22.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 4

Kirsten LühmannSPD - Bundesverkehrswegeplan 2030

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Herr Präsident! Verehrte Anwesende! Der Spiegel hat den Bundesverkehrswegeplan kürzlich zum Hochamt der Verkehrspolitik erklärt. Das ist natürlich übertrieben, zumal die Erarbeitung und insbesondere die Verhandlungen eines solchen Planes nicht zwangsläufig in religiöser Atmosphäre stattfinden.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Daher gilt das, was in den Verhandlungen zum letzten Bundesverkehrswegeplan der damalige Redner der Grünen, der Kollege Albert Schmidt, so trefflich ausführte: Dieser Bundesverkehrswegeplan ist kein Evangelium, er ist ein Plan.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Der letzte Bundesverkehrswegeplan war unter der rot-grünen Bundesregierung zustande gekommen. Er hat erstmals ein stärkeres Augenmerk auf den Erhalt gelegt und auch ökologische Gesichtspunkte stärker berücksichtigt. Das war neu, und das war gut so.

(Beifall bei der SPD)

Er hat damit die Grundlage gelegt für den Bundesverkehrswegeplan 2030, und der ist noch besser geworden.

(Zurufe von der LINKEN)

Dass das so ist, das liegt unter anderem auch an der Arbeit, die im Bundesverkehrsministerium gemacht wurde. Insbesondere die Transparenz, die es vorher so noch nie gegeben hat, und auch die Abarbeitung der vielen Anmerkungen der Bürger und Bürgerinnen unseres Landes waren eine Herausforderung. Darum danke ich allen Beteiligten, die daran mitgearbeitet haben, herzlich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wichtig für diese Arbeit sind jedoch auch die politischen Vorgaben, die die Ausrichtung dieses Planes ausmachen. Sören Bartol hat es angesprochen: Die Ergebnisse des Infrastrukturkonsenses der SPD-Bundestagsfraktion sind in der Grundkonzeption in weiten Teilen umgesetzt worden; man merkt jetzt am Ergebnis, dass das eine sinnvolle Sache war. Einen dieser Grundsätze möchte ich herausgreifen: die klare Mittelaufteilung, die die umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße stärkt.

Vom Gesamtvolumen des neuen Bundesverkehrswegeplans werden über 50 Prozent in die Schiene und in die Wasserstraßen investiert, und wir werden darauf achten, liebe Kollegen und Kolleginnen, dass sich dieses Verhältnis im Rahmen der parlamentarischen Beratungen auch nicht ändern wird. Dass diese Entscheidung keine ist, die direkt mit der Verkehrsleistung dieser beiden Verkehrsträger zu rechtfertigen ist, das ist uns allen klar. Genauso klar ist aber auch, dass, wenn wir die Mobilität in Deutschland langfristig stärken und ökologisch ausrichten wollen, Schiene und Wasserstraße diese zusätzlichen Mittel dringend benötigen.

Wir bedauern die Tatsache, dass die vielen Schienenprojekte noch nicht alle auf ihre Wirtschaftlichkeit hin berechnet werden konnten. Wir drängen darauf, dass dies möglichst schnell passiert; denn nur dann kann man den verkehrspolitischen Wert dieses Bundesverkehrswegeplanes auch umfassend erkennen. Daher bitten wir darum, dass das möglichst schnell passiert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Abg. Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Denn unter anderem noch nicht bewertet und noch im potenziellen Bedarf befinden sich Maßnahmen zur Realisierung der umfassenden Befahrbarkeit des Schienennetzes für 750-Meter-Güterzüge, was im Übrigen der europäischen Standardlänge entspricht. Wir plädieren hier für eine schnelle Planung, damit auch kleinteilige und relativ preisgünstige Maßnahmen die Kapazitäten im Schienenverkehr nach vorne bringen können.

Frau Kollegin Lühmann, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ja.

Bitte schön.

Frau Kollegin Lühmann, vielen Dank, dass ich Ihnen diese Zwischenfrage stellen darf. Ich bin an der richtigen Stelle aufgerufen worden, nämlich als Sie gerade begonnen haben, über das 740-Meter-Netz zu sprechen.

Sie hatten vorhin schon gelobt, dass so viel Schiene im Bundesverkehrswegeplan enthalten sei.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Da fehlt noch die Gäubahn!)

Aber ich glaube, dass das im Widerspruch zu den Realitäten steht. Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, die sich auf den Schienengüterverkehr bezieht, der in Deutschland nur einen Anteil von 17 Prozent hat; in Österreich sind es 30 Prozent und in der Schweiz 40 Prozent. Die 740-Meter-Netze gibt es zum Beispiel in der Schweiz, sogar in Italien, nur bei uns in Deutschland gibt es Engpässe.

Meine Frage lautet: Wie erklären Sie sich, dass, obwohl die Deutsche Bahn bereits im Jahr 2013 beantragt hat, den Einsatz des 740-Meter-Netzes zu untersuchen und es in den Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen, das entsprechende Gutachten erst vor einigen Wochen seitens des Bundesverkehrsministeriums in Auftrag gegeben wurde, sprich: das Gutachten über das 740-Meter-Netz zu einem Zeitpunkt in Auftrag gegeben wurde, als der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans schon seit Monaten vorlag? Das ist doch eine ziemliche Diskrepanz. Das spricht nicht unbedingt dafür, dass die Bundesregierung das Thema Schienenwege und konkret das Thema „740-Meter-Netz/Verlagerung von Verkehr auf die Schiene“ ernst nimmt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Gastel, die Tatsache, dass die Bundesregierung zusammen mit den Koalitionsfraktionen die Mittel so verteilt hat, dass für den Bereich Schiene über 41 Prozent der Mittel zur Verfügung stehen, zeigt eindeutig, welche Prioritäten diese Bundesregierung setzt. Wann ein Gutachten von wem in Auftrag gegeben wurde, dürfen Sie nicht mich fragen, sondern das müssen Sie das Ministerium fragen; denn ich gehöre dem Parlament an, und das Ministerium ist Teil der Regierung. Diese Frage können Sie im Rahmen einer Kleinen Anfrage stellen. An der Antwort wäre auch ich interessiert; aber die wird dann ja öffentlich sein.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Norbert Brackmann [CDU/CSU])

Zu den Maßnahmen, die wir dringend untersuchen müssen, gehört auch die Beseitigung der Knotenproblematik. Die Knotenpunkte in mehreren großen Städten bedeuten insbesondere für den Schienengüterverkehr Engpässe. Dort konkurrieren Güterzüge mit Fernverkehrs- und Nahverkehrszügen. Diese Konkurrenzen wollen wir aufheben. Dafür gibt es einen eigenen Titel in diesem Bundesverkehrswegeplan. Ich spreche hier nur einen Knoten an, der noch nicht aufgenommen wurde, den Knoten Hannover. Ich denke, dass wir dazu zeitnah Antworten erhalten werden.

Kritisiert wurde von einigen, dass in diesen Bundesverkehrswegeplan keine Schienennahverkehrsmaßnahmen aufgenommen wurden. Das ist aber nicht nur bei diesem Plan so, sondern das war auch bei den Vorgängern so. Das liegt daran, dass wir uns einmal entschieden haben, dass der Schienenpersonennahverkehr in die Zuständigkeit der Länder übergeben wird. Dafür stellen wir den Ländern ausreichend Geld zur Verfügung. Gerade erst haben wir die Regionalisierungsmittel deutlich aufgestockt und die Zusage gegeben, dass die GVFG-Mittel, die der Gemeindeverkehrsfinanzierung dienen, verstetigt werden. Ich glaube, das war eine richtige und gute Maßnahme; denn die Länder wissen am besten, wo die Bedarfe im Bereich Schienenpersonennahverkehr sind. Das müssen wir nicht seitens des Bundes regeln; das sollen die Länder machen. Das ist gut so, und das behalten wir bei.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])

Dass wir unsere Schwerpunkte richtig gesetzt haben, zeigt auch eine Umfrage, die das Netzwerk Europäische Eisenbahnen mit dem Verband der Güterwagenhalter in Deutschland durchgeführt hat. Danach wollen neun von zehn Befragten, dass mehr Güter auf der Schiene transportiert werden und der Staat dafür mehr Geld ausgibt. Dass auch hier der Teufel im Detail steckt, habe ich in meinem Heimatland Niedersachsen erlebt: Im Dialogforum waren sich alle einig, dass mehr Güter auf die Schiene sollen und wir dafür mehr Kapazitäten benötigen. Jetzt gibt es aber viele, die von der gefundenen Lösung betroffen sind und dagegen protestieren. Die im Dialogforum von den Beteiligten gefundenen Ansätze, insbesondere zum Lärmschutz, helfen, Vertrauen zu gewinnen.

Unsere Arbeit wird mit der Verabschiedung dieses Bundesverkehrswegeplans nicht zu Ende sein. Wir beschließen Projekte, liebe Kollegen und Kolleginnen, keine Linienführungen. Um für diese Projekte Akzeptanz zu erlangen, müssen wir die Betroffenen in die weitere Planung früher und intensiver als bisher einbinden. Es muss möglich sein, dass wir gute Anregungen aufnehmen, auch wenn die Projekte dadurch etwas teurer werden, als wir ursprünglich beabsichtigt haben. Die Verkehrswende ist auch für Deutschland zwingend; aber sie wird nicht allein durch einen Beschluss hier im Bundestag verwirklicht. Sie muss ein Projekt der Menschen in diesem Land werden. Dazu werden wir alle hier Überzeugungsarbeit zu leisten haben und gemeinsam mit den Betroffenen an den besten Lösungen arbeiten müssen. Dieser vorliegende Bundesverkehrswegeplan ist ein Baustein dazu.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort erhält nun die Kollegin Valerie Wilms für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006241
Wahlperiode 18
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Bundesverkehrswegeplan 2030
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