22.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 190 / Zusatzpunkt 6

Niels AnnenSPD - Aktuelle Stunde zur Situation in Syrien nach dem Angriff auf den VN-Hilfskonvoi

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Angriff auf den Hilfskonvoi der Vereinten Nationen und des Roten Halbmondes am 19. September südwestlich von Aleppo war ein abscheuliches Kriegsverbrechen. Damit wurde ein neuer Tiefpunkt im Syrien-Krieg erreicht, obwohl wir wahrscheinlich alle eigentlich dachten, dass es nicht mehr schlimmer kommen könnte. Deswegen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, muss unsere Botschaft – auch und vor allem denjenigen gegenüber, die das Regime in Damaskus unterstützen – klar sein. Ich will das hier in aller Deutlichkeit sagen: Diese systematische Verletzung humanitären Völkerrechts ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wenn wir es als internationale Gemeinschaft zulassen, dass in militärischen Auseinandersetzungen die Grundregeln, die wir uns als Weltgemeinschaft selber gegeben haben und die auch und gerade für diese Konflikte gelten müssen, bewusst und – ich füge hinzu – systematisch gebrochen werden, dann ist das nicht nur eine humanitäre Katastrophe für die betroffenen Menschen in diesem Krieg, sondern dann stellt das auch das System insgesamt infrage. Es gibt ein Minimum an Regeln, ein Minimum an Humanität und Menschlichkeit, die auch im Krieg gelten müssen. Das darf nicht verloren gehen, das darf nicht aufs Spiel gesetzt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Deswegen muss dieser Vorfall aufgeklärt werden, und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Ich will an eine Situation erinnern, die, obwohl sie noch gar nicht lange her ist, schon fast wieder aus unserem Gedächtnis verschwunden ist. Nachdem sich die Vereinigten Staaten und Russland nach langen Verhandlungen und Bemühungen auf diese Waffenruhe verständigt hatten, gab es einen der ganz seltenen öffentlichen Auftritte von Präsident Assad. Dieser Auftritt fand nicht im Präsidentenpalast in Damaskus statt; er fand in Daraa statt, einer Stadt, die monate- und jahrelang systematisch ausgehungert und bombardiert wurde und eingekesselt war. Die Bewohnerinnen und Bewohner und die Verteidiger von Daraa haben aufgegeben; am Ende gab es einen Deal mit dem Regime. In dieser Stadt hat Präsident Assad als Reaktion auf den Waffenstillstand gesagt, seine Truppen würden die Kontrolle über das gesamte Land zurückerobern.

Wir wissen nicht ganz genau, was passiert ist; deswegen müssen wir die Aufklärung abwarten. Aber auf eines will ich hinweisen: Die systematische Aushungerung von Gebieten, die dem Feind zugeordnet werden, wird von allen Kriegsparteien angewandt; aber nur eine Kriegspartei in diesem Konflikt verfügt über eine Luftwaffe. Deswegen darf man schon darauf hinweisen, dass in dem Gebiet, in dem die Bombardierung stattgefunden hat, im Moment die sogenannten oppositionellen Rebellen operieren, und in der Luft operieren syrische und russische Flugzeuge. Man darf auch darauf hinweisen, dass die Regierung von Präsident Assad offensichtlich keinerlei Interesse daran hat, das Instrument der systematischen Aushungerung, der Belagerung von feindlichen Kräften aufzugeben. Aus dieser Logik ergibt sich, dass ein humanitärer Konvoi zu einem Ziel in einem Krieg wird.

Genau das dürfen wir nicht zulassen. Wir als Sozialdemokraten unterstützen deswegen die laufenden Bemühungen von Außenminister Steinmeier in New York. Es hat erste Treffen der Kontaktgruppe gegeben. Ich denke, das ist ein wichtiges Signal. Alle Parteien haben sich zumindest formal zu diesem Waffenstillstand bekannt, und es bleibt zu hoffen, dass es bei den nächsten Treffen dann endlich auch zu konkreten Ergebnissen kommt. Ich erwähne das hier auch, weil es die aktuelle Debatte im Moment zu Recht, wie ich meine, bestimmt.

Die von Frank-Walter Steinmeier erhobene Forderung nach einem zeitlich begrenzten, aber vollständigen Verbot von Flügen über Syrien unterstützen wir, weil ein solches Verbot vielleicht die Möglichkeit schafft, ein Momentum zu kreieren, diesen fragilen Waffenstillstand doch noch einmal mit Leben zu erfüllen. Ein zeitlich begrenztes Verbot von militärischen Luftoperationen würde ja auch dazu führen, dass es in dem vereinbarten Zeitraum nicht zu solchen dramatischen Missverständnissen wie die Bombardierung von syrischen Truppen durch amerikanische Streitkräfte kommen kann, was natürlich auch dazu beigetragen hat, dass dieser Waffenstillstand wieder fragiler geworden ist. Solche Fehler dürfen wir uns in dieser Situation einfach nicht leisten.

Ich bitte Sie, den konkreten Vorschlag, zeitlich begrenzt militärische Luftoperationen zu verbieten, zu unterstützen. Unsere Unterstützung, auch hier im Hause, für die humanitäre Hilfe sollten wir fortsetzen. Ich bin all denjenigen in allen Fraktionen dankbar, die sich im Moment dafür einsetzen, dass wir die finanziellen Mittel für die humanitäre Hilfe in Syrien nicht nur aufrechterhalten, sondern auch ausbauen können.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin Heike Hänsel.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006429
Wahlperiode 18
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Situation in Syrien nach dem Angriff auf den VN-Hilfskonvoi
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