22.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 11

Tobias ZechCDU/CSU - Kinderarmut

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir führen diese Debatte in diesem Haus, seitdem ich hier Mitglied bin, nicht zum ersten Mal. Wir werden sie heute auch nicht zum letzten Mal führen. Das ist auch richtig so; denn solange in einem der reichsten Länder der Welt Kinder in Armut leben, dürfen wir nicht aufhören, darüber zu debattieren, wie wir diesen Kindern helfen können.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen vor allen Dingen endlich mal etwas tun! – Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Was tun!)

Somit ist diese Debatte auf jeden Fall richtig. Verstehen Sie diese Äußerung als Friedensangebot, als etwas, worüber wir uns alle einig sind.

Unterschiedlich ist die Verteilung der Kinderarmut im Land. In Bayern liegt die Kinderarmut bei knapp 7 Prozent. Aber auch hier gab es seit 2011 – Kollege Strengmann-Kuhn hat das ausgeführt – einen Anstieg von fast einem halben Prozent. In meinem Landkreis sind es 1 100 Kinder, die in Armut leben. Jedes Kind, das in Armut lebt, ist eines zu viel.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir sprechen hier natürlich auch über die Schwächsten in der Gesellschaft. Kein Kind sucht sich aus, in Armut zu leben. Die Kollegin Eckenbach hat es hervorragend analysiert und ausgeführt: Kinderarmut ist automatisch Elternarmut. – Das ist der Punkt, an dem wir anzusetzen haben, und wir haben in dieser Legislatur richtigerweise bei den Eltern angesetzt. Die Bertelsmann-Studie – sie wurde heute schon diskutiert – besagt: Das größte Armutsrisiko bei Kindern liegt bei den Alleinerziehenden. Alleinerziehende und ihre Kinder sind in Deutschland eine Gruppe von ganz schwachen Familiengebilden. Sie haben viel mehr Lasten zu tragen als Familien mit zwei Elternteilen. Es gibt bei uns 1,7 Millionen Alleinerziehende mit 2,3 Millionen minderjährigen Kindern. Zum größten Teil handelt es sich dabei natürlich um alleinerziehende Mütter. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass nicht nur die Kinder von SGB-II-Beziehern von Armut betroffen oder armutsgefährdet sind. Vielmehr gibt es über 1 Million Kinder, die ebenso betroffen sind.

Ich darf mich der Kollegin anschließen und vielleicht noch ein paar Themen, die wir hier schon behandelt haben, in Erinnerung bringen:

Mit dem Familienpaket, das wir im vergangenen Jahr beschlossen haben, werden Alleinerziehende und Familien noch besser unterstützt. Allein darin haben wir 5 Milliarden Euro investiert.

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wurde rückwirkend zum 1. Januar 2015 auf 1 908 Euro erhöht. Das ist ein Plus von 600 Euro pro Jahr. Die Kosten hierfür liegen bei rund 100 Millionen Euro.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Armen zahlen leider keine Steuern!)

– Ich bin noch gar nicht fertig, Herr Strengmann-Kuhn.

Darüber hinaus wurde der Unterhaltsvorschuss angehoben. Das Kindergeld wurde erhöht ebenso wie der Kinderzuschlag. Das Elterngeld Plus und KitaPlus wurden eingeführt, um den Eltern noch mehr Flexibilität für die Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Die Anzahl der Betreuungsplätze wurde erhöht; es gibt einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige. Wir haben die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten verbessert, und wir haben das Bildungs- und Teilhabepaket weiter ausgebaut.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kinderarmut steigt trotzdem!)

Damit haben wir die Kinderarmut natürlich nicht beseitigt; das ist uns auch klar. Wir gehen aber Schritt für Schritt nach vorne,

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Die Armut steigt aber doch!)

und zwar finanzpolitisch, arbeitsmarktpolitisch und familienpolitisch. Neben der Bundesregierung sind es natürlich auch die Kommunen und die Länder, die hier mit an Bord sind und sich mit einbringen müssen.

Liebe Kollegen von der Linken, wenn ich mir die Länder Brandenburg und Thüringen anschaue, wo Sie mit an der Regierung sind, und diese Länder mit anderen Ländern vergleiche, dann stelle ich fest, dass die Kinderarmut in Brandenburg und Thüringen über dem bundesweiten Durchschnitt liegt. Das heißt für mich: Überall, wo Sie regieren, geht es den Menschen schlechter. Übrigens ist die Kinderarmut in Brandenburg und Thüringen fast dreimal so hoch wie in Bayern.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: In Sachsen geht es den Kindern auch nicht gut! Seit 25 Jahren schwarz regiert!)

Vielleicht wäre es einmal an der Zeit, hier keine klugen Anträge zu stellen, sondern vor Ort, wo Sie gewählt sind und Regierungsverantwortung tragen, Politik für die Kinder zu machen.

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Die machen was!)

Da können Sie sich beweisen. Wenn das geschehen ist, können wir noch einmal darüber sprechen, ob Ihre Ideen mehr Erfolg haben als unsere. Wir haben in Bayern den Erfolg unserer Politik bewiesen. Dort, wo die Linken mitregieren, liegt die Kinderarmut dreimal höher. Ändern Sie Ihre Politik. Machen Sie einmal etwas für die Menschen, und erklären Sie uns hier nicht, wie wir Politik für die Menschen, die uns mehrheitlich gewählt haben, zu machen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Was haben Sie für eine verzerrte Wahrnehmung!)

– Das ist keine verzerrte Wahrnehmung; das sind einfach die Fakten. Ich möchte Ihnen anbieten, sich einmal die Zahlen anzuschauen. Anschließend sprechen wir noch einmal miteinander.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mal nach Sachsen-Anhalt geschaut?)

Die Grundsicherung für Kinder ist etwas, was ich kritisch sehe. Es gibt ein differenziertes Leistungspaket für Kinder. Ich halte das für klug. Ich denke, wir sollten diese Aufteilung von Leistungen beibehalten. Diskutieren kann man über alles. Zum Schluss kommt es darauf an, dass man ein Ergebnis hat, das den Menschen vor Ort hilft, und nicht irgendwelchen Systemideen gerecht wird.

Wichtig ist, dass wir, wie es Dagmar Schmidt auch schon erwähnt hat, weiter in die Arbeitsmarktpolitik investieren. Da geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Betreuungsplätze, um Flexibilität, um Teilzeitmodelle, um neue Tarifmodelle und um flexible Arbeitszeitmodelle wie zum Beispiel Home Office oder Lebensarbeitszeitkonten. Wir haben das hier schon mehrmals diskutiert. Aber ich sage Ihnen auch: Wir können natürlich nicht auf der einen Seite Flexibilität ermöglichen und einfordern und auf der anderen Seite die ständige Erreichbarkeit verbieten wollen. Das funktioniert nicht. Die Eigenständigkeit der Arbeitnehmer und die Flexibilität mit Verantwortung zu verbinden, das gehört dann auch mit hinzu.

Ich kann Ihnen versichern, dass für uns, für die CDU/CSU-Fraktion, das Thema Kinderarmut nie abgeschlossen sein wird. Das ist für uns ein ständiger Vorgang, bei dem wir versuchen, das Beste zu machen. Wir haben heute ausgetauscht, was unsere Ideen sind. Wir haben Ihnen dargestellt, was wir schon alles getan haben. Ich schaue mit einer gewissen Skepsis auf die Regierungsbildung in Berlin. Sollten Sie da tatsächlich nach Brandenburg und Thüringen an der Regierung beteiligt sein, dann lassen Sie das doch mit den Aktionsplänen bleiben. Arbeiten Sie einfach einmal für die Menschen, die Sie gewählt haben. Dann wird es auch besser.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster hat jetzt der Kollege Norbert Müller, Fraktion Die Linke, das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006582
Wahlperiode 18
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Kinderarmut
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