08.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 187 / Einzelplan 11

Ewald SchurerSPD - Arbeit und Soziales

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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden bei solchen Debatten über Sozialstaatlichkeit über unsere Gesellschaft lernen müssen – nicht nur vor dem Hintergrund des Wahlergebnisses vom letzten Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern –, dass wir den Menschen die sozialen Prozesse in der Gesellschaft näherbringen, auch in Sprache und Verständlichkeit, um diesen provokativen und strategisch gezielten giftigen Pfeilen eines Rechtspopulismus mit Fakten zu entgegnen. Das ist eine ganz wichtige Sache. Hier bin ich ganz bei Frau Ministerin, die das am Anfang intoniert hat.

Wir haben zurzeit eine enorm starke volkswirtschaftliche Leistung. Das kann man mit den Höchstständen am Arbeitsmarkt hinsichtlich der Beschäftigung im sozialversicherungspflichtigen Bereich belegen. Das kann man mit den historisch niedrigen – leider doch vorhandenen, gerade was die Langzeitarbeitslosigkeit angeht; das ist richtigerweise gesagt worden –, guten Werten am Arbeitsmarkt begründen. Da gibt es eine ganz wichtige Dualität. Auf der einen Seite ist die Wirtschaft in einer sehr guten Verfassung, mit hoher Wertschöpfung. Nur deswegen sind wir in der Lage, in der Sozialpolitik – hier verstehe ich die Kritiken; aber es ist einfach so, liebe Kollegin Deligöz – den Haushalt 2017 um immerhin 8,7 Milliarden Euro zu steigern. Das ist eine enorme Leistung. Das muss man nicht nur aussprechen können, sondern man muss auch sehen, wohin das Geld geht.

Deswegen sage ich: Es gibt verschiedene Begriffe, was Investitionen sind. Für mich ist dieser Haushalt eine Investition ganz und gar für die Menschen in zwei ganz großen Blöcken: auf der einen Seite am Arbeitsmarkt, um die richtigen Impulse zu setzen, auf der anderen Seite bei der Alterssicherung, über die wir uns im Herbst noch einmal ganz intensiv unterhalten müssen. Man muss – bei aller Kritik – die Botschaft setzen können, dass diese Bundesregierung im sozialpolitischen Bereich Enormes leistet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind Strukturdaten, die ich genannt habe; der Arbeitsmarkt hat sich nochmals verbessert. Die Welt, die sozialpolitischen Prozessen ja nicht immer automatisch sehr positiv gegenübersteht, titelt heute, am 8. September 2016: „Deutschland hat aus Misserfolgen bei der Integration gelernt“. Sie zitiert einen OECD-Bericht, der dezidiert sagt, dass sich die Voraussetzungen für eine gelungene Integration heute besser darstellen als vor einem Jahr. Es ist zwar so, dass grundsätzlich Flüchtlinge, Menschen, die zu uns gekommen sind, größere Schwierigkeiten haben, am Arbeitsmarkt zu punkten, aber es sind viele Maßnahmen geschaffen worden, vom Integrationsgesetz bis zu den 100 000 Arbeitsgelegenheiten, die mit 300 Millionen Euro in diesem Haushalt unter aktiver Arbeitsmarktpolitik finanziert werden. Wir haben daher selbst von der OECD in einem ersten Jahr ganz besonderer Belastungen ein gutes Zwischenzeugnis bekommen: Von der Bundesregierung werden die richtigen Maßnahmen aufgelegt.

(Beifall bei der SPD)

Keine Frage: Die aktiven Arbeitsmarktleistungen steigen in diesem Haushalt immerhin auf 9,18 Milliarden Euro; die passiven – darüber hat der Kollege Schiewerling bereits gesprochen; das sind die Rechtsansprüche – liegen insgesamt bei 28,5 Milliarden Euro. Wir erleben einen guten Arbeitsmarkt und setzen bei den Maßnahmen an den richtigen Stellen an.

Die BA, die Bundesagentur für Arbeit, sagt: Es ist bei der Integration von Menschen ganz klar, wir brauchen vermehrte Sprachförderung, Qualifikationsmaßnahmen auf allen Leistungsebenen – dazu gehören auch diese 100 000 Arbeitsgelegenheiten für noch nicht anerkannte Flüchtlinge –, und wir brauchen natürlich auch eine fachlich gute Beratung für Ausbildung und Arbeitsvermittlung.

Mein Fazit an dieser Stelle ist: Dieser Haushalt – das ist eine wichtige Botschaft nach draußen – tut allgemein viel am Arbeitsmarkt. Er spielt nicht die Menschen, die bisher Hilfe gebraucht haben, gegen die neu ankommenden Menschen in der Integration aus, sondern er ergänzt mit ganz spezifischen Maßnahmen für jene, die es am schwersten haben – für die Migranten –, die bisherige sehr gute Arbeitsmarktpolitik. Wir spielen niemanden gegeneinander aus, sondern wir versuchen, additiv für die Menschen etwas zu tun, die es bisher in unserer Gesellschaft schwer hatten, und wir tun etwas Spezielles für die Menschen auf dem Gebiet der Migration. Das halte ich für eine wichtige Botschaft, die man auch draußen nicht laut genug sagen kann, um dem unsäglichen Rechtspopulismus und anderen Brunnenvergiftern etwas zu entgegnen.

Meine Damen und Herren, das Kapitel Rente ist hier ebenfalls bereits sehr intensiv angesprochen worden. Auch dafür gilt: Man muss erklären können, worum es geht. Es geht um 21 Millionen Menschen, die im Augenblick in Deutschland Rente beziehen. Es geht beispielsweise darum, zu wissen – nach einer Studie, die im November 2015 in einer Drucksache veröffentlicht wurde –: Die Basis ist die gesetzliche Rentenversicherung. Sie wird zu 75 Prozent aus Beiträgen und zu 25 Prozent aus Bundeszuschüssen gespeist. Es gibt dabei sicherlich eine steigende Tendenz im Vollzug der von uns beschlossenen Gesetze. Die Ausgaben der Rentenkassen sind zu 90 Prozent originär die Renten selbst, 6,5 Prozent gibt die gesetzliche Rentenversicherung in Zuschüsse für die Krankenversicherung der Rentner, und 2,2 Prozent sind für die Erhaltung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit da. Dies alles sind Dinge, die man draußen gut erklären muss.

Dass wir insgesamt beim größten Block des Haushaltes mit 98,4 Milliarden Euro im Jahr 2017  5 Milliarden Euro mehr ausgeben werden, ist eine wichtige Information. Davon entfallen auf die allgemeine Rentenversicherung 67,8 Milliarden Euro, auf die knappschaftliche Rentenversicherung 5,5 Milliarden Euro und auf die Grundsicherung im Alter und die Erwerbsminderung 7,2 Milliarden Euro. Für die Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten sind es immerhin 13,2 Milliarden Euro, und die Zuschüsse auf Rentenversicherungsbeiträge für die Behindertenwerkstätten betragen 1,3 Milliarden Euro. Das sind enorme Ausgaben, die den größten Teil dieses Bundeshaushaltes ausmachen.

Es ist schon wichtig – was auch von der Linken angesprochen worden ist –, zu wissen: Wie sind die Alters­einkünfte der Menschen zusammengesetzt? Dabei gibt es einen in der Tat signifikanten Unterschied. Während die Menschen in Deutschland insgesamt durchschnittlich 64 Prozent ihres Alterseinkommens aus der gesetzlichen Rentenversicherung und 21 Prozent aus anderen Alterssicherungsleistungen beziehen, ist es in Ostdeutschland, in den neuen Ländern, in der Tat so, dass die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung 91 Prozent des Alters­einkommens ausmachen. Das muss man bei den Überlegungen zur Rente in Ost und West berücksichtigen; das gehört dazu.

Wir werden im Herbst ein Alterssicherungskonzept vorlegen und über die künftigen Aufgaben der Rentenversicherung reden. Ich sehe es schon so: Es spricht etwas dafür, ganz gezielt Altersarmut zu bekämpfen. Gute ökonomische Leistungsdaten sind das eine; aber eine gezielte Bekämpfung der Altersarmut auch im Rahmen der Rentenversicherung ist für mich ein ganz großes Thema. Ich blicke der Diskussion darüber mit großem Interesse entgegen.

Ein letzter Punkt. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der mich immer wieder überrascht – nicht gerade bei seinen Aussagen zu Migration und Flüchtlingen –, hat im April dieses Jahres gefordert, im Rahmen einer umfassenden Rentenreform ganz gezielt Altersarmut zu bekämpfen. Da warte ich mal ab, was von der CSU aus München kommt, um diese wichtige Diskussion für die Zukunft zu befruchten.

In diesem Sinne herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Klaus Ernst von der Fraktion Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6999884
Wahlperiode 18
Sitzung 187
Tagesordnungspunkt Arbeit und Soziales
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