Volker KauderCDU/CSU - Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon vor fast 20 Jahren hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion das Erstellen eines Berichts über Religionsfreiheit und die Verfolgung von religiösen Minderheiten im Deutschen Bundestag thematisiert. Das war unter der Regierung Schröder. Die Regierung Schröder sah damals keine Veranlassung, feststellen zu lassen, dass es eine nennenswerte Verfolgung vor allem von Christen in der ganzen Welt gibt. Heute diskutieren wir erneut über einen Bericht der Bundesregierung. Dieser Bericht zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist erstmals aufgrund eines Antrages aus diesem Parlament entstanden. Zunächst einmal muss man sagen, dass wir dafür dankbar sind, dass die Bundesregierung diesen Bericht verfasst hat und wir heute die Möglichkeit haben, über dieses Thema, über das wohl wichtigste Menschenrecht überhaupt, das Recht auf Religionsfreiheit, miteinander zu diskutieren.
In diesem Bericht wird an mehreren Beispielsfällen der Frage nachgegangen, was die typischen Verfolgungsmuster sind. Wobei in diesem Bericht auch klargestellt wird, dass es unterschiedliche Formen der Verfolgung gibt: Es gibt zum Beispiel die Ausgrenzung. Es gibt aber auch schwere Strafen für Vergehen gegen die Vorgaben eines Staates, dass nur bestimmte Religionen zugelassen werden.
Dieser Bericht widmet ein besonderes Kapitel einem Thema, das zunehmend Anlass für Unterdrückung und Verfolgung ist, nämlich die Frage der Konversion. In Artikel 18 der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen steht nämlich nicht nur expressis verbis, dass jeder das Recht hat, seine Religion frei und öffentlich zu leben, sondern dort steht auch, dass jeder das Recht hat – weil dies zur Religionsfreiheit gehört –, seine Religion zu wechseln oder auch nichts zu glauben. Es gibt eine ganze Reihe von Staaten – vor allem islamische Staaten und Staaten, in denen Muslime die Mehrheit darstellen –, in denen der Wechsel vor allem aus der islamischen Religion mit Strafen, teilweise mit harten Strafen bedroht wird. Selbst in den Ländern, in denen die Religionsfreiheit in der Verfassung garantiert wird, gibt es in Gesetzen und Strafgesetzbüchern harte Sanktionen bei einem Wechsel, immer wieder auch mit dem Hinweis darauf, dass er dann bestraft wird, wenn er öffentliches Aufsehen erregt hat. Aber wer entscheidet darüber, was „öffentliches Aufsehen“ bedeutet? Wenn jemand die Religion wechselt und dies in einem kleinen Dorf bekannt wird, kann das natürlich zu Aufsehen führen, weil die Angehörigen der Religion, von der man gewechselt ist, dies publik machen. Diesem Punkt wird eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet.
Allerdings stellt der Bericht ein gewisses Problem für uns, die wir uns schon seit vielen Jahren und Jahrzehnten mit diesem Thema befassen, dar. Es wird nämlich vom klassischen Muster der sogenannten Länderberichte abgewichen. Jetzt kann man sagen: Gut, man kann ja ein neues Darstellungsverfahren wählen. – Aber warum gerade hier und beispielsweise nicht in dem Bericht zur Menschenrechtslage, der auch regelmäßig vorgelegt wird und in dem Beschreibungen nach Länderkategorien oder zumindest nach regionalen Kategorien erfolgen? Das führt dazu, dass man intensiv nachschauen muss, wo bzw. in welchen Kapiteln die entsprechenden Länder aufgeführt sind, und dann zusammentragen muss, was die Bundesregierung dazu meint, wie schlimm, wie tragisch oder wie auffällig die Verfolgungssituation in den verschiedenen Ländern ist. Das hat zur Folge, dass – sicher aus Versehen – auch das eine oder andere vergessen wird.
Ein Beispiel. Alle, die sich intensiv mit diesem Thema befassen, wissen, dass vor allem Pakistan mit seinen Blasphemiegesetzen eine besondere Sanktion im Bereich der Religionsfreiheit – in Anführungsstrichen – vorsieht. Schaue ich mir nun in diesem Bericht die verschiedenen Stellen an, an denen Pakistan aufgeführt wird, stelle ich fest: Dort steht, dass in Pakistan vor allem muslimische Minderheiten verfolgt werden. Es steht dort kein einziges Wort darüber, dass in Pakistan Christen verfolgt werden, und dies vor dem Hintergrund – das muss ich der Bundesregierung schon sagen –, dass wir alle seit Jahren, auch hier in diesem Haus, mit großer Sorge das Schicksal von Asia Bibi verfolgen, die mit ihren fünf Kindern noch immer im Gefängnis sitzt. Das letzte Urteil ist noch immer nicht gesprochen. Wir müssen immer noch bangen, dass das Todesurteil gegen sie nicht doch vollstreckt wird. Dass in dem Bericht im Zusammenhang mit Pakistan das Thema „Christen und Asia Bibi“ nicht erwähnt wird, ist nicht akzeptabel, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir finden in diesem Bericht auch neue Begrifflichkeiten, die im Menschenrechtsbericht nicht auftauchen, etwa „antimuslimischer Rassismus“. Gleichzeitig wird die sogenannte Christianophobie, die im Menschenrechtsbericht noch ausdrücklich benannt wird, in diesem Bericht gar nicht aufgeführt. Der Hinweis auf antimuslimischen Rassismus ist außerordentlich schwierig. Bei der Einführung dieses Begriffs hätte man zumindest einen Hinweis auf die sehr intensive Diskussion über diesen Begriff – ob man so etwas überhaupt sagen kann – erwarten können.
Ein Letztes. Wenn wir uns anschauen, was in dieser Welt passiert, dann sehen wir, dass Angehörige von Minderheiten bis hin zum Tod verfolgt werden. Ich denke dabei beispielsweise auch an Muslime im Irak. Allerdings steht in diesem Bericht nur relativ wenig – um nicht zu sagen: fast nichts – darüber, dass die Christen die größte verfolgte Gruppe in der ganzen Welt sind – mindestens 100 Millionen Menschen –, und er enthält beispielsweise auch keine Hinweise auf Boko Haram in Afrika. Das zeigt schon, dass wir uns in der Diskussion im Ausschuss mit diesem Punkt noch einmal ausdrücklich befassen müssen. Hier reicht der Hinweis auf den Bericht der beiden großen Kirchen, der evangelischen und der katholischen Kirche – und ich füge hinzu: auch der jährliche Bericht von Open Doors zu diesem Thema wurde wahrscheinlich vergessen –, nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Man fragt sich, ob es in dieser Frage nicht doch notwendig wäre, dem Beispiel anderer Staaten zu folgen. Die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und Norwegen beispielsweise haben bzw. hatten einen Sonderbotschafter für Religionsfreiheit. Bisher wurde dies aus der Bundesregierung immer mit dem Hinweis abgelehnt: Wir haben ja einen Menschenrechtsbeauftragten. – Aber man sieht deutlich, dass Menschenrechte im Allgemeinen und Religionsfreiheit im Besonderen unterschiedliche Ansatzpunkte haben. Gerade deshalb, weil wir jetzt erleben, dass Religion zu einem dramatischen Thema politischer Auseinandersetzungen wird – bis hin zu der Frage von Krieg und Frieden –, würde ich mir wünschen, dass wir uns mit dieser Frage noch einmal ausführlich beschäftigen.
Wir hatten in der letzten Woche eine große internationale Parlamentarierkonferenz zum Thema Religionsfreiheit hier in Berlin in unserem Fraktionssitzungssaal. Alle Religionen waren dort vertreten, und wir haben teilweise dramatische Berichte von Abgeordneten gehört, die Minderheiten angehören. Besonders dramatisch war der Bericht einer Kollegin aus Pakistan, die dargelegt hat, wie es in diesem Land aussieht. Deswegen sollten wir uns, glaube ich, in den Beratungen des Ausschusses noch einmal ausführlich mit dieser Frage befassen.
Ich fasse zusammen: Wir sind dankbar, dass die Bundesregierung diesen Bericht erstmals vorgelegt hat. Ich weiß aus vielen Besuchen bei deutschen Botschaften in der ganzen Welt, dass sie unglaublich gute Informationen über die konkrete Situation im jeweiligen Land haben und uns darüber auch sehr pointiert berichten. Ich würde mir wünschen, dass in einem neuen Bericht darüber mehr zu lesen wäre.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der nächste Redner ist Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7006750 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 191 |
Tagesordnungspunkt | Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit |