Alexandra Dinges-DierigCDU/CSU - Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste zu so später Stunde! Geschlechtergerechtigkeit und Personalentwicklung in der Wissenschaft ist wirklich ein extrem wichtiges Thema. Aber für Sie, liebe Nicole Gohlke, ist es vielleicht nicht wichtig genug. Jetzt muss ich da fortfahren, wo Marianne Schieder gerade aufgehört hat: Warum haben Sie in Ihrem Antrag dieses Thema nicht wirklich in den Mittelpunkt gestellt und darauf fokussiert?
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Das ist es!)
Das haben Sie vergessen.
Als Statistikerin begrüße ich es natürlich, dass Sie die Fakten mit viel Zahlenmaterial unterlegen. Das finde ich richtig gut. Und dann wieder bleiben Sie auf halber Strecke stehen. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Überproportional viele Frauen verlassen nach der Promotion die Wissenschaft. Das ist per se weder positiv noch negativ.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Na ja!)
Aber warum sie die Wissenschaft verlassen, das verschweigen Sie in Ihrem Antrag, und das verschweigt auch die zitierte Studie. Bei der Studie ist es klar; die hatte einen völlig anderen Auftrag. Die sollte die Zahlen zum heutigen Iststand liefern. Aber Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hätten jetzt die Chance gehabt, aus den anderen Studien, die es gibt, uns ein wenig Material zu geben und zu sagen: Was führt denn überhaupt dazu, dass jemand nach der Promotion abbricht? Wo stimmt etwas nicht?
Die Frage nach dem Warum hat zum Beispiel eine CHE-Studie aufgegriffen und auch viele andere Studien, in denen Professoren und Professorinnen befragt wurden. Eins ist eindeutig – es ist völlig egal, welche Studie Sie nehmen –, und das ist nämlich das Interessante: Auf Platz eins der Gründe für das frühe Ausscheiden von Wissenschaftlerinnen steht die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das finden Sie überall, und das muss uns einfach zu denken geben.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Das steht auch da drin!)
Unabhängig von den Forschungsfeldern ist festzustellen, dass Brüche in den beruflichen Biografien immer dann entstehen, wenn eine Familie gegründet wird. Dieses Hindernis abzustellen, das müssen wir uns wirklich vornehmen, und wir können prüfen, was Politik dazu beitragen kann.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass wir die klügsten Köpfe der Wissenschaft nur dann bekommen, wenn wir uns die Gesamtheit aller Männer und Frauen anschauen. Es muss sich unser aller Denken ändern.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vor diesem Hintergrund nützt uns auch die nächste und die übernächste Gesprächsrunde nichts; da bin ich ganz bei Ihnen. Aber es stimmt auch nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, dass, wie Sie meinen, durch Abschaffung der projektbezogenen Förderung, wie Sie schreiben, oder der befristeten Stellen hier auch nur irgendwas für die Gleichberechtigung getan wird. Das ist gerade nicht der Fall.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir müssen nicht nur Vorbilder schaffen; die fehlen nämlich auch, und zwar nicht nur in der Wissenschaft, sondern zum Beispiel auch in der Politik oder in der Wirtschaft, sondern wir müssen auch genau darauf achten, wie die Bedingungen im öffentlichen Dienst sind. Denn Wissenschaftseinrichtungen gehören zum öffentlichen Dienst. Durch das Zuwendungsrecht haben wir beispielsweise ein Problem bzw. weniger Flexibilität bei der Unterstützung von Familien mit Schulkindern. Das kann zwar die Wirtschaft machen, aber das kann eine Wissenschaftseinrichtung nicht machen. Das hat etwas mit unserem Zuwendungsrecht zu tun. Da sollten wir einfach einmal hinschauen.
(René Röspel [SPD]: Kann sie auch!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben diesen Dingen gilt es natürlich auch, tradierte Verhaltensmuster irgendwann einmal zu überwinden. Das dauert ein bisschen, leider nicht nur in der Wissenschaft. Durch politische Veränderung hat sich etwas getan. Ich denke, wenn wir das Heute mit dem Gestern vergleichen, sieht man schon, was sich verändert hat.
Wir müssen auch sagen: Genauso wie wir bei Kindern den Lernzuwachs bewerten, sollten wir auch hier den Zuwachs bewerten. Ich komme gerade von der Helmholtz-Tagung. Zwischen 2005 und heute – ich habe die Zahlen extra mitgeschrieben – ist der Frauenanteil von 4,7 auf 13,4 Prozent gestiegen. Das sind kleine Zahlen. Aber der Zuwachs beträgt 185 Prozent. Das sagt etwas über Entwicklung aus. Deshalb sollten wir da weitermachen und vonseiten der Politik strukturelle Änderungen weiter vorantreiben. Da sage ich nur eins: flexible Laufbahnen, Betreuung von Schulkindern, Berichte über Familienquoten. All dies dient dazu, Probleme bewusst zu machen.
Was gilt es vor Ort zu tun? Die Leitungsebenen müssen eine andere Haltung vorleben. Karrieren müssen anders beschrieben und anders vereinbart werden. Wir müssen Personalentwicklungskonzepte einfordern. Es stimmt eben nicht, dass wir in dieser Legislaturperiode nichts getan haben. Die neue Exzellenzstrategie und das Tenure-Track-Programm sind beides Vorhaben mit enormer Strahlkraft, ausgestattet mit vielen Millionen. In diesen Papieren steht, dass bei Bewerbungen um Fördermittel eine Voraussetzung erfüllt sein muss: Es muss ein Personalentwicklungskonzept geben, und ein Personalentwicklungskonzept hat ein Gleichstellungskonzept.
(Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])
Das haben wir gefordert, das werden wir auch in Zukunft fordern; denn nur dann gibt es etwas von den Millionen für die großen Programme. Gelder für wichtige Projekte zu geben, ist das eine. Aber den echten Wandel einzufordern, ist das andere. Das wollen wir auch in Zukunft tun.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Alexandra Dinges-Dierig. – Die letzte Rednerin in dieser Debatte: Dr. Daniela De Ridder für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7006659 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 190 |
Tagesordnungspunkt | Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft |