Annalena BaerbockDIE GRÜNEN - Gesetz zu dem Übereinkommen von Paris
Frau Präsidentin! Herr Botschafter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich werden wir heute das Klimaschutzabkommen von Paris einstimmig ratifizieren,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU])
weil wir alle wissen, dass man an bestehenden völkerrechtlichen Verträgen später im Parlament nichts mehr ändern kann – selbst wenn das in Bezug auf CETA noch nicht bei allen angekommen ist. Deswegen freuen wir uns auch, dass die Ratifizierung so schnell über die Bühne gebracht wird.
Allerdings ist heute nicht nur ein Freudentag, sondern auch ein Trauertag; denn wir müssen leider feststellen, dass wir in der Klimapolitik nicht mehr tonangebend sind. Denn: Warum ist jetzt diese Eile geboten? Weil China und die USA das Abkommen schon ratifiziert haben. Offensichtlich hat man davon auf deutscher Seite nicht viel mitbekommen. Sonst hätte man den Zeitplan ja nicht verschärfen müssen. Das zeigt, dass man bei diesen Themen offensichtlich nicht in engem Austausch mit diesen Staaten steht, und das ist doch etwas bedenklich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das passt zu dem, was Sie, Frau Hendricks, gesagt haben. Sie sagten, der Plan sei ein Geschenk. Das Ganze ist doch keine Passivveranstaltung nach dem Motto: „Wir schenken uns was“, sondern wir, die nationalen Staaten, müssen aktiv dazu beitragen, dass wir dieses Ziel von deutlich unter 2 Grad, wenn nicht gar 1,5 Grad, einhalten. Dazu bedarf es auf höchster Ebene unseres Landes entsprechender Ambitionen in diesem Bereich. Wir brauchen kein Geholpere über die Ziellinie, damit wir auch in Marrakesch noch mit am Verhandlungstisch sitzen können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Traurige ist, dass man in Marrakesch außer der Ratifikationsurkunde nichts in den Händen haben wird, weil die Nationalstaaten noch liefern müssen. Frau Hendricks, auch wenn Sie sich jetzt lieber unterhalten, muss ich Ihnen sagen: Sie hatten in Paris angekündigt, das Übereinkommen von Paris durch den Klimaschutzplan 2050 mit Leben füllen zu wollen. Sie hatten ganz konkret gesagt, der Klimaschutzplan 2050 solle dazu dienen, die Ziele des Abkommens mit wirksamen Maßnahmen zu unterfüttern, und er solle im Sommer 2016 vorliegen. Sie sind als Tiger gestartet, aber leider als Bettvorleger gelandet. Und warum? Weil das Wirtschaftsministerium, namentlich Sigmar Gabriel, und das Kanzleramt, namentlich Peter Altmaier, dem Klimaschutzplan das wenige Fleisch, das dieser überhaupt hatte, auch noch abgenagt haben. Das ist wirklich beschämend, weil in dem Übereinkommen von Paris nicht steht: „Bitte ratifiziert das Übereinkommen und wartet ab, was passiert“, sondern darin steht: Jedes Land muss nationale Klimaschutzbeiträge leisten, die sogenannten NDCs.
Schauen wir uns einmal das an, was, wie Sie angekündigt haben, unser nationaler Beitrag ist: den Klimaschutzplan 2050. Als Allererstes erkennen wir die Änderung bei dem entscheidenden Faktor, von dem Sie ursprünglich immer gesprochen haben, nämlich beim Kohleausstieg. Der Kohleausstieg stand in dem ursprünglichen Entwurf noch drin. Ich zitiere:
Um das Klimaschutzziel 2050 zu erreichen, wird die Stromerzeugung und damit die Energiewirtschaft bis dahin vollständig dekarbonisiert, um insgesamt das Klimaschutzziel 2050 zu erreichen. Da die Kernenergie ab 2022 wegfällt, muss die Stromerzeugung bis 2050 auf erneuerbare Energien umgestellt werden ... Die Stromerzeugung auf Basis von Kohle muss somit schon deutlich vor 2050 beendet werden.
Richtig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nur, was ist davon übrig geblieben? Die Kohleverstromung nimmt in diesem Prozess schrittweise an Bedeutung ab, und die Erneuerbaren werden schrittweise zunehmen. – Meine sehr verehrten Damen und Herrn, was für eine Erkenntnis, dass bei der Energiewende der eine Bereich ab- und der andere Bereich zunimmt. Aber das ist doch nicht das, was Sie in Paris unterschrieben haben, liebe Frau Hendricks.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
An einer anderen Stelle des ursprünglichen Entwurfs vom 20. April 2016 heißt es:
Spätestens seit Paris ist klar, dass diese Ziele Mindestziele darstellen, die schon früher erreicht werden müssen. Das gilt auch für die Zwischenziele der Bundesregierung für die Treibhausgasminderung in den Jahren 2030 und 2040.
Dann hat Ihr Kollege Sigmar Gabriel im Wirtschaftsministerium den Rotstift angesetzt und gesagt: Zwischenziele brauchen wir nicht; wir konzentrieren uns lieber auf das Jahr 2050. – Dann sind aber alle, die hier Verantwortung tragen, weg. Er sagt nur noch: Klimaschutzziele sind irgendwie Mindestziele.
Und dann ging das Ganze ins Bundeskanzleramt. Danach ist von diesem ganzen Passus, dass es um Mindestziele geht, gar nichts mehr zu lesen, sondern man sagt einfach nur noch: Wir machen weiter wie bisher, als hätte es Paris nicht gegeben. – Das ist aber nicht das, was wir nach der heutigen Ratifikation tun sollten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])
Wir können das fortführen. Im Verkehrsbereich ist nicht mehr die Rede von einem überproportionalen Anteil des Verkehrsbereichs, sondern nur noch davon, dass man das Thema ambitioniert angehen will. Im Landwirtschaftsbereich – Sie haben es angesprochen – will man überhaupt nicht mehr davon reden, um wie viele Tonnen der CO 2 -Ausstoß bis 2030 reduziert werden soll. Das Ganze ist am Ende ein schöner Lückentext, in dem überhaupt gar nichts mehr drinsteht.
Frau Weisgerber, Sie haben gesagt, warum das so ist, warum man das machen muss, denn man müsse ja auch auf die Wirtschaft schauen. Diejenigen von Ihnen, die das per Brief geäußert haben, sind nicht mehr anwesend; aber ich muss trotzdem sagen: Bloß weil die Vertreter des BDI es nicht verkraften können, in einem Workshop des Umweltministeriums mit NGO-Vertretern zusammensitzen zu müssen, müssen Sie sich die Argumente, nach denen der Klimaschutzplan gar nichts wert ist und wir noch einmal ganz von vorne anfangen müssen, doch nicht zu eigen machen. Das ist einfach ein Armutszeugnis.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt auch andere Argumente. Ambitionierter Klimaschutz und internationale Wettbewerbsfähigkeit sind zwei Seiten derselben Medaille. Das sagen nicht nur wir Grünen, sondern das sagte zum Beispiel auch Bahnchef Rüdiger Grube:
Mit dem Abkommen steht die Weltgemeinschaft vor einer gewaltigen Aufgabe. Aber sie ist machbar.
Nun sind die Länder am Zug und ganz konkret die Unternehmen. Sie stehen in der Pflicht, jetzt ihren Beitrag zu leisten.
Darf ich Sie an die Redezeit erinnern?
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.
Ja.
Die Bundeskanzlerin hatte in Paris sehr richtig gesagt:
Wir müssen heute handeln. Das muss der Anspruch dieser Konferenz sein.
Ich möchte am heutigen Tage, an dem wir Paris ratifizieren, sagen: Sie müssen heute handeln. Das muss der Anspruch Ihrer Politik sein. Hauchen Sie dem Klimaschutzplan wieder Leben ein. Ansonsten ist die Ratifikation am Ende nichts wert.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Vielen Dank, Annalena Baerbock. – Nächster Redner: Frank Schwabe für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7006491 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 190 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zu dem Übereinkommen von Paris |