22.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 17

Kirsten LühmannSPD - Förderung des Schienenverkehrs - Deutschland-Takt

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Sehr verehrte Anwesende! Ich bin über den Verlauf der Debatte etwas verwirrt. Ich dachte, der Bundesverkehrswegeplan hätte schon heute Morgen auf der Tagesordnung gestanden und Stuttgart 21 würde später auf der Tagesordnung stehen. Ich habe eine Rede zu dem Antragsthema Deutschland-Takt im Schienenverkehr vorbereitet, und die will ich auch halten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da gehört beides dazu!)

Die Frage ist: Worüber reden wir eigentlich? Ziel des Deutschland-Taktes – zumindest so, wie wir es verstehen – ist, mit einem bundesweit vertakteten und verknüpften Schienenverkehrsangebot die Attraktivität des Schienenverkehrs zu erhöhen, indem wir die Reisezeit verkürzen und die Umsteigemöglichkeiten optimieren. Damit wollen wir mehr Fahrgäste für das System gewinnen.

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So steht es auch in unserem Antrag!)

Laut Koalitionsvertrag soll nämlich die „Planung der Schienenwege … am Ziel eines Deutschland-Takts mit bundesweit aufeinander abgestimmten Anschlüssen sowie leistungsfähigen Güterverkehrstrassen“ ausgerichtet werden. Genau das haben wir festgelegt. Und wir haben gesagt, wir wollen das in mehreren Schritten machen.

Von daher möchte ich Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen vom Bündnis 90/Die Grünen, erst einmal beglückwünschen. Sie setzen mit Ihrem Antrag auf das richtige Pferd und fahren im Fahrwasser der Großen Koalition. So etwas haben wir natürlich gerne.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre schön, wenn ihr so weit wäret! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir also jetzt grundsätzlich in dem Ziel übereinstimmen, wäre es vielleicht von Vorteil, wenn wir an einem Strang ziehen und konstruktiv zusammenarbeiten würden. Frau Leidig, Sie haben es angesprochen: Die Bevölkerung will den Deutschland-Takt. Er steht im Koalitionsvertrag.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht im Bundesverkehrswegeplan! Das ist doch das Problem!)

Auch Sie wollen ihn. Dann lassen Sie ihn uns doch gemeinsam umsetzen.

Wo stehen wir denn bei diesem Deutschland-Takt?

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie stehen in der Theorie und nicht in der Praxis!)

Es ist zu berücksichtigen, dass solch ein Projekt nicht von heute auf morgen zu verwirklichen ist. Wenn wir uns die Schweiz anschauen, die Sie immer gern als Beispiel nennen, dann sehen wir: Auch in der Schweiz ist der integrale Taktfahrplan nicht von heute auf morgen gekommen. Es gab auch sehr viele Irrtümer, die gemacht worden sind. Sie sind behoben worden. Nur so konnte die Schweiz heute zu einem Musterland des Schienenverkehrs werden.

Bei uns in Deutschland wurde in dieser Legislaturperiode im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums die Machbarkeitsstudie als erster Schritt fertiggestellt.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie setzen die nicht um! Das ist das Problem!)

Darin wurde eine Variante, nämlich das Konzept „60‑Minuten-Takt, 30‑Minuten-Takt“ der Fernverkehrszüge verschiedener Linien ausgearbeitet und von den Gutachtern empfohlen. Derzeit werden Details in einem Folgegutachten erklärt.

Fest steht für uns von der SPD: Wir unterstützen erst einmal das Konzept der Deutschen Bahn AG, die Anzahl der Kunden und der gefahrenen Kilometer im Schienenpersonenverkehr bis 2030 wesentlich zu erhöhen; denn wenn das Angebot stimmt, dann fahren auch mehr Personen mit dem Zug. Das sieht man im ersten Halbjahr dieses Jahres sehr deutlich.

Dem langen Warten auf den Bahnsteigen muss dann ein Ende gemacht werden. Die Menschen erhalten optimale Möglichkeiten zum Umsteigen, und es gilt das Versprechen: In allen Großstädten und wichtigen Mittelzentren sowie in den für den Tourismus wichtigen Regionen fahren die Züge unabhängig von ihrer Fahrtrichtung zur gleichen Zeit ein und wieder ab. – So entstehen verlässliche Reiseketten, richtig, aber wir müssen mit kleinen Schritten anfangen. Das haben wir mit dem Gutachten getan, und das tun wir mit einem weiteren Gutachten, in dem Kernpunkte ausgearbeitet werden. Wir tun das auch mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan; denn wir müssen jetzt anfangen, die Infrastruktur zu bauen, die dann einen Deutschland-Takt erst ermöglicht. Die haben wir nämlich noch nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Genau!)

Mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan stellen wir für den Schienenverkehr über 112 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Investitionsmittel werden dort hinfließen, wo die größten verkehrlichen Gesamtwirkungen zu entfalten sind. Rund 700 Kilometer Engpässe an Hauptachsen und Knoten werden im Bereich der Schiene beseitigt werden, und das ist etwas, was sich sehen lassen kann, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ja, Herr Gastel, es ist noch nicht alles gerechnet worden. Aber wenn es gerechnet wird und es den haushalterischen Anforderungen entspricht, wird es auch in den Vordringlichen Bedarf kommen und gebaut werden. Übrigens werden wir das nicht anders handhaben als im letzten Bundesverkehrswegeplan von Rot-Grün. Da war das nämlich genauso. Da hat es auch funktioniert.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann könnten wir das diesmal besser machen! Sie haben noch nicht einmal alles im potenziellen Bedarf!)

Die Anbindungen aller wichtigen Oberzentren an den Schienenpersonenfernverkehr bis 2030 ist zentrale Voraussetzung und unser Ziel auch mit diesem Bundesverkehrswegeplan.

Infolge der schlechten Zahlen startet die Deutsche Bahn AG bereits von selbst eine Qualitätsoffensive, ohne dass wir etwas dazu tun müssen. Mit 25 Prozent mehr Angebot sollen jährlich 50 Millionen Reisende mehr in die Bahnen gebracht werden. Neue Städte werden in das Flächennetz der DB AG aufgenommen, darunter Mönchengladbach, Chemnitz, Krefeld, Potsdam, Fürth, Heilbronn, Trier, Cottbus, Siegen. Insgesamt bekommen über 30 Städte eine verbesserte Anbindung. Der Fernverkehr in der Fläche soll im Zweistundentakt bedient werden. Das ist ein Anfang.

Wir als SPD haben die Ergreifung der notwendigen Maßnahmen hierzu von Anfang an als Schritt in die richtige Richtung begrüßt. In diesem Zusammenhang hat jetzt der Bund auch vor, seiner Verantwortung als Eigentümer der Deutschen Bahn AG nachzukommen und die Bahn in den kommenden Jahren mit insgesamt 2,4 Milliarden Euro zu unterstützen. Diese Mittel können in die Qualitätsoffensive und in die Ausweitung des Angebotes einfließen. Ich glaube, das ist eine bedeutende Summe. Sie wird hervorragende Auswirkungen zeigen. Auch das ist ein Schritt hin auf dem Weg zum Deutschland-Takt, ein Schritt unseres Planes, den wir in der Großen Koalition beschlossen haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für uns ist aber auch klar: Den nach Kundenwünschen optimierten Zeitfahrplan muss die Politik bestimmen. Das Bundesverkehrsministerium hat dafür einen integralen Taktfahrplan zu erarbeiten. Dabei müssen neben dem Schienenpersonenfernverkehr gemeinsam mit den Aufgabenträgern in den Ländern der Schienenpersonennahverkehr sowie die Bedürfnisse des Schienengüterverkehrs mit einbezogen werden. Das Ganze ergibt nur einen Sinn, wenn wir es als Netz betrachten. Für die Umsetzung des Deutschland-Taktes bis 2030 müssen im Vorfeld gemeinsam mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen, den Bundesländern und der DB Netz AG realistische Zwischenschritte definiert werden.

Es gibt noch etwas, liebe Kolleginnen und Kollegen, was mir in Ihrem Antrag fehlt. Als Sprecherin der AG Verkehr der SPD-Bundestagsfraktion bin ich nach wie vor mit den Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen des Verkehrsträgers Schiene unzufrieden. Es stellt sich mir unter anderem die Frage, inwiefern eine Mautfreiheit für Fernbusse noch zeitgemäß ist. Weiter stellt sich die Frage, ob es zur Stärkung des umweltfreundlichen Systems Schiene nicht auch wichtig ist, den Schienenverkehr von der Stromsteuer zu befreien.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann macht es doch! Seid ihr nicht an der Regierung? – Zuruf der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])

Die EU-Kommission sieht das ausdrücklich so vor. Auch das Thema „Senkung der Trassenpreise“ steht zeitnah auf unserer Agenda.

(Beifall bei der SPD – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir helfen euch gern dabei! – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir unterstützen euch gern! – Zuruf der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt also vieles, was wir auf politischer Ebene erledigen müssen. Es gilt, viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Wir sind dazu bereit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat nun der Kollege Dirk Fischer auch eine hoffentlich nicht länger als fünfminütige Rede zum Gegenstand dieses Tagesordnungspunktes vorbereitet.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006628
Wahlperiode 18
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Förderung des Schienenverkehrs - Deutschland-Takt
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