22.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 190 / Zusatzpunkt 6

Achim PostSPD - Aktuelle Stunde zur Situation in Syrien nach dem Angriff auf den VN-Hilfskonvoi

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Danke. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur wenige Tage liegen zwischen dem Beginn der Waffenruhe, ausgehandelt von den USA und Russland, und der Zerstörung des UN-Hilfskonvois: ein Akt des Tötens und ein Akt der Unmenschlichkeit. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir schwanken doch seit Jahr und Tag genau zwischen diesen Polen: zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen kleinen diplomatischen Fortschritten und Ohnmachtsgefühlen, zwischen Möglichkeiten und Misserfolg. Deshalb – viele Kolleginnen und Kollegen haben das angesprochen – ist es jetzt auch unsere Pflicht, nicht aufzugeben. Die Waffenruhe und das russisch-amerikanische Abkommen sind noch nicht gescheitert, trotz der Zerstörung des Hilfskonvois, trotz der Bombardierung des Stützpunktes der syrischen Armee im Nordosten. Kerry und Lawrow versuchen doch gerade, die Waffenruhe wiederherzustellen. Die Außenminister der Kontaktgruppe treffen sich bereits heute erneut in New York. Deutschland tut weiter alles für die Beibehaltung und Umsetzung des Abkommens.

(Beifall bei der SPD)

Ich will damit keine naive Zuversicht verbreiten. Niemand hier im Haus hat und hatte Illusionen bei der Einigung Russlands und Amerikas. Niemand hatte Illusionen bei Beginn der landesweiten Waffenruhe. Wir alle wussten, dass von Anfang an mehr Fragen als Gewissheiten auf dem Tisch lagen. Wird sich Assad an die Vereinbarungen halten? Ist die Entflechtung der Oppositionstruppen von al‑Nusra machbar? Haben die Regionalmächte überhaupt ein Interesse an einer Waffenruhe? Und schließlich: Wollen und können beide Großmächte das Abkommen überhaupt garantieren? Das sind nur vier Fragen, vier von vielen.

Dennoch haben vermutlich viele gedacht – ich gebe zu, ich auch –: Vielleicht kann man mit dem Abkommen doch den Weg in Richtung einer politischen Lösung beschreiten. Vielleicht kann mit dem Abkommen mehr humanitäre Hilfe möglich werden, um die verzweifelte Lage der Frauen und Männer, der Mädchen und Jungen in Syrien zu verbessern, Schritt für Schritt, Hilfskonvoi für Hilfskonvoi. Ehrlich gesagt, diese Hoffnung sollte unser Ansporn bleiben, um das Abkommen auch jetzt nicht aufzugeben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])

Die Lage in Aleppo ist dramatischer denn je. Die Lage in Syrien ist dramatischer denn je. Der humanitäre Bedarf ist größer denn je. Deshalb müssen wir jede Möglichkeit für humanitäre Zugänge nutzen. Deshalb brauchen wir endlich Sicherheitsgarantien. Deshalb brauchen wir so schnell wie möglich ein militärisches Flugverbot – vollständig, sofort und mindestens für drei Tage.

Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn wir nach vielen Jahren Krieg, nach Hunderttausenden von Toten und Verletzten, nach Millionen von menschlichen Schicksalen auf dieses geschundene Land blicken, vermag jedenfalls ich mir kein sicheres Urteil mehr zu erlauben, wer die Guten und die Bösen sind, wer die Schuldigen und die Unschuldigen,

(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])

wer unterstützt werden sollte und wer nicht. Damit bin ich in diesem Hause und in unserem Lande vermutlich nicht allein.

Aber drei Dinge weiß ich. Alle Konfliktparteien begehen Menschenrechtsverletzungen, und zwar ständig. Aber die Hauptschuldigen sind für mich Baschar al‑Assad, sein Regime und seine Helfershelfer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wer sein eigenes Volk tötet, foltert, aushungert und vertreibt, begeht systematische Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das macht Erdogan in den kurdischen Gebieten doch auch! – Gegenruf des Abg. Frank Schwabe [SPD]: Das hat doch damit nichts zu tun! – Gegenruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ach so! – Gegenruf des Abg. Frank Schwabe [SPD]: Sag endlich, dass das so ist!)

Der Kollege Post hat das Wort. Daran will ich Sie nur erinnern.

Ich habe interessiert zugehört. Wir reden, glaube ich, über Syrien. Wir können gerne über die Türkei reden.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das macht es nicht besser!)

Auch dazu gibt es viel zu sagen.

Auch deshalb, Frau Kollegin, dürfen wir uns nicht zu sehr und zu oft von anderen, ach so wichtigen politischen Fragen ablenken lassen. Auch deshalb dürfen wir uns nicht entmutigen lassen, niemals. Mein besonderes Vertrauen gilt hier unserem Außenminister Frank-Walter Steinmeier, gilt der Bundesregierung und gilt dem Deutschen Bundestag.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank, Achim Post. – Der nächste Redner in der Debatte: Tobias Zech für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006467
Wahlperiode 18
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Situation in Syrien nach dem Angriff auf den VN-Hilfskonvoi
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