Axel SchäferSPD - CETA-Abkommen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer wie Sie, Kollege Ulrich, einmal beschlossen hatte, aus der SPD auszutreten, der hat keine politische Legitimation mehr, sich auf Willy Brandt zu beziehen. So einfach ist das.
(Beifall bei der SPD – Lachen des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Wer die SPD kritisiert – was völlig legitim ist –, der sollte zumindest darauf hinweisen: Wir haben über Monate hinweg in allen Gliederungen unserer Partei und zum Schluss auf einem Konvent um Positionen gerungen, wir haben uns ausgetauscht, und wir haben uns auch an Demonstrationen beteiligt. Wir haben – wie keine andere Partei in Deutschland – in einem demokratischen Verfahren unsere Position gefunden. Darauf sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – auch wenn es unterschiedliche Positionen gibt – gemeinsam stolz.
(Beifall bei der SPD)
Der zweite Punkt. Ich habe mich gemeinsam mit Michael Roth und anderen 2005 für eine Grundgesetzänderung hin zu mehr direkter Demokratie eingesetzt; davon müssen wir auch nichts zurücknehmen. Aber eines ist auch klar: Bestimmte Themen darf man nicht verabsolutieren. Wer glaubt, nur mit Volksbefragung oder Volksabstimmung alle Konflikte und alle Sachfragen in einer Demokratie lösen zu können, der wird am Ende dort landen, wo die britischen Konservativen landeten. Weil sie als Partei gespalten waren, haben sie das Land gespalten. Das kann man am Ergebnis der Brexit-Abstimmung sehen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)
Ich war bisher davon ausgegangen, dass niemand in diesem Hause – das gilt für die Linkspartei, genauso wie für CDU/CSU, SPD und die Grünen – dafür war, so etwas wie den Brexit auszulösen. Auch das sollten wir an dieser Stelle deutlich unterstreichen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich habe, wie viele in diesem Haus – meine Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, aber natürlich auch meiner eigenen Partei und der Partei Die Linke waren dabei, zum Teil auch Christdemokraten –, in den letzten Jahrzehnten an einer Menge Demonstrationen teilgenommen; dazu stehe ich, das halte ich auch im Nachhinein für richtig. Ich habe gegen Atomkraft, gegen Nachrüstung, gegen Rechtsextremismus
(Zuruf von der CDU/CSU: Gegen Linksextremismus!)
und auch gegen den Irakkrieg demonstriert. Es ging immer um harte Fakten: um Kriegsfragen, um Radioaktivität oder um ermordete Menschen. Wir haben diskutiert und uns solidarisiert.
Jetzt haben wir es zum ersten Mal mit einer Bewegung zu tun, in der nicht harte Fakten im Mittelpunkt stehen, sondern Sorgen und Ängste. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist am Ende ganz simpel:
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Halten sie die Leute für dumm? – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann den Vertragstext lesen!)
Wem vertrauen wir in diesem Verfahren? Vertrauen wir denjenigen im Europäischen Parlament, im Bundestag, in der EU-Kommission und natürlich auch in der Bundesregierung – alle diese Gremien sind demokratisch legitimiert; das hat den Charme, dass wir ihre Vertreter öffentlich hierher zitieren können, dass wir uns einklinken können, dass wir sie kritisieren können; im schlimmsten Fall kann man Leute auch abwählen –, oder vertrauen wir denen, die eine bestimmte Expertise haben, die aber nirgendwo und von niemandem kontrolliert und zur Rechenschaft gezogen werden oder gar abgewählt werden können?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich bin entschieden dafür – ich sage das trotz aller Kritik –, dass wir die parlamentarische Demokratie und auch die Parteiendemokratie – das heißt, uns selbst – ernst nehmen und dass wir die damit verbundenen Möglichkeiten entsprechend nutzen.
Ein letzter Satz, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da wir über CETA reden: Was trennt uns eigentlich von Kanada? Nur der Atlantik. Sie sind genauso wie wir. Sie haben die gleiche Struktur, sie haben sogar die Todesstrafe abgeschafft.
(Zurufe von der LINKEN)
– Ja, sie haben die Todesstrafe abgeschafft, andere Länder nicht. – Dass wir mit so einem Land demokratische Abkommen auf Augenhöhe abschließen, um etwas Gutes zu bewegen – nicht nur in der EU, sondern auch beispielgebend im Welthandel –, dafür lohnt es sich zu kämpfen. Wir müssen diese Diskussion im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament heute und in den nächsten Jahren führen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als nächste Rednerin hat Britta Haßelmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Retrieved from | http://dbtg.tv/fvid/7006350 |
Electoral Period | 18 |
Session | 190 |
Agenda Item | CETA-Abkommen |