Frank SchwabeSPD - Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ich will mich beim Auswärtigen Amt ausdrücklich dafür bedanken, dass wir diesen Bericht vorliegen haben und ihn heute debattieren können. Ich will mich gerade deshalb bedanken, weil er eben nicht im Detail einzelne Vorkommnisse in einzelnen Ländern beschreibt – es gibt nämlich ganz viele solcher Berichte –, sondern weil er uns – ich glaube, das gibt uns viel mehr Gelegenheit, in der Tiefe zu diskutieren – die Systematik von Verletzungen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit oder auf Freiheit von Religion deutlich macht.
Diese Systematik fällt nicht vom Himmel, vielmehr basiert sie maßgeblich auf der Arbeit von Herrn Professor Heiner Bielefeldt, die er seit sechs Jahren als Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Religions- und Weltanschauungsfreiheit geleistet hat, im Übrigen unterstützt und mitfinanziert durch die Bundesrepublik Deutschland. Er hat, wie gesagt, maßgeblich an diesem Bericht mitgewirkt. Ich glaube, dieser Bericht gibt eine neue Tiefe, eine neue Schärfe und uns eine neue Möglichkeit, uns mit der Frage der Religionsfreiheit auseinanderzusetzen. Ich will an dieser Stelle, vielleicht im Namen des ganzen Hauses, Herrn Professor Bielefeldt für diese Arbeit ganz herzlich danken.
(Beifall im ganzen Hause)
Ich will mich aber auch bei den Fraktionen bedanken, die sich in unterschiedlicher Art und Weise eingebracht haben. Dass es diesen Bericht der Bundesregierung gibt, basiert auf einem Antrag und einem Beschluss des Bundestags. Ich will mich auch bei denjenigen bedanken, die in den einzelnen Fraktionen für Kirchenfragen zuständig sind: bei Herrn Dr. Jung von der Union, bei Volker Beck, der gleich noch sprechen wird, aber auch bei Kerstin Griese, die heute leider nicht hier sein kann, weil sie in Kirchenfragen unterwegs ist. Es gab einen konstruktiven Dialog über die Frage, wie der Bericht von denjenigen, die in den Fraktionen für Kirchenpolitik zuständig sind, und denjenigen, die sich hier im Bundestag auf umfassende Weise für Menschenrechtsfragen zuständig fühlen, erstellt werden soll.
Es handelt sich um einen hochinteressanten Bericht, weil er, wie gesagt, nicht enumerativ die Situation in den einzelnen Ländern aufzeigt. Vielmehr gibt er Einblick darin, dass Religionsfreiheit immer etwas mit der allgemeinen Lage in den einzelnen Ländern zu tun hat. In den betreffenden Ländern ist nämlich nicht nur die Religionsfreiheit gefährdet. Vielmehr hat das auch etwas mit den Grundstrukturen der Einschränkung von Menschenrechten zu tun; das macht dieser Bericht deutlich. Der Bericht macht im Übrigen auch deutlich – es ist spannend, sich mit dieser Frage zu befassen; das ist die Aufgabe von Heiner Bielefeldt in den letzten sechs Jahren gewesen –, wie unterschiedliche Grund- und Menschenrechte sich überschneiden und miteinander kollidieren können. So werden gelegentlich im Namen der Religionsfreiheit andere Rechte, zum Beispiel die Rechte von Frauen in den Bereichen Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit, infrage gestellt. Hier einen Ausgleich herzustellen, darüber zumindest zu reden und das zu problematisieren, das leistet der vorliegende Bericht eben auch.
Noch einmal: Religionsfreiheit kann nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr hängt sie mit Menschenrechtsfragen und dem Menschenrechtsklima in den Ländern zusammen. Deswegen wünsche ich mir für die Zukunft, dass Menschenrechtsberichte der Bundesregierung oder von Institutionen genau diese Abwägung vornehmen und eine Frage, beispielsweise die Religionsfreiheit, nicht isoliert betrachten, sondern im Zusammenhang darstellen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Christen stellen zweifellos die größte Gruppe dar und sind am meisten von Verfolgung betroffen. Aber in der Tat sind alle Religionen von Verfolgung betroffen, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Das hängt von der spezifischen Situation in den jeweiligen Ländern ab. Ich will ausdrücklich sagen: Es ist falsch, nur auf das Christentum zu fokussieren, wie es gerade in Ungarn geschieht. Dort soll eine Behörde geschaffen werden, die sich um den Schutz verfolgter Christen in der Welt kümmert. Das ist richtig, ganz zweifellos richtig. Aber es hilft auch verfolgten Christen nicht so sehr, wenn man nur darauf fokussiert. Es hilft auch Christen, wenn wir Verfolgung aus religiösen Gründen weltweit in den Blick nehmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Man muss zudem deutlich machen, dass es im Kern häufig gar nicht um religiöse Auseinandersetzungen geht. Vielmehr geht es oft um machtpolitische Auseinandersetzungen. Ländern werden religiöse Konflikte geradezu aufgedrückt. Auch das zu erwähnen, gehört zur Debatte.
(Beifall bei der SPD)
Worum es überhaupt nicht geht – das behauptet hier auch niemand, aber das wird ja gelegentlich draußen im Land behauptet –, das ist die Frage, ob es einen Kampf zwischen dem Christentum und dem Islam gibt. Wenn man sich die Lage realistisch anschaut, dann stellt man fest, dass es sich bei vielen Konflikten eher um innerislamische Konflikte handelt oder es um Fragen der Glaubensauslegung geht. Zweifellos werden Christen in Nordkorea verfolgt. Aber ich selber habe im letzten Jahr gesehen, dass buddhistische Mönche in Myanmar gegen die muslimische Minderheit der Rohingya hetzen; das hätte ich mir zuvor nicht vorstellen können. Es gibt hinduistische Eiferer in Indien, die gegen Muslime und Christen hetzen. Alles das gibt es leider.
Es ist wichtig, das zu betrachten, aber es fällt auch relativ leicht, nach außen zu schauen, zu gucken, was in der Welt los ist und welche Probleme die einzelnen Länder mit der Religionsfreiheit haben. Viel schwieriger ist jedoch, sich mit der Situation im eigenen Land – zum Glück in anderer Ausprägung – auseinanderzusetzen. In Deutschland gibt es Debatten darüber, die Religionsfreiheit möglicherweise einzuschränken. Es ist schwierig, sich damit auseinanderzusetzen, weil es Mechanismen, bei denen die Frage der Religionsausübung für machtpolitische Konflikte benutzt wird, in jedem Land der Welt, also auch in Deutschland, gibt. Die größte Minderheit in Deutschland sind – darauf hat Herr Gysi gerade hingewiesen – die Muslime. Man muss nicht besonders darauf hinweisen, dass in Zeiten von Terrorgefahren eine hochkritische Debatte über das Recht von Muslimen auf Religionsausübung geführt wird. In Deutschland gibt es zum Glück das Grund- und Menschenrecht auf Religionsfreiheit. Das heißt – das müssen wir dann aber auch deutlich sagen –, dass alle Menschen in diesem Land das Recht haben, zum Beispiel Gotteshäuser zu bauen. Dazu gehören auch Moscheen, und das sind dann Moscheen mit Minaretten.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Damit überhaupt nicht vereinbar – da wundere ich mich über manche aktuelle Debatte – ist die Überlegung, Quoten für Flüchtlinge nach religiöser Zugehörigkeit einzuführen. Das sind Vorstellungen, die mit der Religionsfreiheit in diesem Land überhaupt nicht vereinbar sind.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Verfassungsfeindlich!)
Ich wünsche mir, dass dieser wirklich hervorragende Bericht, der, glaube ich, auch für andere Länder dieser Welt wegweisend ist, Anlass gibt, über Religionsfreiheit in der Welt nachzudenken, und uns ermuntert, aufzustehen und sich, wenn man in anderen Ländern der Welt unterwegs ist, zu Wort zu melden und laut dafür einzutreten, wie zum Beispiel Herr Kauder das tut. Ich wünsche mir auch, dass er Anlass ist, einmal innezuhalten und darüber nachzudenken, was Religionsfreiheit gerade im Zusammenhang mit den aktuellen Fragen auch für dieses Land bedeutet. Es geht eben nicht nur um Kämpfe gegeneinander, sondern es geht darum, zu erkennen, dass es in manchen Ländern bestimmte Strukturen gibt, die die Religionsfreiheit, aber auch die Menschenrechte insgesamt gefährden. Das zusammen zu sehen, ist, glaube ich, die große Stärke dieses Berichts.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält der Kollege Volker Beck das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7006754 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 191 |
Tagesordnungspunkt | Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit |