22.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 11

Kerstin GrieseSPD - Kinderarmut

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was können wir tun, damit alle Kinder gute Chancen haben, damit alle Kinder gleiche Chancen haben? Ganz wichtig ist, wenn wir über Kinderarmut, über Familienarmut sprechen, dass wir die Ursachen in den Blick nehmen, um konkrete Lösungsansätze zu entwickeln.

Von Armut betroffen oder – wie es richtig heißen muss – armutsgefährdet sind vor allem Kinder aus Familien mit drei oder mehr Kindern, aus Familien mit Migrationshintergrund, Kinder von Alleinerziehenden und ganz besonders – das zieht sich wie ein roter Faden durch alle Studien der letzten Jahre und Jahrzehnte – die Kinder, deren Eltern arbeitslos sind. Das wissen wir, und deshalb ist es eine ganz wichtige Stellschraube, an der wir ansetzen, dass die Eltern dieser Kinder in Arbeit kommen, damit Armut gar nicht erst entsteht.

Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir das Programm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ ganz besonders ausgerichtet auf Bedarfsgemeinschaften, wo Kinder sind, damit dort die Eltern in Arbeit kommen. Das hilft nicht nur den langzeitarbeitslosen Eltern, sondern es hilft auch den Kindern. Es ist wichtig, dass Kinder erfahren, dass ihre Eltern morgens aufstehen, einen geregelten Tagesablauf haben, stolz von der Arbeit wiederkommen, ihren Kindern davon erzählen können, dass sie erleben, dass Arbeit eine wichtige Rolle im Leben spielen kann. Deswegen ist dieses Programm wichtig, damit Kinder nicht die Erstaufsteher in der Familie sind, die sich um alles kümmern müssen, sondern damit ihre Eltern gut für sie sorgen können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Programm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ – wir verdoppeln übrigens gerade die Mittel, also wir tun wirklich etwas – ist genau dazu da, um diesen Familien Perspektiven zu eröffnen, damit keine Hartz-IV-Vererbung stattfindet, sondern damit Kinder gute Chancen bekommen.

Zweiter Punkt. Ganz besonders betroffen sind Alleinerziehende. 120 000 Langzeitarbeitslose sind alleinerziehend. Sie sind die Gruppe, die es am schwersten hat, Berufstätigkeit, Familie, Haushalt, Freundeskreis, die ganze Organisation des Lebens unter einen Hut zu bekommen. Deshalb ist diese Gruppe auch am stärksten von Armutsgefährdung betroffen.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Nichts Neues!)

Von den Kindern, die in Hartz IV sind, lebt mehr als die Hälfte bei einem alleinerziehenden Elternteil. Deshalb ist es wichtig, dass wir da schon viel getan haben und gerne noch mehr tun müssen und sollen.

Der Ausbau der Kinderbetreuung, der Ausbau der Ganztagsschulen: Hier geht es um frühe Bildungschancen – wenn es nach mir ginge, gerne auch flächendeckend und gebührenfrei –, damit alle Kinder von Anfang an eine gute Chance haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben heute in den Regelsätzen des SGB II schon den Mehrbedarf für Alleinerziehende geregelt, aber wir haben in der Diskussion gerade in den letzten Monaten noch einmal festgestellt, dass wir mehr dafür tun müssen, damit Kinder aus diesen Familien Umgang mit beiden Elternteilen haben. Deshalb haben wir die Idee eines Umgangsmehrbedarfes entwickelt

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bundesregierung hat es noch nicht geschafft! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann bringen Sie das denn ein?)

und bringen ihn auch in die aktuellen Beratungen ein; denn es ist ja gerade vom Kind her gedacht gut – darum muss es gehen –, wenn sich beide Eltern um das Kind kümmern können. Ein solcher Umgangsmehrbedarf wäre eine konkrete Verbesserung für die Kinder. Dafür werbe ich hier.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der richtige Platz wäre im Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz!)

– Zum Beispiel.

Noch ein Wort zu Nordrhein-Westfalen, das haben Sie ja extra erwähnt. Es ist eine statistische Weisheit, wenn ein Viertel der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen lebt, dass dann auch ein Viertel der von Armut betroffenen Kinder in Nordrhein-Westfalen lebt. Aber ich will das Thema wirklich ernst nehmen. Im Ruhrgebiet, mehr noch in Düsseldorf und Köln ist die Armutsgefährdung von Kindern größer, weil wir dort unterschiedliche Stadtteile haben: prosperierende und abgehängte Stadtteile. Das macht die relative Armut sehr augenfällig. Deshalb ist es gerade richtig und gut, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung Investitionen in öffentliche Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur so hoch hängt und eine so große Priorität gibt. Das ist die richtige Politik für Kinder.

(Beifall bei der SPD)

Nur so kann man den Folgen von Armut begegnen. Nur so kann man präventiv wirken. Nordrhein-Westfalen macht das mit dem Ausbau der frühkindlichen Bildung, insbesondere in sozial benachteiligten Stadtteilen. Wir vom Bund fördern die Sprachkitas, Nordrhein-Westfalen fördert noch einmal in Stadtteilen mit sozialer Benachteiligung durch mehr Kräfte in Kitas, weil man Ungleiches auch ungleich behandeln muss, weil man besonders da fördern muss, wo der Bedarf vorhanden ist. Gerade der Ausbau der Infrastruktur, der Hilfs- und Beratungsleistungen, der Ganztagsangebote ist ein Markenzeichen einer vorbeugenden Politik, wie sie Nordrhein-Westfalen macht.

(Beifall der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD])

Das Programm „Kein Kind zurücklassen! Kommunen in NRW beugen vor“ wurde schon erwähnt. Damit wurden in 18 Modellkommunen kommunale Präventionsketten aufgebaut, wo Gesundheit, Bildung, Kinder- und Jugendhilfe und Soziales zusammenwirken, damit lückenlos von der Schwangerschaft bis zum Eintritt in das Berufsleben Unterstützung und Hilfe für Kinder da ist. Diese Bilanz fällt positiv aus. Das ist ein guter Ansatz von guter Bildung und Betreuung von Anfang an.

Deshalb lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir alles, was möglich ist, in Prävention, in gute Bildungschancen für Kinder investieren. Das ist unsere Politik schon seit Jahren. Wir werden daran auch noch weiter arbeiten müssen. Ich hoffe, das können wir gemeinsam tun. Wir dürfen hier nicht nachlassen, damit kein Kind von der Gesellschaft zurückgelassen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006584
Wahlperiode 18
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Kinderarmut
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