Volkmar KleinCDU/CSU - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ja heute, wie ich meine, schon sehr eindrückliche Schilderungen der allgemeinen Rahmenbedingungen gehört, eben durch Minister Gerd Müller, aber heute Morgen auch schon durch die Bundeskanzlerin und Volker Kauder. Im internationalen Umfeld – im Grunde könnte man besser von der internationalen Fragilität sprechen, in der wir uns auch als Haushaltsgesetzgeber bewegen – erleben wir, dass viele Menschen in vielen Ländern einfach keine Chance haben, dass sie keine Perspektiven in ihrem eigenen Land sehen. Das Leben in Lagern wird natürlich immer unbefriedigend bleiben; aber selbst in friedlichen Ländern gibt es mangels Chancen eine enorme Landflucht. Beispielsweise wandern die Menschen in den Subsahara-Ländern aus dem Norden in die südlicher gelegenen Hauptstädte nach Lomé oder nach Accra und sorgen da für immer größer werdende Probleme.
Viele bei uns im Land sagen: Das alles sind doch nicht unsere Probleme. Wir haben genug eigene Probleme. – Das sind Klagen auf hohem Niveau; aber, geschürt von Populisten von links und rechts, wird ja ein bisschen das Gefühl vermeintlicher Benachteiligung kultiviert. Dabei ist in Wirklichkeit das, was wir an Rahmenbedingungen geschildert bekommen haben, schon unser Problem: einerseits ethisch – unsere Verantwortung für den Nächsten endet eben nicht an unseren Grenzen –,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
dann aber auch ganz praktisch. Die Probleme mögen zwar in anderen Teilen der Welt entstanden sein. Sie kommen aber zu uns, wenn wir nicht sehr viel mehr tun, um Fluchtursachen zu bekämpfen.
In diesem allgemeinen Umfeld ist, denke ich, der Entwurf für den Gesamthaushalt 2017 eine ziemlich gute Antwort, vor allen Dingen die davon ausgehende Stabilität. In dem weltweit fragilen Umfeld gilt Deutschland als Hort der Stabilität. Das ist auch wichtig; denn mit unserer Stabilität und Bonität können wir vielen helfen und segensreich in unserer näheren und weiteren Umgebung wirken. Von dem Signal über Jahre ausgeglichener Haushalte gehen Zuversicht und Zukunftsvertrauen aus. Das ist im Grunde genommen die Grundlage für weitere Investitionen und eine auch künftig erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung. Die brauchen wir aber auch, um stark zu bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das kann man auch am Haushalt des BMZ sehen. Der Einzelplan 23 ist, wie ich glaube, die richtige Antwort auf die genannten Probleme; im Übrigen lebt er aber auch von langfristiger Stabilität. Das kann man auch an Zahlen festmachen. Sabine Weiss hat eben beklagt, dass im Bereich der Finanziellen Zusammenarbeit die Verpflichtungsermächtigungen im Entwurf ein Stück niedriger angesetzt sind. Aber es handelt sich ja um einen Entwurf, und über all diese Fragen werden wir in den nächsten Wochen intensiv beraten.
Insgesamt betragen die im Haushaltsentwurf ausgebrachten Verpflichtungsermächtigungen 8,9 Milliarden Euro. Sie sind damit deutlich angestiegen und summieren sich dann, wenn wir diesen Haushalt beschlossen haben, auf ausstehende Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 42 Milliarden Euro, und zwar nur im Einzelplan 23. Das heißt, wir versprechen für die Zukunft, diese 42 Milliarden Euro aufzubringen und einzusetzen. Das geht natürlich nur, wenn wir stark bleiben und diese Gelder unsererseits überhaupt erst erarbeiten können. Deswegen: Stabilität ist die Grundlage erfolgreicher Entwicklungszusammenarbeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir brauchen aber natürlich auch jetzt sofort Geld und nicht nur für künftige Verpflichtungsermächtigungen. Der Ansatz für unseren Einzelplan steigt allerdings auch 2017 weiter deutlich, nämlich von 7,4 auf rund 8 Milliarden Euro. Man muss sich einmal daran erinnern, dass 2005 noch eine 3 vor dem Komma stand. Daran wird klar, dass in den letzten Jahren eine wahnsinnig große Steigerung gelungen ist.
Dieses Geld wird aber auch gebraucht, und zwar für die Menschen rund um Syrien. Wir haben schon Beispiele gehört: Cash for Work ist ein wirklich hilfreiches Instrument, die Bezahlung von Lehrern in Lagern für syrische Kinder in der Türkei. Nebenbei ist es auch ein Produkt guter deutsch-türkischer Zusammenarbeit. – Das alles ist sehr wichtig, aber im Grunde nicht die Entwicklungszusammenarbeit, die ich mir vorstelle; denn eigentlich ist das nur Solidarität, die ohne Bürgerkrieg gar nicht nötig gewesen wäre. Wir dürfen angesichts der aktuellen Probleme die langfristige Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika nicht vergessen. Die Dynamik in Afrika ist leider sehr viel kleiner als beispielsweise in den Ländern Asiens, wo viele Länder längst raus sind aus dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Dabei gibt es ein tolles afrikanisches Sprichwort: Bewirte deinen Freund zwei Tage lang, am dritten Tag drücke ihm eine Hacke in die Hand. – Ich finde, das ist ein grandioses Sprichwort. Der Freund muss selbst etwas leisten. Hilfe zur Selbsthilfe. Hängematte ist nicht, sagt das afrikanische Sprichwort.
Das ist es, über das wir immer wieder neu nachdenken müssen: Was ist Hilfe zur Selbsthilfe? Ausbildung natürlich. Die meisten Länder sind begeistert, teilhaben zu können an unseren Erfahrungen mit dem dualen Ausbildungssystem. Gesundheit ist auch ein Stück Hilfe zur Selbsthilfe.
Ich komme gerade von einer Veranstaltung des GFATM. „ No wealth without health“ war das Motto. Genau richtig. Deswegen ist es auch richtig, dass wir den Globalen Fonds auch in Zukunft stark unterstützen, sicher auch mehr, als jetzt auf dem Papier steht. Der Globale Fonds war in der Vergangenheit allerdings relativ wenig flexibel, was die nationalen Beistellungen angeht. Vielleicht hat die zwischenzeitliche Erfahrung bei GAVI für eine größere Flexibilität gesorgt. In Zukunft sind nationale Beistellungen möglich. Ich glaube, dass wir mit einem ordentlichen und sehr viel höheren Angebot als 675 Millionen Euro in der nächsten Woche bei der Konferenz in Kanada sein können.
Also: Ausbildung und Gesundheit sind wichtig. Aber am Ende werden Jobs gebraucht. Es wird sich selbst tragende Arbeit gebraucht und damit das Empfinden der Menschen, Chancen zu haben. Gerade wurden schon Reiseberichte ausgetauscht. Ich war letzte Woche in Togo: ganz süß, liebevolle Ausbildung für Schlosser. Die haben sogar Kleinstöfen gebaut. Die Maurer nebenan hatten ganz simple handbetriebene Formen, Maschinen für Ziegelsteine. Die haben sie noch nicht einmal selber gebaut, sondern importiert. Wenn aber jemand Schlosser lernt, dann muss ihm doch auch ein Unternehmergeist mit auf den Weg gegeben werden. Bei uns heißt „duale Ausbildung“ doch nicht nur, Kenntnisse weiterzugeben, sondern, die Grundlage für Unternehmer zu schaffen, damit sie anschließend Arbeitsplätze schaffen und eine sich selbst tragende Entwicklung in Gang setzen.
Ich glaube, wir brauchen viel mehr Ideen. Wir müssen mehr mit der Wirtschaft zusammenarbeiten, und zwar nicht nur mit unserer, deren Investitionen dringend gebraucht werden. Wir brauchen mehr Zusammenarbeit mit der Wirtschaft vor Ort. Wenn einfachste Vorrichtungen vor Ort nicht selber gebaut werden, sondern importiert werden müssen, dann fehlen den Menschen die Chancen. Deswegen brauchen wir neue Ideen. Die Aneinanderreihung von Projekten ist nicht genug. Wir müssen unsere eigenen Strukturen überdenken und kreativer werden. Wettbewerb hilft meistens. Unsere zu Recht gelobte GIZ – in aller Welt anerkannt – könnte vielleicht auch noch ein bisschen besser werden, wenn sie an der einen oder anderen Stelle etwas mehr dem Wettbewerb ausgesetzt wäre.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es wurde eben gesagt: Auch bei der KfW verändern sich die Erfahrungen. Es bestand Barmittelknappheit, weniger wegen unserer Entscheidungen zum Haushalt – wir haben im letzten Jahr knapp 300 Millionen Euro zugunsten des Titels „Fluchtursachen bekämpfen“ umgeschichtet –, sondern weil sich bei den Projektmitteln die Abflussgeschwindigkeit erheblich erhöht hat. Wir wollen ja, dass das Geld schnell in den Ländern ankommt, in denen es um die Bekämpfung von Fluchtursachen geht. Es ist also richtig, dass das Geld schneller abfließt. Das hat dort allerdings für einige Schwierigkeiten im Hinblick auf eine sichere Prognose geführt. Müssen wir erwarten, dass sie da in Zukunft besser werden? Wir werden auch dieses Problem im Rahmen der Haushaltsberatungen sicherlich näher beleuchten und auch lösen.
Ich glaube, dass der Haushalt – ich wiederhole mich – eine gute Antwort auf die aktuelle Lage in der Welt ist. Auch der Einzelplan 23 ist eine richtige Antwort; er wird der deutschen Verantwortung in der Welt gerecht und sorgt für Chancen, und das sowohl ethisch als auch praktisch. Ich würde mich freuen, wenn wir in aller Sachlichkeit, mit Engagement und Herzblut im Laufe der Haushaltsberatungen in den nächsten Wochen über noch mehr Verbesserungen reden könnten und am Ende einen noch besseren Haushalt für das nächste Jahr beschließen könnten.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Wort hat die Kollegin Gabriela Heinrich für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6999442 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 186 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |