09.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 188 / Einzelplan 16

Christian HaaseCDU/CSU - Umwelt Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lenkert, es ist ja interessant, wie Sie Naled zum neuen Chlorhühnchen machen wollen. Aber keine Angst: Weder von CETA noch von TTIP bekommt man in Deutschland Pickel. Also, an dieser Stelle vielleicht etwas ruhiger und etwas sachlicher.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich beginne direkt mit einer guten Nachricht, weil sie heute noch gar nicht gesagt worden ist: Der ausgeglichene Haushalt wird zur Normalität in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dass wir nun eine komplette Wahlperiode und darüber hinaus ohne neue Schulden auskommen, ist ein wichtiges Zeichen für die Zukunft. Klar ist aber auch, dass wir diese schwarze Null immer wieder aufs Neue gegen die Unverbesserlichen verteidigen müssen, die auf Kosten der jungen Generation neue Schulden aufnehmen wollen.

Dabei haben wir wichtige Ziele noch gar nicht erreicht. Die Bundesrepublik Deutschland hat immer noch einen Schuldenberg. Die Schuldenstandsquote liegt immer noch 8 Prozentpunkte über der im Maastricht-Vertrag vorgegebenen Quote. Das heißt, es gibt noch genug Aufgaben, bevor wir neue Schulden aufnehmen.

Im Haushalt des Bundesumweltministeriums möchte ich zunächst auf den geplanten Stellenzuwachs eingehen: 92 neue Stellen. Ich bin froh, dass das Entfristungskonzept, das wir vereinbart haben, endlich umgesetzt wird.

Der hohe Bedarf an neuen Stellen ist aber auch eine Folge der Verschiebung des Baubereiches aus dem Verkehrs- zum Umweltministerium. Erst 2017 und damit im letzten Jahr der Wahlperiode hat das BMUB genug Personal, um die neuen Aufgaben zu bewältigen und alle Synergieeffekte zu nutzen.

Inhaltlich will ich gar nichts gegen die Ressortverschiebung sagen. Sicherlich gibt es dabei gute Verschränkungen, etwa beim energieeffizienten Bauen und bei der nachhaltigen Stadtentwicklung. Aber das war vorher zwischen den Bereichen Verkehr und Stadtentwicklung nicht anders.

Ich möchte nur die Gelegenheit nutzen, an etwas mehr Kontinuität zu appellieren. Die Bürgerinnen und Bürger verlassen sich darauf, dass der Staat seine Ressourcen verantwortungsvoll einsetzt. Daher hoffe ich darauf, dass es in der neuen Wahlperiode nicht zu so gravierenden Ressortverschiebungen kommt, nur weil ein Vizekanzler Sonderwünsche hat. Mehr Zuständigkeiten alleine machen noch keinen erfolgreichen Minister aus.

(Ute Vogt [SPD]: Ihr seid ein bisschen übermütig heute!)

Noch eine Anmerkung zum Stichwort „Kontinuität“. Regelmäßig müssen die Mitarbeiter der Bundesministerien in Bonn hören, wie hochrangige Politiker den Standort infrage stellen. Konkrete Pläne gibt es allerdings nicht. Die Staatsdiener am Standort Bonn sind dennoch stark verunsichert. Gerade von unserer rheinischen Ministerin und Berlin/Bonn-Beauftragten wundern mich diese Töne. Noch in diesem Jahr soll es also eine ergebnisoffene Bestandsaufnahme geben. Ich bin gespannt, Frau Hendricks, was Sie uns dann präsentieren werden.

Im Programmhaushalt steht in diesem Jahr die Baupolitik zu Recht im Vordergrund. Bevor ich auf die einzelnen Förderprogramme zu sprechen komme, möchte ich noch ein paar lobende Worte zu der Initiative „Reform Bundesbau“ sagen, die Frau Hendricks in diesem Jahr angestoßen hat. Öffentliche Großprojekte sind in Verruf gekommen. Der letzte Neuzugang ist die Kölner Oper. Davor stritten bereits Stuttgart 21, die Hamburger Elbphilharmonie und der Flughafen Berlin-Brandenburg um die Spitzenplätze bei Bauverzögerung und Kostenexplosion.

Auch wenn in diesen prominenten Fällen der Bund gar nicht der Bauherr ist, ist es natürlich sehr löblich, dass das BMUB bei seinen Hochbauprojekten die Wirtschaftlichkeit erhöhen will. Das Berliner Stadtschloss zeigt, dass Großprojekte auch funktionieren können.

Meine Damen und Herren, im Gegensatz zum öffentlichen Hochbau ist die Städtebauförderung eine ausnahmslose Erfolgsgeschichte. Jeder Euro für eines der Städtebauprogramme ist gut investiertes Geld, auch wenn man es natürlich übertreiben kann. In den Eckwerten gab es ein Plus von 300 Millionen Euro: komplett – so sah es zunächst aus – für das Programm „Soziale Stadt“. Dabei ist das Programm „Soziale Stadt“ bereits seit der Erhöhung der Mittel vor drei Jahren von 40 Millionen Euro auf 150 Millionen Euro überfinanziert. Zuletzt mussten 2015  20 Millionen Euro an die anderen Städtebauprogramme weitergegeben werden.

Deshalb bin ich heilfroh, dass jetzt immerhin 50 Millionen Euro mehr an die Programme zum Stadtumbau gehen. Die aktuelle Evaluierung dieser Programme vom Mai dieses Jahres zeigt, dass das Geld dort gut aufgehoben ist.

Im Gegensatz dazu schwingt beim Programm „Soziale Stadt“ viel Ideologie mit. Ich hoffe sehr, dass die kurz vor dem Abschluss stehende Evaluation ohne ideologische Scheuklappen erfolgt ist. Auch die 40 Millionen Euro plus, die der Entwurf des Bundeshaushalts immer noch für das Programm „Soziale Stadt“ vorsieht, wären bei den anderen Städtebauprogrammen vielleicht besser aufgehoben. Ob für aktive Stadtzentren oder Denkmalschutz, ob für Stadtumbau oder kleinere Städte und Gemeinden: Diese Programme sind durchweg erfolgreich und könnten mehr Mittel gut gebrauchen. Oder – das wäre vielleicht die beste Idee – wir legen ein ganz neues Programm zum Thema „Grün in der Stadt“ auf. Hier liegt sicherlich die Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt!)

In meinem Wahlkreis habe ich fünf tolle Städtebauprojekte mit dem Ziel, die Attraktivität der Innenstädte von Brakel, Detmold, Höxter, Steinheim und Warburg zu erhöhen. Diese Programme ziehen erhebliche private Investitionen nach sich. So sieht gut eingesetztes Steuergeld in Deutschland aus, meine Damen und Herren.

Die restlichen 200 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln sind für das neue Städtebauprogramm „Soziale Integration im Quartier“ eingeplant. Ich unterstütze diese Entscheidung ausdrücklich. Man muss zwar jetzt viel Geld in die Hand nehmen, langfristig aber würden uns Versäumnisse deutlich teurer zu stehen kommen. Die Integration der zahllosen Flüchtlinge ist eine gigantische gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und der Bund leistet selbstverständlich seinen Beitrag.

Daher ist es auch akzeptabel, dass der Bundesanteil bei diesem Programm höher ausfallen soll als bei anderen Städtebauprogrammen. Aber natürlich – das dürfen wir in der ganzen Debatte im Bundestag nicht vergessen – haben sich auch die Steuereinnahmen bei den Ländern erhöht. Außerdem fällt die Hebelwirkung des Programms deutlich niedriger aus, wenn Land und Kommunen, wie bisher geplant, nur 85 Millionen Euro anstatt der ansonsten üblichen 400 Millionen Euro zusätzlich beisteuern. Andererseits wissen wir um die Notlage in einigen Städten Deutschlands. Hier muss eine kluge Abwägung her.

Der Fokus im Programm „Soziale Integration im Quartier“ muss aber eindeutig auf investiven städtebaulichen Maßnahmen liegen. Die Finanzierung von Personal sollte – anders als im Programm „Soziale Stadt“ – mit erheblichen Auflagen verbunden sein. Wir werden darauf achten, dass die Förderung nicht nur einzelnen Großstädten, sondern auch kleineren Gemeinden zugutekommt. Nicht zuletzt durch die Wohnsitzauflage, die von den Ländern leider nur schleppend umgesetzt wird, gibt es auch in ländlichen Regionen Förderbedarf beim Thema Integration. Die anerkannten Flüchtlinge werden – wie bekannt – den Wohnungsmangel weiter verschärfen, wenn wir jetzt nichts unternehmen. Das „Wir“ umfasst Bund und Länder. Aktiv wird aber nur der Bund. Zusätzlich zu den Kompensationsmitteln, die wir bereits auf 1 Milliarde Euro verdoppelt haben, stellt der Bund ab 2017  500 Millionen Euro für ein Wohnungsbauprogramm zur Vermeidung sozialer Brennpunkte zur Verfügung. Die Fördergebiete sollen sich auf Regionen beschränken, die nachweislich Bedarf haben. Das ist gut; denn durch eine Förderung darf nicht über Ost oder West, Nord oder Süd und erst recht nicht über Groß oder Klein entschieden werden.

Auch wenn der Bund jetzt aktiv wird, sollten die Länder ihrer Verantwortung ebenfalls gerecht werden. Das Jahr 2020 und damit das Ende der Kompensationszahlungen für die soziale Wohnraumförderung rücken unweigerlich näher. Momentan ist die Strategie der Länder: Totstellen und schauen, was der Bund macht. – Es ist kontraproduktiv, diese Strategie mit einer Forderung nach einer Grundgesetzänderung noch zu unterstützen. Wir müssen aber in jedem Fall die Vermengung von Verantwortlichkeiten vermeiden. Der Bund zahlt, hat aber keine Kontrolle, worin die Länder investieren oder ob sie ihre Investitionen in gleicher Höhe reduzieren.

Sinnvolle Förderprogramme erkennt man oft an der hohen Nachfrage. So ist das bei den KfW-Programmen zum Einbruchschutz und zum altersgerechten Umbau. Die CDU/CSU-Fraktion hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass wir die Zuschüsse für die Einbruchsicherung auf 50 Millionen Euro verfünffachen und hoffentlich über 2017 hinaus fortführen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Beim altersgerechten Umbau besteht allerdings schon jetzt akuter Handlungsbedarf. Da muss auf dem Weg vom Referat zur Ministerin irgendwo der Titel verloren gegangen sein. Es kann nicht sein, dass für ein höchst erfolgreiches Programm keine Mittel mehr für neue Anträge vorhanden sind. Notfalls müssen wir schauen, ob wir innerhalb des Ministeriums umschichten können. Ich freue mich, dass Herr Lemme in die gleiche Richtung denkt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Haushaltsberatungen eröffnen auch immer den Blick auf das große Ganze. Als Vertreter des ländlichen Raums erlauben Sie mir deshalb abschließend folgende Anmerkung: Die aktuelle Agrarmarktkrise setzt die gesamte Landwirtschaft massiv unter Druck. Das Konjunkturbarometer Agrar des Deutschen Bauernverbandes verdeutlicht dies eindrücklich. Die Stimmung in der Landwirtschaft nähert sich dem Rekordtief von 2009. Die Liquidität vieler Betriebe ist stark belastet. An Investitionen ist kaum noch zu denken. Doch gerade diese sind unverzichtbar, um zukunftsfähig zu sein. Die Sicherung einer nachhaltigen und zugleich bäuerlich-unternehmerischen deutschen Landwirtschaft liegt zunächst einmal in den Händen der Landwirte selbst und ihrer Marktpartner. Aber auch Politik und Gesellschaft sind gefordert. Politik steht in der Verantwortung – und das gilt parteiübergreifend –, die wirtschaftlichen Realitäten zu berücksichtigen und der Landwirtschaft als einen bedeutenden Wirtschaftszweig den Rücken zu stärken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen Investitionen ermöglichen und stärken, statt sie zu verhindern. Marktverdrängung ins Ausland hilft bei der Erreichung unserer Ziele nicht. Ich warne ausdrücklich davor, den Wahlkampf auf dem Rücken der Bäuerinnen und Bauern auszutragen. Arbeiten wir mit ihnen zusammen statt gegen sie.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Kollegin Bärbel Höhn hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7000327
Wahlperiode 18
Sitzung 188
Tagesordnungspunkt Umwelt Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
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