Mark HelfrichCDU/CSU - Arbeit und Soziales
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will hoffen, dass das nicht der einzige Applaus in meiner Rede bleibt.
(Heiterkeit)
Trotzdem hat er gutgetan. Herzlichen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
An gute Nachrichten im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik haben wir uns längst gewöhnt. Deutschland geht es gut. Die Arbeitslosigkeit befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit 1991. Die Zahl der Erwerbstätigen ist auf Rekordniveau gestiegen. Dank der hohen Erwerbsquote fließt über die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber viel frisches Geld in unsere Sozialversicherungssysteme.
An diese guten Nachrichten haben wir uns so sehr gewöhnt, dass wir mitunter vergessen, was die Ursachen sind: eine zukunftsorientierte, vorausschauende Wirtschafts- und Finanzpolitik, eine Politik, die auf Wachstum und auf sparsames Haushalten und weniger auf Umverteilung ausgerichtet ist. Die unter Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 eingeleiteten Reformen sind ebenso eine Ursache für unsere gute Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
auch wenn so manch einer selbst nach zehn Jahren damit noch nicht seinen Frieden gemacht hat.
Wir haben uns so sehr an die guten Nachrichten gewöhnt, dass wir manchmal die Augen davor verschließen, welchen gewaltigen politischen Herausforderungen wir gegenüberstehen. Sie werden irgendwann einmal mit schlechteren Nachrichten einhergehen.
Im vergangenen Herbst – wir alle erinnern uns an diese Zeit – kamen täglich bis zu 10 000 Flüchtlinge in Deutschland an. Damals haben Wirtschaftsgrößen als positiven Nebeneffekt der Flüchtlingskrise vorschnell den Zuzug Hunderttausender Fachkräfte gesehen und vom neuen deutschen Wirtschaftswunder geträumt. Gut ein Dreivierteljahr später haben die 30 größten deutschen Unternehmen gerade einmal 54 Flüchtlinge eingestellt.
Lediglich 30 000 Flüchtlinge haben nach Auskunft der BA seit dem Frühjahr des vergangenen Jahres einen Job gefunden, vorwiegend im Helferbereich. Das hat seinen Grund. Inzwischen wissen wir, dass 75 Prozent der Geflüchteten keine formale Berufsausbildung vorweisen können und ein Viertel keinen Schulabschluss hat. Es ist also wahrlich nicht überraschend, dass die Zahl der arbeitslosen Flüchtlinge derzeit kontinuierlich steigt. Das niedrige Bildungsniveau, kaum vorhandene Deutschkenntnisse und unrealistische Vorstellungen vom deutschen Arbeitsmarkt werden für viele Migranten zu einem Hindernis für die Integration in den Arbeitsmarkt und damit auch für die Integration in unsere Gesellschaft.
Auch die aus Sicht der Zuwanderer auskömmlichen Transferleistungen sind eine Integrationsbremse. Darauf weisen Migrationsforscher immer wieder hin. Die Arbeitslosenquote wird deshalb im nächsten Jahr zum ersten Mal seit 2013 wieder steigen. In den nächsten dreieinhalb Jahren wird sich nach Berechnungen der Bundesregierung die Zahl der Erwerbslosen um eine halbe Million Flüchtlinge erhöhen. Das ist ein Anstieg, der sich in Zeiten positiver Konjunkturentwicklung noch verhältnismäßig gut bewältigen lässt. Gerät unsere Wirtschaft aber ins Stocken, wird es ungleich schwerer, hier Erfolge zu erzielen.
Deshalb müssen wir die Mammutaufgabe der Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zügig angehen. Fakt ist: Dies wird nur nach dem Prinzip des Förderns und Forderns gelingen. Mit dem Integrationsgesetz sind die notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Es sieht verpflichtende Sprach- und Integrationskurse vor und belegt diejenigen mit Sanktionen, die sich verweigern.
Mit dem neu aufgelegten Programm zur Schaffung von 100 000 Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge, zu Unrecht als 80-Cent-Jobs diffamiert, können Asylbewerber während der Zeit des Wartens eine sinnvolle Beschäftigung ausüben. Im besten Fall ist diese Beschäftigung auch für die weitere Qualifizierung in Deutschland nützlich.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Dafür setzen wir richtig Geld ein: in den kommenden drei Jahren rund 1 Milliarde Euro, und im nächsten Jahr sind dafür 300 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt.
Die Sprachförderung bleibt das A und O für eine aussichtsreiche Integration. Deshalb haben wir die berufsbezogene Sprachförderung als Regelinstrument im SGB II dauerhaft etabliert. Dieses dient der Vorbereitung der Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt. Ab dem nächsten Jahr wird es jährlich 200 000 Plätze für die berufsbezogene Sprachförderung geben.
Sehr verehrte Damen und Herren, um es mit den Worten des BA-Vorstandsmitglieds Raimund Becker zu sagen: Es gibt weder Grund für Pessimismus, noch gibt es Anlass zu übertriebenen Hoffnungen. Aber mit Realismus lässt sich sagen, dass aus dem Flüchtling von heute nicht die Fachkraft von morgen, aber mit Glück die von übermorgen wird.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Jetzt könnte Ihre Fraktion mal klatschen! Sie klatscht aber nicht!)
Klar ist: Wenn es uns nicht gelingt, die Flüchtlinge in Lohn und Brot zu bringen, dann ist das Sprengstoff für unsere sozialen Sicherungssysteme und für unsere Gesellschaft.
Die Flüchtlingsdiskussion darf nicht davon ablenken, dass schon länger Probleme mit Langzeitarbeitslosen aus anderen Herkunftsländern bestehen. Immer noch gibt es mehr Hartz-IV-Empfänger mit einem türkischen als mit einem syrischen Pass. Immer noch gibt es mehr Bulgaren und Rumänen, die von Hartz IV leben müssen, als Flüchtlinge aus Eritrea.
Gut jeder vierte Hartz-IV-Bezieher hat einen ausländischen Pass. Sie müssen genauso in die Pflicht genommen und gefördert werden wie die deutschen Arbeitslosen auch.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir den Ausschluss von Ansprüchen auf Hartz-IV-Leistungen für EU-Ausländer zügig gesetzlich festlegen. Das BMAS hat dazu einen sehr guten Gesetzentwurf vorgelegt, und es ist dringend geboten, dass wir diesen Gesetzentwurf verabschieden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])
Wenn wir diese Klarstellung versäumen, tragen wir dazu bei, dass die Akzeptanz für Zuwanderung – von EU-Bürgern wie im Übrigen auch von schutzsuchenden Flüchtlingen – in unserem Land leidet.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Grundrecht! Grundrecht auf Existenzsicherung! Das müssen Sie beachten!)
Was haben Finnland, Dänemark, die Niederlande, Großbritannien, Irland, Portugal, Italien, Griechenland, Zypern und die Tschechische Republik gemeinsam?
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da dürfen Behinderte wählen!)
– Falsch. – Sie alle haben Rentenreformen beschlossen, die das gesetzliche Renteneintrittsalter über das 67. Lebensjahr hinausschieben. Wirklich eine bekloppte Idee, Herr Gabriel? Nein, natürlich nicht.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch!)
Wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass sich auch in Deutschland das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Beschäftigten und Rentnern zukünftig ungünstig entwickeln wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Immer mehr Ruheständler stehen immer weniger Beitragszahlern gegenüber. Die Menschen leben länger, und sie werden dementsprechend auch länger Rente beziehen. Bereits jetzt ist klar, dass die Ausgaben des Bundes für die Renten in den nächsten Jahren zu einem Problem werden.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Produktivität und Wirtschaftswachstum!)
Bis zum Jahr 2020 steigt der Zuschussbedarf auf annähernd 100 Milliarden Euro jährlich.
Vor diesem Hintergrund gibt es drei Möglichkeiten: ein weiterhin sinkendes Rentenniveau, stetig steigende Beiträge oder eine höhere, an die Lebenserwartung gekoppelte Lebensarbeitszeit. Wichtig ist doch, dass die Rente für die Beitragszahler bezahlbar bleibt. Ein an die Lebenserwartung gekoppeltes Renteneintrittsalter kann dabei helfen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Malochen bis zum Tod!)
Wenn die Bundesbank jetzt Langzeitberechnungen bis 2060 anstellt und eine Rente mit 69 fordert, dann ist das nach meinem Verständnis keine Panikmache. Vielmehr ist das eine seriöse Vorbereitung auf die sozialpolitischen Herausforderungen der Zukunft. Die demografische Entwicklung kann man nicht wegreformieren. Sie ist planbar. Sie zu ignorieren, wäre fahrlässig.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Tut auch niemand!)
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam die Herausforderung angehen. Lassen Sie uns dabei neue Wege beschreiten. Die vor uns liegenden Aufgaben – das ist klar – fordern uns. Sie dürfen uns nicht überfordern.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Waltraud Wolff von der SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6999915 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 187 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |