22.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 4

Gustav HerzogSPD - Bundesverkehrswegeplan 2030

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Verkehrspolitiker stellt man sich immer die Frage – man bekommt sie auch gestellt –: Wie soll die Verkehrspolitik aussehen, welche Projekte sind die richtigen, und wie wollen wir sie realisieren?

(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist richtig!)

Wir brauchen die Akzeptanz der Bevölkerung, sowohl für die politische Entscheidung als auch für die Umsetzung. Wie erreichen wir diese Akzeptanz? Indem wir offenlegen, was wir wollen, und indem wir Transparenz praktizieren. Ich glaube, es hat bei einem solchen Projekt in der Verkehrspolitik noch nie so viel Öffentlichkeitsbeteiligung und Transparenz gegeben wie dieses Mal. Frau Kollegin Leidig, wenn Ihnen das Ergebnis nicht gefällt,

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Welches Ergebnis?)

dann bedeutet das nicht, dass das Vorgehen undemokratisch war. Vielmehr erfahren wir sehr viel Zustimmung zu dem Weg, den wir eingeschlagen haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Man darf bei aller kritischen Diskussion nicht darüber hinwegsehen, dass es in diesem Hause einen Konsens gibt. Deswegen will ich mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, aus einem Antrag der Grünen zitieren:

Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist eine wesentliche Voraussetzung für soziale Teilhabe und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Mit einem der feinmaschigsten Verkehrsnetze der Welt ist Deutschland gut aufgestellt.

(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das haben wir nämlich schon!)

Jetzt schaue ich zu Ihnen, Herr Hofreiter und Frau Wilms: Warum sind Sie bei Ihren Beiträgen nicht auf diesem Niveau geblieben?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Herr Hofreiter, Sie haben einen redaktionellen Fehler im Bundesverkehrswegeplan angesprochen. Sie hätten besser in die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Ihnen hineingeschaut. Sie haben hier behauptet, wir würden bei den Straßen „Erhalt vor Neubau“ gar nicht praktizieren. Ich habe mir einmal die Arbeit gemacht, die Antwort auf Ihre Anfrage in einer kleinen Grafik darzustellen.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch)

Das Blaue sind die Investitionen, das Rote ist der Erhalt bei den Straßen. Dieser Peak, das sind die Programme, die wir aufgelegt haben. Das heißt, schon seit Jahren sind wir dabei, mehr in den Erhalt als in den Neubau zu investieren. Schauen Sie erst einmal in Ihre Papiere, bevor Sie hier Unsinn erzählen!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie sich das Straßennetz in der Realität angeschaut?)

Frau Kollegin Wilms, ich war gestern bei den Baufreigaben. Vielen Dank, Herr Bundesminister – auch für die Ortsumgehung Imsweiler in meinem Wahlkreis. Das ist angemessen und richtig,

(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt die Nummer wieder!)

und ich stehe dazu. Wenn Sie die grüne Kreisvorsitzende fragen, dann erfahren Sie, dass sie das auch für richtig hält.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Frau Kollegin Wilms, Sie behaupten hier, der Großteil des Geldes sei nach Bayern gegangen. Sie müssen noch einmal nachschauen. Ich glaube, Sie haben „Bayer Leverkusen“ im Ohr.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Großteil des Geldes – über ein Drittel – ist nämlich für ein Brückenprojekt auf der A 1 bei Leverkusen, das dringend notwendig ist, zur Verfügung gestellt worden. Erzählen Sie hier also nicht Dinge, die einfach nicht stimmen!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Darf die Kollegin Wilms darauf mit einer Zwischenfrage reagieren?

Aber gerne doch.

Herr Kollege Herzog, Sie haben eben wirklich super dargestellt, worauf es Ihnen ankam, nämlich darauf, dass Sie sich dafür abfeiern lassen konnten,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

dass ein Projekt in Ihrem Wahlkreis in diesem Plan steht.

(Sören Bartol [SPD]: Immer noch nicht verstanden! – Christine Lambrecht [SPD]: Wie billig!)

Ich rate Ihnen dringend, einmal einen Blick in Artikel 38 des von uns so geliebten Grundgesetzes zu werfen.

(Christine Lambrecht [SPD]: Wie peinlich!)

Darin steht – ich zitiere –: „Sie sind Vertreter des ganzen Volkes ...“. – Sie sind also nicht nur Vertreter Ihres Wahlkreises,

(Ulli Nissen [SPD]: Trotzdem freuen wir uns über das Projekt!)

und es wäre deshalb sehr hilfreich, wenn Sie Ihre Äußerungen und Ihr ganzes Handeln auf eine Gesamtstruktur, die wir für den Verkehr brauchen, ausrichten würden.

Sie haben ja super zitiert, wie wir das haben wollen. Wir wollen nämlich einen Netzplan und nicht ein Sammelsurium an einzelnen Wünschen haben, die von den Wahlkreisabgeordneten, von den Ministerpräsidenten oder von Sonstigen geäußert werden.

(Sören Bartol [SPD]: Ich lese gleich die ganze Stellungnahme des Landes Baden-Württemberg vor!)

Wie wollen Sie das in diesen Plan eigentlich noch hineinbringen? Wie haben Sie das vor? Oder wollen Sie sich schlicht und ergreifend einfach nicht ans Grundgesetz halten?

Frau Kollegin Wilms, auch die Ortsgemeinde Imsweiler gehört zur Bundesrepublik Deutschland, und auch die Menschen dort haben einen Anspruch darauf, dass ihre Lebensverhältnisse gleichwertig sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Dort gibt es eine enge Ortsdurchfahrung über mehrere Kilometer, die täglich von über 10 000 Fahrzeugen – ein hoher Anteil davon ist Schwerlastverkehr – genutzt wird. Ein Bahnübergang dort hat zum Beispiel schon verhindert, dass Rettungswagen fahren konnten. Sie können den Menschen dort nicht ihren Anspruch darauf absprechen, eine vergleichbare Umwelt zu haben. Deswegen ist diese Ortsumfahrung gerechtfertigt, und sie ist auch zum Wohle der Allgemeinheit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Damit hier aber nicht der Eindruck entsteht, bei der Bundesverkehrspolitik ginge es nur um eine rein parteipolitische Auseinandersetzung mit den Grünen: Herr Minister Dobrindt, an eines darf ich doch noch erinnern, nämlich an den Bundesverkehrswegeplan 2003, den Sie angesprochen haben. Die damalige Opposition, die CDU/CSU, hat damals seitenweise Anträge gestellt, Straßenbauprojekte in den Vordringlichen Bedarf zu heben. Hätten wir als Rot-Grün das damals gemacht, dann sähe der Plan heute ganz anders aus. Seien wir hier also etwas zurückhaltender, und gehen wir einfach einmal davon aus, dass wir hier gemeinsam gute Arbeit machen werden!

Ich will noch ein paar Kritikpunkte aus der Öffentlichkeit aufgreifen, die geäußert worden sind, und insgesamt rate ich hier zu verbaler Abrüstung. Einige Umweltverbände sagen nämlich zum Beispiel, dieser Bundesverkehrswegeplan sei eine Katastrophe für Deutschland. Diese Beschreibung halte ich für maßlos.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Maßlos falsch!)

Wir investieren zum Beispiel mehr in die Schiene, als sie an Verkehrsleistung bringt. Beim Güterverkehr hat sie einen Anteil von 20 Prozent, beim Personenverkehr sind es nur 10 Prozent. Fast die Hälfte unserer Mittel geht aber in die Schiene. Das ist also eine klare Bevorteilung durch uns.

Auch beim Flächenverbrauch sind wir sehr moderat. Wer sich an den letzten Bundesverkehrswegeplan erinnert, der weiß: Dort war der Flächenverbrauch doppelt so hoch wie bei diesem neuen. Wir sind hier also auf einem guten Weg.

Lassen Sie mich noch eines zu den Alternativenprüfungen sagen: Es gab ja die Klage, die 50 Alternativen seien einfach so unter den Tisch gekehrt worden. Ich habe dort einmal hineingeschaut, und weil ich eine ganz besonders gut kenne, nämlich die B 10 in der Südpfalz, habe ich mir einmal angeguckt, wie die Alternative begründet wird:

Sie wollen Verkehrsbeeinflussungsanlagen, sie wollen Geschwindigkeitskontrollen, sie wollen Maut-Ausweichverkehre verhindern – das spielt aber keine Rolle mehr, wenn alle Bundesstraßen bemautet werden –, sie wollen die Bahn für den Nahverkehr ausbauen – das nützt bei 15 Prozent Schwerlastverkehr, der durch diese Region fährt, aber nichts –, und sie wollen eine weiträumige Umleitung, die entweder 45 Prozent oder 56 Prozent mehr Strecke bedeutet. Das ist doch keine umweltorientierte Alternative. Es kann doch nicht sein, dass man die Lkws durch die Gegend fahren lässt, um eine solche wichtige Infrastruktur einfach mal auf die Seite zu schieben. Da hat die Auftragsverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz richtig agiert, die Prüfung entsprechend vorgenommen und gesagt: Wir bleiben bei der vorgeschlagenen Trasse. – Das war ein kleines Beispiel.

Lassen Sie mich ein Letztes zum Klimaschutz noch sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist eine Infrastruktur, die für alle Verkehrsmittel zur Verfügung steht. Da wird es wichtig sein, dass wir bei der Begleitung dieses Bundesverkehrswegeplans darauf achten, dass in Binnenschiffen nicht mehr Diesel verbrannt wird, sondern EE-Strom zum Einsatz kommt. Ebenso verhält es sich bei den Fahrzeugen, die auf der Straße fahren. Wir müssen auch noch mehr für die Elektrifizierung machen. Und auch der Elektrobus, Frau Leidig, braucht eine Straße, eine Brücke, und ab und zu fährt er auch auf der Autobahn.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])

Ich freue mich auf die Ausschussberatung und hoffe, dass wir dort auf entsprechendem Niveau diskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sören Bartol [SPD]: Super Rede!)

Ulrich Lange für die CDU/CSU-Fraktion ist der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006247
Wahlperiode 18
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Bundesverkehrswegeplan 2030
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta