23.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 191 / Tagesordnungspunkt 38

Heribert HirteCDU/CSU - Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werfen Sie einmal einen Blick auf die Uhr: Es ist jetzt gleich halb elf. Das ist sozusagen die Primetime in den Plenardebatten. Dass wir hier heute im Deutschen Bundestag an so prominenter Stelle über die Religions- und Glaubensfreiheit reden können, und das, um im Bild zu bleiben, fast in voller Spielfilmlänge, das freut mich. Es freut mich als Christ, es freut mich als Vorsitzender des Stephanuskreises, und es freut mich auch als Jurist. Denn es zeigt: Wir sehen das Menschenrecht der Religions- und Glaubensfreiheit nicht als bloße Rechtsgrundlage, die in zahlreichen internationalen und regionalen Menschenrechtskonventionen und natürlich in unserer eigenen Verfassung verankert ist, nein, wir sehen die Religionsfreiheit als ein Freiheitsrecht jedes Einzelnen an, ein Freiheitsrecht, das besonders lebendig in einer Gesellschaft gelebt werden kann, wenn wir es in die Hand nehmen und so wie hier heute in die Höhe halten.

Für uns ist das selbstverständlich. Aber Religions- und Glaubensfreiheit ist kein Thema, das irgendeine Region dieser Welt auf ihrer To-do-Liste abhaken könnte, selbst wenn wir nicht Gegenstand des vorliegenden Berichts sind. Angesichts einer religiös und kulturell vielfältiger werdenden Gesellschaft spüren wir es deutlich: Die Religionsfreiheit ist ein umkämpftes Recht. Dabei ist nach meiner Einschätzung in unserem christlich geprägten Deutschland das, was uns ernsthaft zu schaffen macht, vor allen Dingen die religiöse Bildungslücke in unserer eigenen Gesellschaft. Immer mehr junge Menschen können auf den lieben Gott ganz gut verzichten, aber nicht auf das Internet. Doch eine Gesellschaft, die ihre eigenen religiösen Wurzeln nicht mehr kennt, teilweise sogar bewusst ignoriert, kann kaum Verständnis für Menschen aufbringen, die offen und mit Nachdruck für ihren eigenen Glauben eintreten,

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

seien es zu uns geflüchtete Muslime, Christen oder Angehörige anderer Religionsgruppen.

Um das an dieser Stelle gleich klar zu sagen: Bei uns in Deutschland und in ganz Europa ist die Religions- und Glaubensfreiheit besser umgesetzt als in vielen anderen Regionen dieser Welt. Deshalb haben wir eine besondere Vorbildfunktion und Verantwortung. Wir Parlamentarier sind in der Lage, mit dem Finger auf Missstände in anderen Ländern zu zeigen – das tun wir hier jetzt gerade auch –, aber dieser Fingerzeig sollte vor allen Dingen als Handreichung dienen, damit Parlamentarier aus anderen Staaten von uns lernen können und umgekehrt wir auch von ihnen.

Ein gelungenes Beispiel für dieses gegenseitige An-die-Hand-Nehmen ist die Parlamentarierkonferenz, die letzte Woche hier in Berlin zur Religionsfreiheit stattgefunden hat. Auf Einladung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion konnten wir hier in Berlin über 100 Parlamentarier verschiedenster Glaubensrichtungen, aller Glaubensrichtungen, aus über 50 Ländern dieser Welt begrüßen. Wir werden und wollen uns auch in Zukunft regelmäßig treffen. Wir werden weiter den Finger in die Wunde legen, und wir werden weiter gemeinsame Appelle an die Regierungen richten, die die Religionsfreiheit missachten. Wir werden nicht aufhören, dieses Freiheitsrecht weiter einzufordern, so lange, bis es für alle gilt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Je enger wir uns international vernetzen und je enger wir zusammenarbeiten, desto erfolgreicher sind wir. Denn – das muss man klar sagen – öffentlicher Druck von allen Seiten hilft. Kein Staat der Welt, auch nicht Nordkorea, möchte ewig am Pranger stehen. Das zweite Land, das in diesem Zusammenhang zu nennen ist, ist Saudi-Arabien.

Unsere Fraktion setzt sich mit Volker Kauder an der Spitze bereits seit vielen Jahren engagiert für die Religionsfreiheit in aller Welt ein.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und für Panzer nach Saudi-Arabien!)

Seit dieser Legislaturperiode leite ich den Stephanus­kreis, an dem sich ein Drittel unserer Fraktion aktiv beteiligt. Hier legen wir den Fokus auf Christen, die aufgrund ihres Glaubens diskriminiert und verfolgt werden. Wir laden diese Menschen zu uns ein. Wir reisen zu ihnen in die verschiedenen Regionen der Welt und zeigen ihnen so: Wir sind für euch da. Wir hören euch und sehen euer Leid. Wir setzen uns für euch ein.

Wenn wir den Fokus auf die Christen richten, dann heißt das aber nicht, dass wir andere Religionsgruppen benachteiligen. Wenn wir für die Rechte von Christen kämpfen, dann kämpfen wir für alle religiösen Minderheiten, damit alle ihren Glauben frei und offen leben können. Denn überall dort, wo Religionsfreiheit fehlt – Volker Beck hat das eben deutlich gesagt –, sind auch Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit beeinträchtigt und die Freiheit von Mann und Frau in Gefahr.

Unsere effizienteste Waffe im Kampf für die Religionsfreiheit – ich kann das nicht oft genug sagen – ist das Wort. Der interreligiöse Dialog öffnet Türen, die einem durch Drohungen und Sanktionen verschlossen bleiben; das hat Kollege Silberhorn eben schon angesprochen.

Wir sind dankbar dafür, dass die Bundeskanzlerin auf ihren vielen Reisen auch dieses Themenfeld immer wieder anspricht. Auch die Entwicklungspolitik unserer Regierung besteht zu einem erheblichen Teil aus dem Eintreten für die Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Aber die Frage ist: Wie soll es weitergehen? Ein wichtiges Signal ist, dass auf unsere Initiative der europäische Sonderbotschafter Figel bestellt wurde. Aber ich glaube, wir müssen noch einen Schritt weitergehen – Volker Kauder hat es angesprochen –: Wir müssen über eine ähnliche Institution auch bei der Bundesregierung nachdenken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen umfassenden Bericht der Bundesregierung vorliegen, der deutlich macht, welche Maßnahmen unternommen wurden und welche Aufgaben noch vor uns liegen. Deshalb müssen wir unseren Worten Taten folgen lassen, damit Christen, Muslime, Juden, Aleviten, Jesiden, Bahai und die vielen anderen unterdrückten Religionsgruppen endlich so leben können – da zitiere ich den Kölner Kardinal Woelki –, „wie es Gott gefällt: aufrecht und frei“.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006779
Wahlperiode 18
Sitzung 191
Tagesordnungspunkt Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit
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