09.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 188 / Einzelplan 16

Marie-Luise DöttCDU/CSU - Umwelt Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik steht Deutschland weiterhin vor zwei großen Herausforderungen. Die erste Herausforderung: 350 000 neue Wohnungen sind weiterhin pro Jahr zu bauen. Wir haben einen großen Nachholbedarf beim Wohnraum für alle, nicht nur für Flüchtlinge, nicht nur beim sozialen Wohnungsbau, sondern mehrheitlich für Bürger, die schon immer in Deutschland leben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Normalverdiener, zum Beispiel der Facharbeiter, die Lehrerin oder der kaufmännische Angestellte, haben in bestimmten Regionen Schwierigkeiten, für sich und ihre Familie Wohnraum zu finden. Fast unmöglich wird es, wenn Mehrkindfamilien neuen Wohnraum suchen. Das Ziel, der Bau von 350 000 Wohnungen, wurde in keinem der zurückliegenden Jahre erreicht.

Die zweite Herausforderung: Die Integration von über 1 Million Flüchtlingen stellt die Kommunen auch vor große investive Aufgaben in der Infrastruktur und in der Stadtentwicklung. Viele anerkannte Flüchtlinge werden aller Voraussicht nach noch über Jahre in Deutschland bleiben; ihr Leben wäre in ihrer Heimat durch Bürgerkrieg und Terror bedroht. Daher ist es richtig, das Notwendige mit den Chancen für eine solide Stadtentwicklung zu verknüpfen. Bund, Länder und Kommunen stehen vor der Aufgabe, diese beiden Herausforderungen zu bewältigen.

Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf gibt die Bundesregierung darauf eine finanzielle Antwort. Sowohl die Mittel für den Wohnungsbau als auch die Mittel für die Städtebauförderung sollen deutlich erhöht werden. Davon können viele Menschen in Deutschland profitieren, wenn das Geld zügig, vollständig und an der richtigen Stelle verwendet wird. Darüber gilt es in den Haushaltsberatungen noch einmal genau nachzudenken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Sie und wir haben vernommen, dass 500 Millionen Euro nun den Ländern als zusätzliche Mittel für die soziale Wohnraumförderung zur Verfügung gestellt werden sollen. Dafür soll die steuerliche Förderung des Mietwohnungsbaus für Normalverdiener nicht weiterverfolgt werden. Damit wurde einer der effektivsten Bausteine, aus denen das Wohnungsbaubündnis der Bundesbauministerin besteht, entfernt. Frau Hendricks, wie wollen Sie nun das Kernstück Ihrer Arbeit als Bundesbauministerin retten? Sie wissen, dass das Bündnis ohnehin lückenhaft ist. Die Eigenheimförderung und die Sicherung ausreichenden Baulands sind die wesentlichen Fehlstellen des Bündnisses,

(Ute Vogt [SPD]: Frechheit!)

und nun bleibt die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus als einzige nennenswerte investive Idee übrig. Das reicht nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch wir wollen einen wirkungsvollen sozialen Wohnungsbau, um das Wohnungsangebot zu stärken. Aber er allein löst nicht alle Probleme, schon gar nicht die Probleme von Menschen in Lohn und Brot, also der Normalverdiener, die dringend eine Wohnung suchen und keinen Anspruch auf Sozialwohnungen haben. Es gibt nämlich auch Menschen, die keinen Anspruch auf Sozialwohnungen haben. Frau Hendricks, Sie als Bauministerin müssen nun dringend aufzeigen, wie Sie verhindern wollen, dass Ihr Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen zu einer Ruine wird, und wie es ein Erfolg werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sören Bartol [SPD]: Vor allem, wenn man es nicht kaputtredet!)

Daher fordere ich Sie auf, noch einmal über das Thema Baulandgewinnung und die Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums nachzudenken.

Die Wohnungsbauprämie wurde seit Jahren nicht an die Einkommens- und Preisentwicklung angepasst. Nun ist auch noch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Kraft getreten. Damit haben sich die Finanzierungsmöglichkeiten für viele junge Hausbauer und ältere Hausbesitzer verschlechtert. Hier hat der Bundesjustizminister, mit Akzeptanz der Bundesbauministerin, in die falsche Richtung gearbeitet. So wird Bauen verhindert, und so werden die Ziele des Bündnisses für Wohnen torpediert.

(Beifall des Abg. Artur Auernhammer [CDU/CSU])

Wir erwarten eine zügige entsprechende Anpassung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Herr Kelber, vielleicht nehmen Sie das mit in Ihr Haus.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ute Vogt [SPD]: Sie wissen schon, dass Sie auch mitregieren? – Caren Lay [DIE LINKE]: Die CDU wird Oppositionsführer in der Baupolitik!)

Wir wollen, dass junge Menschen einen Anreiz haben, frühzeitig ausreichend Eigenkapital für den Bau des eigenen Heims oder den Erwerb der Eigentumswohnung anzusparen. Genau deshalb brauchen wir eine deutlich attraktivere Wohnungsbauprämie. Viele Menschen haben den Traum vom eigenen Haus. Wir möchten ihnen die Chance geben, den Traum zu realisieren.

Selbstgenutztes Wohneigentum ist ein wichtiger Baustein für eine gedeihliche Zukunft, für ein selbstbestimmtes Leben, und wenn es über Generationen weitergegeben wird, dann ist es oft auch das Zentrum für familiären Zusammenhalt. Damit hat das eigene Heim eine wichtige gesellschaftspolitische Funktion. Die soziale Funktion steht eigentlich an erster Stelle.

Haben Sie schon einmal genau hingesehen, mit wie viel Liebe und Ideenreichtum neue Einfamilienhaussiedlungen gebaut werden oder wie attraktiv anspruchsvoller Geschosswohnungsbau mit Eigentumswohnungen ist? Selbstgenutztes Wohneigentum ist ein großer Beitrag zur sozialen Stärkung ganzer Stadtteile.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eingebettet in eine moderne Bauleitplanung können damit gute Anstöße für die Stabilisierung und Modernisierung des Zusammenlebens in der Stadt gegeben werden. Aber dazu benötigen wir eben auch ausreichend Bauland.

2010 wurde der Wohnungsbaubedarf noch auf circa 185 000 Wohnungen pro Jahr für die Zeit von 2015 bis 2020 prognostiziert. Es war damals richtig, den Versuch zu unternehmen, den Bedarf vor allem durch eine Stärkung der Innenentwicklung zu decken. Heute stellen wir natürlich fest: Ohne eine zusätzliche Inanspruchnahme neuer Siedlungsflächen wird der prognostizierte Bedarf von 350 000 neuen Wohnungen im Jahr nicht zu erreichen sein. Verdichtung ist gut, ganz bestimmt, aber zu viel Verdichtung führt zu Widerständen. Betroffene Menschen wehren sich, wenn die bauliche Verdichtung das Maß des Erträglichen überschreitet.

(Ulli Nissen [SPD]: Wo sollen die Einfamilienhäuser hin?)

Daher erwarten wir Vorschläge der Bundesregierung, wie noch schneller Bauland auch am Ortsrand zur Verfügung gestellt werden kann.

(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ortsrand? Auf der grünen Wiese?)

Ein paar Worte zur Zukunft des sozialen Wohnungsbaus ab 2020. Die Länder wollten hier die Verantwortung haben, und sie haben sie erhalten. Dafür stellt ihnen der Bund einige Milliarden Euro zur Verfügung. Wir sehen, dass die Länder mit dieser Verantwortung sehr unterschiedlich umgegangen sind. Ich verstehe den Diskussionsbeitrag der Bundesbauministerin zur Rückholung des sozialen Wohnungsbaus in die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern jedoch noch nicht.

(Ute Vogt [SPD]: Das erklärt manches!)

Frau Ministerin, ich befürchte, dass Sie dieses Problem riskant angehen. Wo bleibt zunächst die tägliche Mahnung an die Länder?

(Sören Bartol [SPD]: Den Leuten ist doch egal, wer zuständig ist!)

Denn sie haben zugesagt, dass sie das Geld des Bundes zügig und vollständig einsetzen. Für mich drehen sich hier immer noch zu wenige Kräne.

(Michael Groß [SPD]: In NRW drehen sich massiv Kräne!)

Wir werden uns gern an der Debatte über die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus beteiligen. Legen Sie uns aber doch einmal Zahlen und Fakten zu Situation und Perspektive vor, und fordern Sie die Länder auf, das mit ehrlichen und vollständigen Angaben zu unterstützen. Es geht um einen verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern.

Frau Ministerin, wir brauchen auch Vorschläge, wie Sie die Strickfehler der sozialen Wohnraumförderung beseitigen wollen. Ich kann derzeit nicht die Einschätzung teilen, dass die Länder mit der Aufgabe ab 2020 überfordert wären.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann reden Sie mal mit den Ländern!)

Es könnte auch sein, dass es vor allem an der politischen Prioritätensetzung in einigen Ländern fehlt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem in einigen unionsgeführten Ländern!)

Rot-Rot in Berlin hat damals keine neuen Sozialwohnungen gebaut, Frau Lay. Erst mit der CDU ist der Wiedereinstieg in die soziale Wohnungsbauförderung in Berlin gelungen. Also, Frau Bundesministerin: Wir sollten gemeinsam und engagiert nach richtigen Antworten suchen. Das derzeitige Problem lösen wir nur mit Bauen, Bauen, Bauen.

(Ulli Nissen [SPD]: Das muss auch in die Höhe, nicht nur in die Fläche!)

Meine Damen und Herren, wir begrüßen, dass im Entwurf für den Haushalt 2017 der Klimaschutz erneut eine herausragende Rolle spielt. Sowohl national, aber gerade auch international haben wir einen Mittelaufwuchs zu verzeichnen. Das ist ein wichtiges Signal für die Umsetzung der Beschlüsse der Klimakonferenz von Paris und damit auch ein wichtiges Signal für die kommende Klimakonferenz im Herbst in Marrakesch.

Gerade auch mit Blick auf unsere Klimapolitik ist es mir wichtig, daran zu erinnern, dass Deutschland ein nationales Minderungsziel für 2020 zu erfüllen hat. Es ist mir auch wichtig, daran zu erinnern, dass wir im Dezember 2013 das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 beschlossen haben. Hier müssen wir liefern.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann macht mal!)

Ich erwähne das, weil gerade dieses konkrete und zeitlich nahe Ziel in den aktuellen Diskussionen über den Klimaschutzplan 2050 etwas in den Hintergrund geraten ist.

Meine Damen und Herren, man kann über Klimapolitik 2050 diskutieren, und es ist sicher auch interessant, ein integriertes Umweltprogramm zu entwickeln, aber es ist jetzt wichtiger, alle Kraft auf das Erreichen des Klimaziels 2020 zu konzentrieren. Wer international Klimaschutzvorreiter sein will, muss das mit dem Erreichen der Ziele 2020 zeigen, statt sich in einer Diskussion unter der Überschrift „Schneller, höher, weiter“ für 2050 zu verzetteln oder über den Plan zu diskutieren, alle Produkte künftig in „ökologisch gut“ und „ökologisch böse“ zu unterteilen und sie mit einem entsprechenden Stempel zu versehen.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja wirklich revolutionär!)

Jetzt geht es um Kärrnerarbeit, um das Klimaziel 2020 zu erreichen. Dabei unterstützen wir Sie, Frau Ministerin, gerne, auch im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen.

(Sören Bartol [SPD]: Wenigstens an einer Stelle!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Christian Kühn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7000321
Wahlperiode 18
Sitzung 188
Tagesordnungspunkt Umwelt Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
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