23.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 191 / Tagesordnungspunkt 38

Angelika GlöcknerSPD - Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über den Bericht der Bundesregierung zur Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit weltweit. Ich finde, das ist gut so; denn gerade mit Blick auf die vielen weltweiten Krisen und Konflikte ist dies von besonderer Bedeutung. Mein Dank geht ebenfalls an das Auswärtige Amt und allen voran an Herrn Außenminister Frank-Walter Steinmeier für diesen umfassenden Bericht.

In Deutschland ist die Religions- und Glaubensfreiheit ein Rechtsgut von höchstem Rang. Danach steht es dem Individuum frei, seinen Glauben zu bilden, danach zu leben, ihn zu äußern, und ebenso steht es ihm frei, sich danach zu verhalten, oder auch, sich keinem Glauben zuzuwenden. Außerdem steht es dem Individuum frei, den Glauben zu wechseln. Das alles zeigt, wie umfassend der Schutzzweck dieser Norm ist und was es heißt, seine Religions- und Glaubensfreiheit ausüben zu können.

Der Bericht hebt deutlich hervor, dass aufgrund der Universalität dieses Menschenrechts der Schutz in der ganzen Welt gelten muss. Aber dem ist mitnichten so. In vielen Teilen dieser Welt ist Religionsfreiheit schlichtweg nicht existent oder im besten Fall bedroht. Daher finde ich es gut, dass wir heute darüber diskutieren, wie Lebenssituationen betroffener Menschen verändert werden können. Ich finde den Bericht in seiner Gesamtheit sehr aufklärend. Es sind sehr viele gute Ergebnisse enthalten. Ich will auf zwei Punkte besonders eingehen.

Erstens wird darauf hingewiesen, dass es ganz unterschiedliche Formen von Verletzungen des Rechts auf Religionsfreiheit gibt. Diese können sich zeigen im erschwerten Zugang zu Bildung, zu öffentlichen Ämtern bzw. Mandaten oder in der Verweigerung, eine Nationalität anzuerkennen oder Pässe auszustellen. Es kann einen Verstoß aus Familien geben, bis hin zu Folter, Vertreibung und im schlimmsten Fall sogar Tod. Menschenrechtsverletzungen finden in allen Systemen, in allen Regionen weltweit statt. Das zeigt aber auch, wie folgerichtig es ist, dass der Bericht dieses Thema so differenziert beleuchtet; denn so verschieden die Formen der Menschenrechtsverletzungen ausfallen, so unterschiedlich muss ihnen entgegengewirkt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens erfolgt der Hinweis, dass Religionen von Regimen oft missbraucht werden, um den eigenen Machtanspruch zu untermauern und Minderheiten zu unterdrücken. Wir kennen das von den Rohingya-Muslimen in Myanmar oder auch von der Gewalt gegen Christen und Muslime in Indien. Es kommt auch vor, dass Staaten ihre Bevölkerung nicht vor Menschenrechtsverletzungen schützen können oder wollen, etwa weil das Staatssystem sehr zerbrechlich ist – Syrien, Irak, Nordafrika und die Länder der Sahelzone sind gute Beispiele – oder weil anstelle von Staatlichkeit Korruption und Willkür vorherrschen, so wie es in Saudi-Arabien oder Iran der Fall ist. All diesen Gewalttaten und Einschränkungen ist gemein, dass die Religion meist nur als Argument in­strumentalisiert wird und eben nicht ursächlich ist für Gewalt, Verfolgung und Diskriminierung.

Gemein ist all diesen Verbrechen aber auch, dass sie fast immer in Staaten vorkommen, in denen auch weitere Menschen- und Freiheitsrechte nicht garantiert sind. Deshalb darf Religionsfreiheit nicht losgelöst von anderen Menschenrechten betrachtet werden. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Staaten sich allen Menschenrechten verpflichtet fühlen. Das gilt insbesondere für Freiheitsrechte wie die Meinungsfreiheit oder die Pressefreiheit und eben auch die Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Wie stark sich Deutschland bereits heute dafür macht, zeigt der Einsatz in vielen Gremien, etwa den Vereinten Nationen, der EU, der OSZE oder dem Europarat. Wir sind in vielen Ländern an Projekten zur Förderung von Bildung und einer effektiven Justiz beteiligt sowie an Projekten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, die Vertrauen zwischen religiösen Gruppen schaffen und Vorbehalte abbauen.

Meine Damen und Herren, ich finde, das ist ein ganz wesentlicher Punkt; denn es kommt, wenn wir über Religions- und Weltanschauungsfreiheit reden, sehr maßgeblich darauf an, dass es gelingt, unterschiedliche Religionsgemeinschaften zusammenleben zu lassen.

(Beifall bei der SPD)

Ganz besonders gilt es aber auch, den Dialog mit den Verantwortlichen und Machthabern dieser Welt nicht abreißen zu lassen und immer nach politischen Lösungen zu suchen. Ich bin unserem Außenminister Frank-Walter Steinmeier sehr dankbar, dass er ein vehementer Verfechter des ständigen Dialogs und politischer Lösungen ist und zu jeder Zeit in allen Krisengebieten dieser Welt unterwegs ist.

Bei allem, was wir tun, um Religionsfreiheit in der Welt voranzubringen, müssen wir aber auch die Situation im eigenen Land und in Europa immer wieder selbst reflektieren. Die Situation in Deutschland in Bezug auf die Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist gut. Wir haben eine exzellent funktionierende Rechtsstaatlichkeit. Alle Menschen in unserem Land unterstehen dem Schutz des Artikels 4 unseres Grundgesetzes und haben das Recht, ihre Religion oder Weltanschauung frei zu entfalten. Wenn sie sich darin beeinträchtigt fühlen, können sie ihr Recht ohne Angst vor Repressionen einklagen. Wir müssen alles dafür tun, dass dies auch so bleibt.

Gerade in den letzten Monaten wurden immer wieder Vorschläge in die öffentliche Diskussion eingebracht, die mich mit Blick auf die Religions- und Glaubensfreiheit betroffen machen. Wir selbst wollen in unserem Land frei leben. Wenn wir dies selbst wollen, dann müssen wir dies aber auch für andere gelten lassen. Es gibt kein Gleich und Gleicher; auch das gebietet unser Grundgesetz. Forderungen wie die, Zuwanderer aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis vorzuziehen, haben nach den Grundsätzen, über die wir heute sprechen, hier keinen Platz.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich wünsche mir, dass auch der Koalitionspartner mit Blick auf die heutige Diskussion noch einmal darüber nachdenkt. Genau so, auf Basis dieser Werte und eingebunden in eine feste Wertegemeinschaft mit den europäischen Partnerstaaten, ist es uns gelungen, Deutschland zu dem zu machen, was es heute ist: ein sehr wohlhabendes und hochangesehenes Land, ein Land, auf das man stolz sein kann. Darüber sollte man nachdenken, bevor man jenen nacheifert, die ebendiese Werte infrage stellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort erhält nun die Kollegin Erika Steinbach von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006763
Wahlperiode 18
Sitzung 191
Tagesordnungspunkt Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit
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