23.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 191 / Tagesordnungspunkt 9

Rüdiger VeitSPD - Erleichterung der Einbürgerung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist kein Versehen, dass ich mich zweimal auf die Rednerliste habe setzen lassen, aber eigentlich braucht der Gegenstand der Debatte nicht so viele Worte, dass ich dafür eine Redezeit von 16 Minuten bräuchte. Ich hoffe, es geht kürzer, aber möglicherweise ergibt sich die Notwendigkeit – das hängt von den weiteren Rednern ab –, noch einmal etwas zu dem zu sagen, was in der Zwischenzeit von diesem Pult aus geäußert worden ist.

Es geht hier und heute nicht um eine Zwangsgermanisierung von Briten, lieber Stephan Mayer – das war, glaube ich, ein verbaler Ausrutscher –,

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein! Das hat er ernst gemeint! – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Kein Ausrutscher!)

sondern es gilt der Satz von Volker Beck, dass Briten uns grundsätzlich sehr willkommen sind – da macht sicherlich auch die Union keine Ausnahme – und es damit im Prinzip wünschenswert wäre, wenn sich viele von ihnen, die die Voraussetzungen erfüllen, bei uns einbürgern lassen. Ich glaube, das ist ein Ziel, das uns eint.

Es wird Sie nicht wundern, dass wir Sozialdemokraten dem grundsätzlich offen gegenüberstehen. Denn schließlich war es unser Parteivorsitzender, der das Urheberrecht für diese Idee in Anspruch nehmen kann.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)

– In der Tat, Claudia Roth. Ich habe das Zitat in meinen Unterlagen. Ich kann es gerne noch einmal heraussuchen und dir geben. Er hat das in der Tat vorgeschlagen, und es ist richtig: grundsätzlich und für alle diejenigen, die schon in Deutschland leben.

Aber es bedarf hier weder einer Rechtsänderung – das haben die Grünen richtig erkannt – noch irgendwelcher Beschlüsse des Bundestages oder irgendwelcher Initiativen des Bundesinnenministers, weil nach den vorläufigen Verwaltungsvorschriften sehr wohl die Möglichkeit besteht, jedenfalls im Rahmen der Ermessenseinbürgerung, schon heute die Voraufenthaltszeiten von sieben bzw. acht Jahren auf drei Jahre deutlich zu verkürzen. Das ist ein Angebot, das jetzt schon für alle Briten auf dem Tisch liegt. Ich kann mir vorstellen, dass alle Einbürgerungsbehörden so vernünftig sind, auf diese besondere Situation, die nach dem Brexit entstanden ist, entsprechend zu reagieren und dann auch Ermessenseinbürgerungen auszusprechen.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir könnten durch einen Beschluss klarstellen, dass die Anwendungshinweise so zu verstehen sind!)

Die geltende Rechtslage und auch die hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften, übrigens auch die vorläufigen Anwendungshinweise aus dem letzten Jahr, müssen nicht noch einmal gesondert klargestellt werden.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal die Antwort von Herrn de Maizière auf unsere Kleine Anfrage!)

Da reicht es im Übrigen auch völlig aus, wenn die Einbürgerungsbehörden bei ihren gelegentlichen Zusammenkünften sich inhaltlich austauschen.

Ich will Ihnen aber auch sagen, wo nach meinem Dafürhalten ein bisschen Vorsicht angebracht ist. Ich habe eben gesagt: Für die bereits hier lebenden Briten sollten wir ein Angebot machen und eine flexible Lösung finden. Wovon ich aber nichts halte – das ist meine persönliche Auffassung –, ist, etwa über die Dauer eines dann vollzogenen Brexits hinaus den Briten Sonderrechte gegenüber allen anderen Europäern zu gewähren. Das wäre pädagogisch, glaube ich, der falsche Ansatz.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hatte der Kollege Mayer nicht verstanden! – Gegenruf des Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Das hat der schon verstanden!)

Das würde einen Anreiz in die falsche Richtung bieten.

Stattdessen wäre es wesentlich besser – Augenblick, ich komme jetzt zu eurem Antrag; hier grenze ich mich deutlich von Stephan Mayer ab, der für die Union gesprochen hat –,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

wenn wir insgesamt im Staatsbürgerschaftsrecht weitere Erleichterungen generell vornehmen würden, so wie es euer Gesetzentwurf, wie ich finde, richtigerweise an sehr vielen Stellen vorschlägt: genereller Verzicht auf das Verbot von Mehrstaatlichkeit, Verkürzung des Voraufenthaltes, Anrechnung von Voraufenthaltszeiten, Erleichterungen für Junge und Alte im Bereich der Notwendigkeit, den Lebensunterhalt zu bestreiten, und dergleichen Dinge mehr.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Alles, was in eurem Gesetzentwurf steht, ist aus der Sicht von Sozialdemokraten grundsätzlich zu unterstützen.

(Beifall des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn wir denn gekonnt hätten, hätten wir das nicht schon 1999, sondern vielleicht auch in der Folgezeit gemacht. Wenn wir denn gekonnt hätten heißt, wenn wir dafür die entsprechenden Mehrheiten hier in diesem Haus und im Bundesrat gehabt hätten. Das war aber leider nicht so. Ich setze die Geschichte als bekannt voraus und muss das jetzt nicht endlos wiederholen.

Jetzt ist es nicht unbedingt so, dass mich schon der beginnende Schmerz über die Trennung von dieser Koalition überkommt, wenn ich an das nächste Jahr denke. Aber eines muss klar sein: Wenn sich die Mehrheitsverhältnisse hier in diesem Haus nicht ändern und wenn es keine tragfähige Mehrheit gibt, die auch gegenüber einer Reform des Staatsbürgerschaftsrechts offen ist, dann wird sich, jedenfalls mit der Union, nichts ändern lassen.

Wir haben – um das klipp und klar zu sagen – im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen bekanntlich erreicht und hier entsprechend umgesetzt, dass das Optionsrecht liberalisiert worden ist, wenigstens für die hier in Deutschland geborenen Kinder und Jugendlichen. Das betrifft roundabout, so schätze ich, 95 Prozent. Mehr war mit der Union nicht zu machen.

Umgekehrt, Stephan Mayer, werden auch wir nicht von Vorschlägen der Union zur Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts – Stichwort „Terrorbekämpfung“ –, die über das, was in der Koalitionsvereinbarung steht, hinausgehen, begeistert sein. Auch das muss klar sein.

Aber um diesen Teil meiner Rede abzuschließen: Wir alle, die wir später noch im Parlament sitzen und im nächsten Jahr den Wahlkampf vor uns haben, müssen dafür sorgen, dass es die parlamentarischen Mehrheiten und eine darauf gestützte Regierung beim nächsten Mal gibt, um derartige Vorschläge, wie sie die Grünen jetzt gemacht haben, umsetzen zu können. In der derzeitigen Koalition geht das leider nicht. Ich betone das Wort „leider“, aber ich setze als bekannt voraus, dass wir dem Koalitionsvertrag bis zum Schluss treu sein müssen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Heiterkeit der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Tim Ostermann ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006795
Wahlperiode 18
Sitzung 191
Tagesordnungspunkt Erleichterung der Einbürgerung
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