Gabriela HeinrichSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Alle Redner und Rednerinnen haben hier schon über Flüchtlinge gesprochen. Das ist im Zusammenhang mit dem Einzelplan 23 auch kein Wunder. Es ist nicht mehr nötig, großartig zu argumentieren, warum die Weiterentwicklung des globalen Südens auch in unserem Interesse ist. Ein achselzuckendes Wegschauen ist keine Option mehr. Jeder und jede von uns kann vermitteln, warum dieser Haushalt aufwachsen muss – im nächsten Jahr und noch weit darüber hinaus, so wie versprochen. Herr Minister, wir unterstützen Sie jederzeit gerne, damit auch dieses Jahr noch etwas geht.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU])
Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak bestimmen immer noch das Bild. Das Foto des toten Dreijährigen am Strand ist Sinnbild für die Toten im Mittelmeer, für Menschen, die sich Schutz in Europa erhoffen und die Perspektivlosigkeit in den ersten Aufnahmeländern für sich und ihre Kinder nicht mehr ertragen konnten. Jeder und jede kann nachvollziehen, dass die Nachbarländer mehr Unterstützung benötigen: Jordanien, der Libanon, die Türkei. Genau das drückt der aktuelle Haushalt aus, und in diese Richtung gehen auch die Planungen für den kommenden Haushalt.
Dazu gehören etliche Projekte, mit denen wir bessere Lebensbedingungen in Flüchtlingslagern und aufnehmenden Gemeinden unterstützen. Wir fördern den Dialog zwischen Flüchtlingen und der Aufnahmegesellschaft zugunsten der Konfliktprävention und verbessern die Lebensgrundlagen, auch für zurückgekehrte Flüchtlinge; vieles wurde dazu schon gesagt. Mit Programmen wie „Cash for Work“ für Arbeit, Bildung und Infrastruktur verbessern wir die Perspektiven von Menschen auf der Flucht und stabilisieren die Aufnahmeländer, so gut es eben geht. Es ist richtig, wenn wir hier im kommenden Haushalt noch einmal zulegen. Beim Zivilen Friedensdienst muss das Zulegen allerdings noch erfolgen.
(Beifall des Abg. Christoph Strässer [SPD] – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Menschen fliehen vor Gewalt und vor Bürgerkrieg, aber auch vor religiöser und politischer Verfolgung, vor Klimaveränderungen, Dürrekatastrophen und vor Hunger. Die meisten Flüchtlinge sind Binnenflüchtlinge oder fliehen in ein Nachbarland. Das betrifft 40 Millionen von insgesamt 65 Millionen Flüchtlingen weltweit. Das heißt auch: Die Hauptaufnahmeländer für Flüchtlinge sind weiterhin die Entwicklungsländer. Für sie ist die Versorgung der Menschen eine ungeheure Herausforderung, und sie führt immer wieder zu neuen Spannungen und Krisen. Es ist wichtig, dass wir hier ansetzen und diese Aufnahmeländer besonders unterstützen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Das gilt nicht nur für den Nahen Osten, sondern auch für Afrika. Ja, Afrika ist ein Kontinent der Chancen, aber Afrika ist eben auch ein Kontinent der Flüchtlinge. Fünf der zehn Hauptaufnahmeländer liegen auf dem afrikanischen Kontinent, angeführt von Äthiopien, gefolgt von Kenia, Uganda, der Demokratischen Republik Kongo und dem Tschad. Deshalb muss das Ziel unserer Zusammenarbeit sein, die Chancen für Afrikaner und Afrikanerinnen zu verbessern. Dabei geht es nicht nur um die Versorgung von Flüchtlingen. Afrika braucht das ganze Paket – fast alles wurde schon gesagt –: Versöhnungsprozesse und Krisenprävention, Stadtentwicklung, wirtschaftlichen Aufbau, aber auch erneuerbare Energien, fairen Handel, Bildung, Gesundheit und Kampf gegen Hunger.
Wenn wir nach Afrika blicken, sind die Flüchtlinge bisher weniger im Fokus; die versuchen über Niger und den Tschad mithilfe von Schleppern durch die Wüste nach Libyen zum Mittelmeer zu kommen. Der Weg ist für die meisten Flüchtlinge unklar. Sie gehen Richtung Norden, irgendwie in Richtung Europa. Unendlich viele von ihnen sterben auf diesem Weg, werden gefoltert, geschlagen, vergewaltigt, als Arbeitssklaven verkauft oder eingesperrt, ihre Familien werden um Lösegeld erpresst. Sie werden kaum gezählt. Geschätzt starten allein 100 000 Menschen im Jahr aus der Stadt Agadez im Niger. Wir zählen die Toten erst, wenn sie Europa fast erreicht haben und im Mittelmeer ertrinken. Über die, die in der Wüste und in Libyen, in den Städten sterben, wissen wir wenig. Was wir wissen, ist, dass diejenigen, die es schaffen, meist keine Chance auf Asyl oder auf ein Bleiberecht haben.
Viele Kriminelle verdienen an den Flüchtlingen: Schlepper, die sie auf den Weg bringen und ihnen Märchen erzählen von ihren Möglichkeiten in Europa, Kriminelle, die sie ausbeuten; auch Polizisten und Militärs verdienen teilweise an diesem Menschenhandel. Die Flüchtlinge wollen glauben, dass es eine Perspektive in Europa für sie gibt. Das macht es den Schleppern so leicht und die Aufklärung über die Gefahren und die schlechten Chancen so schwer.
Ansätze für Aufklärung und Information gibt es bereits auf der europäischen Ebene, sogenannte Informationszentren im Niger und in Mali. Die Umsetzung ist sehr zäh. Regierungen haben oft wenig Interesse, die Ausbeutung der Flüchtlinge zu stoppen, wenn so viele daran verdienen. Wenn wir also in den Staaten, durch die die Flüchtlinge ziehen, gute Regierungsführung fördern, dann geht das nicht, ohne gleichzeitig Alternativen für die wirtschaftliche Entwicklung anzubieten; denn kein Schlepper wird seine Aktivitäten einstellen, so schmutzig sie auch immer sein mögen, wenn er keine alternative Einnahmequelle hat; das gilt auch für den Polizisten, der die Hand aufhält.
Es geht aber auch um Perspektiven für Rückkehrer. Mit Rückkehrerprogrammen unterstützen wir sie bereits, zum Beispiel im Rahmen des Haushaltstitels „Krisenbewältigung und Wiederaufbau, Infrastruktur“. Wir sollten Rückkehrer noch stärker auch als Informationsvermittler einbeziehen und ihre Erfahrungen nutzen.
Wichtig sind und bleiben die Förderung lokaler Medien, die Ausbildung von Journalisten sowie die Vermittlung von Medienkompetenz. Hier wurden wir nicht entsprechend bearbeitet. Es ist eine wichtige Form der Demokratieförderung, und deshalb setzen wir uns massiv dafür ein, dass der Haushaltstitel für die Deutsche Welle Akademie nicht gekürzt wird. Wir haben ihn im letzten Jahr aus gutem Grund erhöht. Er sollte doch wenigstens stabil bleiben, auch im Sinne der Förderung von Zivilgesellschaft.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU])
Was sollen wir noch tun in den Ländern? In welche Ansätze sollen wir investieren, gerade wenn Regierungen sich nicht um das Wohl ihrer Bürgerinnen und Bürger kümmern? Die Stärkung der Zivilgesellschaft ist ein gutes Mittel, um hier wenigstens im Ansatz etwas weiterzukommen. Allein auf die Stärkung der Grenzpolizei zu setzen, wird nicht erfolgreich sein beim Kampf gegen Schlepper und bei der Unterstützung von Flüchtlingen.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6999443 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 186 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |