22.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 15

Marianne SchiederSPD - Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft

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Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.

Das sagte Max Weber in seinem Vortrag „Politik als Beruf“. Ich weiß nicht, ob er damals – es war das Jahr 1919 – schon an die Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft gedacht hat, aber seine Worte passen jedenfalls ganz besonders gut zu diesem Feld der Politik.

Wir unterhalten uns hier nicht zum ersten Mal über das Thema „Gleichstellung in Wissenschaft und Forschung“ und ganz sicher auch nicht zum letzten Mal. Gerade uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist das Thema ein Herzensanliegen, und daher war und ist es für uns auch immer ein besonderer Schwerpunkt unserer Arbeit.

Es ist schon viel auf den Weg gebracht worden; bei null fangen wir nicht an. Unser Bemühen zeigt auch Wirkungen. Ja, es gibt Verbesserungen, aber dennoch sind wir sehr weit von einer echten Gleichstellung von Männern und Frauen in Wissenschaft und Forschung entfernt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Claudia Lücking-Michel [CDU/CSU])

Ja, in Zukunft muss es mit diesen Verbesserungen schneller gehen, weil wir nicht 100 Jahre lang warten können, bis wir wirklich bei der Gleichstellung angelangt sind.

Das Interessante ist ja, dass wir bei den Studierendenzahlen eigentlich schon ganz gut nach vorne gekommen sind; denn von den nicht ganz 2,7 Millionen Studierenden sind die Hälfte Frauen. Mit Ausnahme der Ingenieurwissenschaften und einiger naturwissenschaftlicher Disziplinen haben wir überall ein recht ausgeglichenes Verhältnis von Männern und Frauen erreicht, und die Frauen machen meistens die besseren Abschlüsse.

Dann tut sich aber die Schere auf. Nur noch etwa jede dritte Stelle des hauptberuflichen wissenschaftlichen Personals ist mit einer Frau besetzt, und bei den Professuren schaut es noch schlechter aus.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was tun Sie denn dagegen? Das wissen wir alles!)

Einer Professorin stehen mehr als vier Professoren gegenüber. Schaut man sich die C-4- und die W-3-Professuren an, dann sieht man, dass der Frauenanteil dort noch geringer ist. Das ist echt kein Zustand, mit dem wir zufrieden sein können.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Claudia Lücking-Michel [CDU/CSU])

Egal ob man nun ein Kaskadenmodell will oder feste Quoten bevorzugt: Wenn man die Schere schließen will, dann muss man mehr Frauen fördern und es ihnen ermöglichen, zu promovieren, dann zu habilitieren und schließlich berufen zu werden – und das alles natürlich in einem planbaren Rahmen ohne Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverhältnissen.

Es ist heute schon erwähnt worden, aber auch ich möchte es betonen: 2017 läuft eines der wichtigsten Instrumente im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit an Hochschulen aus, nämlich das Professorinnenprogramm. Es muss beibehalten und nach unserem Dafürhalten auch entsprechend ausgebaut werden;

(Beifall bei der SPD)

denn es ist nicht zuletzt wegen dieses Programms immerhin gelungen, den Frauenanteil von 2005 bis 2015 um circa 10 Prozent anzuheben. Es gibt jetzt 10 000 Professorinnen bei insgesamt 46 000 Professuren. Ich sage es noch einmal: Das ist eine positive Entwicklung, aber natürlich noch viel zu wenig.

Die große Errungenschaft dieses Programms ist aber auch, dass sich wirklich flächendeckend die Hochschulen mit dem Thema Geschlechtergerechtigkeit auseinandergesetzt und Strategien entwickelt haben, die die komplette Hochschule in den Blick nehmen. Das Ganze war also nicht nur wieder irgendein Frauenförderprogramm, das man vorschieben konnte, um sich in allen anderen Bereichen nicht mehr kümmern zu müssen. Daher werden auch wir für die Weiterführung dieses Programms kämpfen.

Aber ich möchte Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon noch etwas zu Ihrem Antrag sagen. Ja, in diesem Antrag steht viel Wahres und Unterstützenswertes; aber, ehrlich gesagt, kommt mir dieser Antrag so vor wie das Schreiben unserer Kinder ans Christkind, alle Jahre wieder an Weihnachten: Man schreibt wirklich alles auf, was man sich so für die nächsten Jahre und Jahrzehnte wünschen kann, und wartet dann, bis an Weihnachten alles geliefert wird.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann kommt denn der Koalitionsantrag?)

Für Wünsche ans Christkind ist es natürlich egal, wie das alles bezahlt werden kann und wer dafür zuständig ist. Aber mit solchen Wunschzetteln, meine ich, sollte man sich hier nicht beschäftigen.

(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Sie haben dreieinhalb Jahre gar nichts gemacht!)

– Frau Kollegin, lesen Sie sich einmal diesen Antrag ohne die Brille der Linken wirklich durch. Dann sehen Sie Seiten voll mit allem, was man sich nur irgendwie vorstellen kann, ob der Bund zuständig ist oder auch nicht, und keine Aussagen darüber, wie man das alles leisten kann.

Im Ausschuss werden wir sicher Gelegenheit haben, noch weiter und intensiver zu diskutieren.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Danke, Marianne Schieder. – Jetzt war ich auch gerade Christkind und habe Ihnen eine Minute geschenkt.

(Heiterkeit)

Alexandra Dinges-Dierig ist die Nächste für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006653
Wahlperiode 18
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft
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