22.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 190 / Zusatzpunkt 6

Jürgen HardtCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Situation in Syrien nach dem Angriff auf den VN-Hilfskonvoi

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Danke schön. – Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich den Äußerungen von Niels Annen zu diesem absoluten Tiefpunkt der bisherigen Situation in Syrien, der Bombardierung des UN-Hilfskonvois, vollumfänglich anschließen. Natürlich warten wir gespannt darauf, welche Ergebnisse eine internationale Untersuchung liefert. Es gibt Stimmen von allen Seiten, die sagen, dass es eine solche Untersuchung geben soll. Aber es gibt auch ein paar Indizien. Mich macht es zum Beispiel skeptisch, dass Russland zunächst behauptet hat, sie wüssten nicht, wo sich dieser Konvoi befindet. Aber dann tauchen im russischen Fernsehen Videos, Drohnenaufnahmen, auf, die diesen Konvoi an diesem Ort filmten. Da passt das eine nicht mit dem anderen zusammen.

Jenseits dessen, was in den letzten Tagen passiert ist, möchte ich einige Fragen aufwerfen und Gedanken äußern. Wir müssen uns natürlich die Frage stellen: Wie geht es jetzt in dieser Situation weiter? Wir haben die guten Bemühungen der beiden Außenminister von Russland und Amerika erlebt, einen Waffenstillstand zu erreichen, und damit humanitäre Hilfe, die dringend notwendig ist, zu ermöglichen. Das hängt auch zusammen mit den ins Stocken geratenen Friedensgesprächen, die wir im letzten November in Wien recht erfolgversprechend überraschend positiv begonnen haben, wo Akteure der Region, aber auch Russland und Amerika und sogar Iran und Saudi-Arabien sowie die Oppositionskräfte in Syrien in der Lage waren, sich eine Roadmap zu überlegen, wie man zu einem Frieden in diesem Land kommen kann. Die Friedensgespräche sind im Wesentlichen deswegen ins Stocken geraten, weil die Opposition völlig zu Recht gesagt hat: Wenn Assad weiterhin mit russischer Unterstützung unsere Städte bombardiert und humanitäre Hilfe nicht möglich ist – beides sind Forderungen der Vereinten Nationen, die es zu erfüllen gilt –, dann macht es keinen Sinn, zu verhandeln. Deswegen ist und bleibt es enorm wichtig, dass es zu einem Waffenstillstand und zur Ermöglichung humanitärer Hilfe kommt: zum einen aus der Situation der Menschen vor Ort heraus, zum anderen aber auch, weil eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses anders nicht möglich ist.

Dann muss man mit Blick auf das, was in dieser Woche passiert ist, fragen: Wer hat ein Interesse daran, diesen Weg zu sabotieren? Hier kann man mächtig spekulieren, aber es gibt eindeutig eine ganze Reihe von Punkten, die mich dazu veranlassen, dass die Hauptverantwortung leider nicht von Russland weggenommen werden kann. Angefangen von diesem Luftangriff, unabhängig von der Frage, ob Russland selbst aktiv daran beteiligt war oder nicht: Russland hat den Einfluss auf Assad. Russland hätte zumindest die Pflicht gehabt, zu verhindern, dass das Ergebnis von Kerry und Lawrow, dass es einen Waffenstillstand und humanitäre Hilfe gibt, auf diese Weise sabotiert wird.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Reine Behauptung!)

Versetzt man sich einmal in die russische Rolle: Putin ist angetreten in diesem Kampf an der Seite Assads mit dem Ziel, Assad die Möglichkeit der Herrschaft über das Land zurückzugeben, und zwar mit militärischen Mitteln. Das ist die Strategie, die dahintersteht. Die Entwicklung der letzten Monate zeigt, dass dieser Kampf mit militärischen Mitteln nicht zu gewinnen ist: weder für Assad mit russischer Unterstützung noch von der Opposition, die im Zweifel die eine oder andere Terrorgruppe auf ihrer Seite kämpfen lässt.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: „Die eine oder andere“? Zwanzig, dreißig!)

Wenn man in einer besetzten Stadt sitzt, dann wird man im Zweifel erst hinterher fragen, wer das ist, der die Waffe in der Hand hat und einen verteidigt.

Diese unglaubliche Einsicht, dass der Kampf militärisch nicht zu gewinnen ist, bedeutet auch, dass Putin einsehen muss: Trotz seiner massiven Unterstützung gelingt es Assad nicht, die Herrschaft über das Land zurückzugewinnen. Dann wäre natürlich ein Verzicht auf weitere militärische Unterstützung ein Stück weit ein Eingeständnis, dass die Annahme, man könnte auf diese Weise den Verbündeten Assad stützen und stärken, fehlgegangen ist. Ich glaube, über diese weite Brücke muss Putin, muss die russische Führung gehen, damit wir tatsächlich an den Punkt kommen, dass Friedensverhandlungen wieder aufgenommen werden können, weil es einen Waffenstillstand und humanitäre Hilfe gibt.

Ich sehe gegenwärtig keine andere Alternative als die, dass wir uns weiter darum bemühen, einen Waffenstillstand herzustellen, dass wir im Bereich der humanitären Hilfe einen Zustand herstellen, dass diese Konvois sicher fahren können, dass wir zur Not auch andere Überlegungen anstellen, wie wir den Menschen, die am dringendsten auf humanitäre Hilfe warten, helfen können und dass wir ganz konkret an der Fortsetzung des Friedensprozesses festhalten, wie er in Wien begonnen hat und wie er sich in Genf fortsetzen muss.

Das ist meine Hoffnung am heutigen Tag. Ich glaube, der Schlüssel zur Lösung zahlreicher Probleme liegt tatsächlich leider in Moskau.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Jürgen Hardt. – Der nächste Redner: Omid Nouripour für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006437
Wahlperiode 18
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Situation in Syrien nach dem Angriff auf den VN-Hilfskonvoi
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