde schon problematisiert. Statt auf Nachhaltigkeit zu setzen, bauen Sie ineffektive Parallelstrukturen auf. Genauso wie Ihr Vorgänger bauen Sie nicht auf Multilateralismus, sondern auf bilaterale Strukturen. Angesichts der globalen Herausforderungen ist das ein rückwärtsgewandtes, falsches, aber auch fatales Signal an die Weltgemeinschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Lassen Sie mich zu den Fluchtursachen kommen. Überall tragen Sie, Herr Minister, mantraartig vor, wie Fluchtursachen bekämpft werden sollen. Natürlich müssen wir Fluchtursachen bekämpfen. Aber davon sind wir weit weg. Ich habe sogar den Eindruck, dass wir davon immer weiter wegkommen. Diese Bundesregierung bekämpft im Schulterschluss mit der EU Flüchtlinge anstatt Fluchtursachen. Das hilft langfristig gar nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wer ernsthaft Fluchtursachen bekämpfen will, muss für eine Veränderung der globalen Strukturen eintreten. Genau das verhindert diese Regierung bei jeder sich ihr bietenden Möglichkeit.

Nehmen wir als Beispiel den Handel. Es ist der unfaire Handel, der global die Ungleichheit vorantreibt, und zwar nicht nur innerhalb der Nationen, sondern auch zwischen den Nationen. Es ist der unfaire Handel, der Entwicklungschancen der Länder reduziert und damit Fluchtursachen vergrößert. In Ihren Sonntagsreden geben Sie sich als großer Versteher, der den Handel massiv kritisiert. Man könnte fast Respekt davor bekommen. Doch wo bleibt Ihre Kritik an den Handelsverträgen der EU mit den afrikanischen Ländern?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das BMZ ist für diese Verträge federführend zuständig. Immer da, wo Sie konkret Einfluss nehmen müssten, ist es verdammt still um Ihre Aktivitäten. Da merkt man nichts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Nach 14 Jahren sind diese Verträge noch immer nicht unter Dach und Fach. Wenn diese Verträge wirklich positiv für die afrikanischen Staaten wären, wären sie schon längst unterschrieben. Die Erklärung, die ich aus Ihrem Hause höre, dass die afrikanischen Länder nur nicht begreifen würden, welche Vorteile sie aus den Verträgen ziehen könnten, halte ich für dreist. Gerade mit Handelsverträgen für Entwicklungsländer könnten Impulse für positive Entwicklungen gesetzt werden. Damit könnte man auch den Fluchtdruck reduzieren. Aber hier sehe ich von Ihnen keinerlei Initiativen.

Wer den Menschen ein Leben als Flüchtling ersparen will, muss auch bäuerliche Strukturen fördern. Was machen Sie, Herr Minister? Sie lassen grüne Zentren aus dem Boden stampfen, deren Wirkung zweifelhaft ist. Sicher ist nur, dass die deutsche Agrarindustrie davon profitiert. Wem ernsthaft daran gelegen ist, Ursachen statt Symptome zu bekämpfen, muss sich für eine faire Besteuerung multinationaler Konzerne einsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber auf der Finanzierungskonferenz in Addis Abeba 2015 sprach sich das OECD-Mitglied Deutschland gegen eine Stärkung der UN-Steuerkommission aus. Nur diese Kommission wäre völkerrechtlich legitimiert, die globale Finanz- und Steuerarchitektur zu reformieren. Aber das verhindert die OECD. Zur Erinnerung: Die OECD ist der Klub der 34 reichsten Länder dieser Erde. Die Gestaltung der Finanz- und Steuerarchitektur lässt sich die OECD nicht aus den Händen nehmen. So kann globale Zukunft nicht gestaltet werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer Fluchtursachen bekämpfen will, muss sich für verbindliche Öko- und Sozialstandards in der globalen Lieferkette einsetzen. Was macht unser Herr Minister? Er stampft ein Textilbündnis aus dem Boden – da haben wir unterschiedliche Einschätzungen –, das der Textilindustrie staatlich gefördertes Fairwashing ermöglicht, wofür sich diese schön bedankt. Als Mitglied im Bundessicherheitsrat, Herr Minister, müssten Sie Ihren massiven Protest bei einer Vielzahl der Waffenexportgenehmigungen zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber gerade beim Waffenexport haben Sie als Minister von Seehofers Gnaden einfach nicht den Mut, gegen die Interessen der bayerischen Rüstungsbetriebe den Mund aufzumachen.

Eine neue Fehlleistung, die nichts mit Entwicklungspolitik zu tun hat, für die aber Ihr Haus verantwortlich ist, ist das sogenannte Grenzmanagementprogramm. Um Menschen daran zu hindern, das Land zu verlassen oder zu fliehen, ist man inzwischen bereit, mit Despoten zusammenzuarbeiten. Die EU und die Bundesregierung machen den Kotau nicht nur vor Erdogan, sondern auch vor Regimen, die Wahlen manipulieren, Menschenrechtler und Journalisten einsperren und foltern, die verantwortlich für schwerste Menschenrechtsverletzungen sind oder deren Repräsentanten international steckbrieflich gesucht werden. Herr Minister, wenn Sie Ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wollen – das empfehle ich Ihnen –, dann sollten Sie sich bitte schön für eine andere Politik einsetzen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat die Kollegin Dagmar Wöhrl für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Stefan Rebmann [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6999427
Wahlperiode 18
Sitzung 186
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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