22.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 5 + ZP 2

Albert StegemannCDU/CSU - Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Wagenknecht, Sie haben jetzt schon einiges zu hören bekommen.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie auch!)

Ich will mich ein Stück weit bei Ihnen bedanken; denn Sie haben uns Einblick in Ihr Weltbild und Ihr Menschenbild gewährt. Wenn es nach Ihnen geht, muss alles gleich sein.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Rede doch zum Gesetz, Herr Kollege!)

Erst wenn wirklich jeder Arbeitslohn gleich ist, jeder Tarifvertrag gleich ist, dann sind Sie zufrieden. Aber nehmen Sie doch einfach einmal zur Kenntnis, dass Sie damit nicht 43,5 Millionen Menschen in Arbeit bringen. Wir und die Bundesregierung haben Verantwortung übernommen. Die Bundesregierung macht eine Arbeitsmarktpolitik, die möglichst viele Menschen in Arbeit bringt.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Es geht um Leiharbeit, Kollege!)

Darüber hinaus will ich Ihnen sagen: Ihre Andeutungen zu unseren Parteispendeneinnahmen sind wirklich unredlich.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wann habt ihr die denn gekriegt?)

Unsere Parteispenden kommen schließlich nicht aus dem SED-Vermögen. Von daher sollten Sie sich an der Stelle wirklich zurückhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN – Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Stegemann, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, ich werde erst einmal meine Rede vortragen; aber sie kann später gerne intervenieren.

Heute legen wir den Gesetzentwurf über Änderungen in der Arbeitnehmerüberlassung vor. Vor beinahe drei Jahren haben sich die Regierungsparteien in den Koalitionsverhandlungen auf die Eckpunkte geeinigt. Seitdem wurde intensiv um die Umsetzung gerungen. Die Öffentlichkeit hat dies stets mit reger Beteiligung begleitet. Um es ehrlich zu sagen: Allein die Zeit zeigt, das war keine einfache Geburt. Damals wie heute waren und sind die gesetzlichen Eingriffe nicht unumstritten. Ich möchte Ihnen aber sagen: Wir haben einen guten Kompromiss erreicht.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Für die Leiharbeitsbranche!)

Das Gesetz wird neue Leitplanken setzen und seinen Teil dazu beitragen, dass sich Zeitarbeit in positiver Weise weiterentwickeln kann.

Nach wie vor gibt es Bedenken gegenüber einem Instrument, das sich auf dem Arbeitsmarkt mittlerweile fest etabliert hat,

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Rede doch über das Gesetz!)

und das, obwohl die Branche in den vergangenen Jahren große Schritte unternommen hat, um aus der Schmuddelecke herauszukommen. Dazu beigetragen hat sicherlich auch die Politik der vorangegangenen Bundesregierung. Sie hat die schwarzen Schafe der Branche schon einmal in die Schranken gewiesen.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Da braucht man ein großes Gehege!)

Über kaum ein anderes Thema in der Arbeitsmarktpolitik wird so ideologisch aufgeladen diskutiert. Dabei will es so manchem Vertreter nicht gelingen, sein angestammtes Rollenbild hinter sich zu lassen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf beiden Seiten aber!)

Demnach ist Zeitarbeit per se prekär, der Verleih unmoralisch, und jede noch so kleine Differenz zur Normalbeschäftigung muss herhalten, um angeblich negative Folgen beweisen zu können. Diese reichen dann von gesundheitlichen Problemen über die Spaltung ganzer Belegschaften bis hin zur systematischen Ausbeutung der Arbeitnehmer. Auch Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linken, machen in Ihrem vorliegenden Antrag einmal wieder reichlich Gebrauch von dieser Argumentation.

Dass die vorhandenen Unterschiede mit den Eigenheiten der Branche zu tun haben – geschenkt. So wird ein Großteil der Leistungen vor allem im Helferbereich erbracht. Dies spiegelt sich logischerweise auch in der Bezahlung wider.

Dass sich die Zeitarbeit in den letzten Jahren nicht zu einem Massenphänomen entwickelt hat – ebenfalls geschenkt.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Von der Realität keine Ahnung!)

Zeitarbeit deckt trotz einer wachsenden Zahl an Beschäftigten weiterhin nur einen Randbereich des Arbeitsmarktes ab. Mehr noch: Der Anteil liegt aufgrund der allgemein steigenden Beschäftigung sogar bemerkenswert konstant bei unter 3 Prozent. Dass anerkannte Forschungsinstitute wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung so manche These wie die der systematischen Verdrängung der Stammbelegschaft widerlegt haben – auch dies geschenkt.

Es spielt dann anscheinend auch keine Rolle mehr, dass ein Großteil derjenigen, die in der Zeitarbeit beschäftigt sind, vorher arbeitslos war. Zeitarbeit bietet Perspektiven. Zeitarbeit ist nach wie vor eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Deshalb hat die Arbeitnehmerüberlassung ihren Platz am Arbeitsmarkt; denn sie bietet gleichermaßen Vorteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Diese Vorteile zu erhalten, waren Geist und zugleich Maßgabe des vorliegenden Entwurfes. Mit dieser Maßgabe haben wir konkrete Eckpunkte im Gesetz diskutiert.

Der erste Punkt, den es zu erörtern galt, war eine zeitliche Begrenzung der Zeitarbeit.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Genau!)

Laut Gesetz werden Arbeitnehmer vorübergehend überlassen. Festzulegen, was genau „vorübergehend“ bedeutet, war ein Auftrag, den das Bundesarbeitsgericht dem Gesetzgeber ursprünglich ins Aufgabenheft geschrieben hat. Dies kann mittlerweile weitaus offener formuliert werden. Verantwortlich hierfür sind Vorgaben auf europäischer Ebene.

Daher stellt sich die Frage: Wann nützt eine Höchst­überlassungsdauer eigentlich den Arbeitnehmern, und wann schadet sie diesen? Ist es zum Nutzen des gutbezahlten Projektingenieurs, wenn er nach 18 Monaten von seinem Projekt abgezogen werden muss? Nützt es dem Kundenunternehmen, wenn es nach 18 Monaten einen neuen Mitarbeiter einarbeiten muss? Nein. Trotz so mancher Wunschvorstellungen müssen wir feststellen, dass es Konstellationen auf dem Arbeitsmarkt gibt, bei denen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer eine flexible Beschäftigung anstreben.

Der Gesetzgeber kann dies nicht verordnen. Somit stehen wir in der Verpflichtung, einen Rahmen vorzugeben, der den Bedürfnissen dennoch gerecht wird. Im vorliegenden Entwurf ist dies unter reger Beteiligung der Sozialpartner sehr gut gelungen. Es gibt Möglichkeiten zur Abweichung, um die Anforderungen einer arbeitsteiligen Wirtschaft zu erfüllen. Etwas Verbesserungsbedarf sehe ich noch, zum Beispiel die Beteiligung aller Tarifpartner inklusive der Zeitarbeitsbranche. Aber hierüber werden wir in den weiteren Beratungen noch einmal sprechen.

Der zweite Punkt bezieht sich auf die Bezahlung, konkret auf Equal Pay. Hier möchte ich zuallererst auf den rechtlichen Status quo hinweisen. Demnach hat bereits heute jeder Zeitarbeiter Anspruch auf das Entgelt, das ein vergleichbarer Arbeitnehmer bekommt, und zwar ab dem ersten Tag.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Genau! So ist es!)

Dies wird auch weiterhin gelten. Mit tariflichen Vereinbarungen können Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam abweichen. Eine solche Regelung speist sich aus dem Vertrauen des Gesetzgebers, dass die Sozialpartner am ehesten für die Interessen ihrer Mitglieder eintreten können. Dies hat sich in der Praxis und über die Geschichte hinweg immer wieder bewahrheitet. In der Tat haben die Tarifgemeinschaft der Zeitarbeitsverbände und die Gewerkschaften ein umfangreiches Tarifwerk mit diversen Zuschlagstarifen auf den Weg gebracht. Der Gesetzgeber respektiert dies. Tarifautonomie ist ein hohes Gut in unserem Land. In dieser Legislaturperiode haben wir dies bereits mit mehreren Gesetzen untermauert.

Das vorliegende Gesetz zieht nun nach neun Monaten eine zeitliche Grenze ein, bis zu der eine Lohngleichheit spätestens erreicht werden muss.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Dann ist aber kaum noch einer da, oder?)

Damit werden diejenigen Branchen zurechtgewiesen, die sich mit solchen tariflichen Regelungen bisher schwergetan haben. Sicherlich ließe sich über den genauen Zeitpunkt noch einmal streiten. Entscheidend ist aber, dass die Umsetzung für alle Beteiligten transparent und vor allem rechtssicher ausgeführt werden kann. Denn bei allem, was wir mit diesem Gesetzespaket beschließen, müssen wir eines verhindern: dass wir die anständigen Unternehmer, die sich vernünftig um ihre Mitarbeiter kümmern, unter einen Anfangsverdacht des kriminellen Handelns stellen

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Genau!)

und sie in unklare Situationen versetzen, in denen ihnen dann vorschnell drakonische Strafen drohen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein dritter Punkt, auf den ich abschließend hinweisen möchte, ist die angestrebte Abgrenzung von Zeitarbeit und Werkverträgen. In der Praxis ist nicht immer auf den ersten Blick klar erkennbar, inwieweit ein Beschäftigter in den Betriebsablauf eingebunden ist und Weisungen empfängt. Für die Unterscheidung, ob es sich um eine selbstständige Tätigkeit handelt, ist dies aber unabdingbar. Manche Unternehmen haben sich eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung auf Vorrat beschafft. Wir mussten allerdings feststellen, dass dieser doppelte Boden im Einzelfall zu einer erstaunlich hohen Kreativität führte mit dem Ziel, bestehende Gesetze bis in den Graubereich des Erlaubten auszureizen. Diese Lücke wird nun geschlossen. Mit dem Verbot der Vorratserlaubnis schieben wir möglichem Missbrauch in Zukunft einen Riegel vor.

Werkverträge und Zeitarbeit voneinander abzugrenzen, ist nicht mit einer einfachen Checkliste möglich. Unsere Arbeitswelt ist mittlerweile so vielfältig geworden, dass sich viele Fallgestaltungen nicht anhand einiger weniger Kriterien abbilden lassen. Dies mussten auch die vehementesten Kritiker erkennen. Somit ist eine Gesamtabwägung, wie es in der Rechtsprechung geübte Praxis ist, weiterhin unabdingbar. Ich bin froh, dass dies mittlerweile auch Teil dieses Gesetzes ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf trägt den komplexen Zusammenhängen Rechnung. Viele Seiten haben am Entstehen intensiv mitgewirkt und ihre jeweiligen Vorstellungen eingebracht. Mein Dank gilt auch dem federführenden Arbeitsministerium.

Mit dem Gesetzentwurf haben wir einen Großteil des Weges bereits geschafft. Dennoch sind einige Details im Parlament noch zu klären, auch wenn eine von Ihrem Haus bereits veröffentlichte Broschüre dies so nicht vermuten ließe. Aber ich bin trotzdem zuversichtlich, dass wir das hinbekommen und dass am Ende des Tages ein ordentliches Gesetz stehen wird.

Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als nächster Redner spricht Willi Brase von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

– Entschuldigung, Kollege Brase, es gibt noch eine Kurzintervention von Jutta Krellmann von der Fraktion Die Linke.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006264
Wahlperiode 18
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
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