23.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 191 / Tagesordnungspunkt 42

Gabriele SchmidtCDU/CSU - Wochenhöchstarbeitszeit

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Frau Präsidentin! Liebes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir reden heute wieder einmal über Arbeitszeit, Arbeitsschutz, Arbeitnehmerrechte. Es scheint überhaupt die Woche des unterdrückten, geknechteten Proletariats zu sein:

(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Was soll denn das?)

gestern die Leiharbeiter und die Menschen mit Behinderung, heute die Vielarbeiter und die Gestressten.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sehr sachlich! Sie belasten den Stil der Debatte!)

– Sachlich, gerne. – Wir haben zum Glück die Opposition,

(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

die sich um kürzere Arbeitszeiten für alle kümmert.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Genau!)

So, jetzt schalte ich den Ironiemodus einmal aus.

Der vorliegende Antrag ist einseitig und blendet die Realität der Arbeitswelt aus.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Quatsch!)

Arbeit ist keine Einbahnstraße – das versteht die Opposition eben nicht –; Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben naturgemäß unterschiedliche Wünsche und Vorstellungen. Um diese auszuhandeln, gibt es aus gutem Grund die Tarifpartner. Sie kommen ihrer Aufgabe seit fast 70 Jahren nach, mit dem Ergebnis einer florierenden Wirtschaft, eines partnerschaftlichen Verhältnisses der Akteure und weitestgehend zufriedener Arbeitnehmer.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht gibt es nebenbei noch ein bisschen Arbeitsrecht? Der Gesetzgeber ist dafür zuständig!)

Die Aufgabe der Politik ist es, Leitplanken zu schaffen, die für beide Seiten passen und den Bedürfnissen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gerecht werden.

(Uwe Lagosky [CDU/CSU]: So ist das!)

Beide gehören untrennbar zusammen; aber das scheint die Opposition gerne zu ignorieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Gesetzgeber muss nur dort Schutzgesetze erlassen, wo Arbeitnehmerrechte verletzt werden. Schutzgesetze gibt es eine ganze Menge; davon haben wir durch den Kollegen Lagosky schon gehört.

Eine zwangsweise Umverteilung der Arbeit und die Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten gehen an der Realität vorbei. Auch ich erinnere an die Debatte vom 28. April dieses Jahres, bei der wir den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu mehr Zeitsouveränität diskutiert haben. Dort wurde zum Beispiel kritisiert, dass 1,35 Milliarden Stunden nicht geleistet werden, weil die Wünsche der Beschäftigten nach mehr Arbeit nicht berücksichtigt werden. Ja was denn nun? Was stimmt denn nun? Es gibt Leute, die mehr arbeiten wollen, und es gibt Menschen, die weniger arbeiten wollen. Wir brauchen also keine gesetzlichen Vorschriften, wie im Antrag der Fraktion Die Linke gefordert, sondern größtmögliche Flexibilität und eine gesunde Balance zwischen Arbeitsgestaltung und Lebensführung der Arbeitnehmer auf der einen Seite und den Arbeitgeberinteressen auf der anderen Seite.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Offenbar gibt es Hürden für diese Flexibilität! Die muss man gesetzlich abbauen!)

Die Opposition unterschlägt – nicht nur heute – die bereits ergriffenen Maßnahmen,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Opposition? Das ist halt das Problem, wenn man erst eine Rede schreibt und dann zuhört!)

die die Arbeitsbedingungen und damit die Lebenssituation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeitgestaltung verbessern. Ich werde deshalb nicht müde, Sie an diese zu erinnern: an den Ausbau der Kindertagesstätten für die Versorgung der Kinder während der Arbeitszeiten, an die Milliarden Euro für Kitas und andere Familieninfrastrukturmaßnahmen, an das Elterngeld Plus, an die Familienpflegezeit. Das sind die richtigen Antworten.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Was machen wir gegen die Sonntagsarbeit, Kollegin? Sagen Sie mal irgendwas Konkretes, nicht nur Blabla!)

– Warten Sie einmal, bis Sie ins Krankenhaus kommen, Herr Ernst. Dann sind Sie froh, wenn am Sonntag einer arbeitet.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Warum brauchen wir den Deiwel am Sonntag? Warum? – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Mach einfach weiter, Gabriele! Das macht keinen Sinn!)

– Ja, ich mache einfach weiter. Man kann nur warten, bis es vorbei ist.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ihnen fehlt es ja schon an Flexibilität bei Ihrer Rede!)

Wir haben die richtigen Antworten auf die Herausforderungen, und wir haben die richtigen Maßnahmen, um auf individuelle Bedürfnisse der Arbeitnehmer zu reagieren. Wir schaffen den sozialen Ausgleich,

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Was wir machen, ist Blabla!)

und der im Koalitionsvertrag vereinbarte Rechtsanspruch auf Rückkehr aus Teilzeit in die frühere Arbeitszeit wird folgen.

In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Rede davon, dass insbesondere Frauen „sich oft unfreiwillig mit einer Teilzeitstelle begnügen“ müssen. Es scheint einfach nicht in Ihr Weltbild zu passen, dass sich ganz viele Arbeitnehmer und besonders viele Frauen freiwillig für Teilzeit entscheiden.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Genau!)

Sie reden von der Teilzeitfalle. Das wird durch ständiges Wiederholen nicht richtiger.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Sie müssen wieder zurückkönnen!)

Was ist denn so schlecht daran, wenn sich Frauen und Männer auf freiwilliger Basis und in Absprache mit den Arbeitgebern für Teilzeitarbeit entscheiden, um mehr Zeit für die Familienarbeit zu haben?

In Ihrem Antrag fordern Sie weiter ein definiertes Recht auf Nichterreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten. Sehr gut! Laut § 5 des Arbeitszeitgesetzes müssen Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben; das haben wir heute schon gehört. Das ist gut und richtig. Deswegen braucht es keinen neuen Antrag. Vielleicht müssen wir uns auch einmal selbstkritisch an die eigene Nase fassen: Wer von uns packt das Smartphone am Wochenende weg oder checkt am Sonntag keine E-Mails? Diese Frage betrifft nicht nur MdBs, sondern auch Arbeitnehmer, vielleicht auch unsere eigenen Mitarbeiter.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Selbstbestimmtes Arbeiten! Das ist ein Unterschied, Kollegin!)

Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, in seiner Freizeit erreichbar zu sein, von ganz wenigen begründeten Ausnahmen abgesehen. Und es gibt etliche Firmen, die ihren Angestellten geradezu verbieten, in der Freizeit zu arbeiten.

Was mir an diesem Antrag zuwiderläuft, ist erneut diese Gleichmacherei. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt nicht die Wirtschaft und die Unternehmen. Vielmehr gibt es einige Millionen Familienbetriebe und Kleinunternehmen. Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft und stellt den größten Teil der Arbeitsplätze. Er behandelt seine Arbeitnehmer gut. Jeder Arbeitgeber hat ein Interesse daran, dass es seinen Arbeitnehmern gut geht. Die zwangsweise Umverteilung der Arbeit wäre ein Rückschritt.

Über Stress haben wir heute auch schon sehr viel gehört. Stress lässt sich aber nicht verallgemeinern.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ihre Rede ist eigentlich nur peinlich!)

Hier wollen die Linken Ungleiches gleich behandeln. Stress ist extrem subjektiv. Sie zum Beispiel, Herr Ernst, scheinen Stress zu haben, wenn ich rede.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist eher lustig, Kollegin!)

– Ich freue mich, wenn ich Sie erfreuen kann. – Stress machen wir uns oft auch selbst. Einer empfindet schon Stress, wenn der Kollege noch locker weiterläuft. Stress ist übrigens nicht nur durch die Arbeit begründet.

Ich halte eine Anti-Stress-Verordnung für wenig praktikabel. Sie löst das Problem nicht, sorgt aber für mehr Bürokratie und Belastung der Arbeitgeber. Damit wäre keinem geholfen. Schon das geltende Arbeitsschutzgesetz enthält Maßnahmen zum Schutz der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter: Arbeitgeber sind verpflichtet, solche Maßnahmen zu treffen; das entspricht § 3 des Arbeitsschutzgesetzes. Psychische Gesundheitsbeurteilung ist auch geltendes Recht, geregelt in § 5 des Arbeitsschutzgesetzes. Behörden sind in der Lage, gegenüber Arbeitgebern Anordnungen zu treffen und Bußgelder zu verhängen; das steht in den §§ 22 und 25 des Arbeitsschutzgesetzes. Außerdem gibt es bereits Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. – Ich belasse es einmal dabei.

Das Beste aber habe ich mir für den Schluss aufgehoben – Zitat aus dem Antrag –:

Initiativen für mehr Zeitsouveränität und kollektive Arbeitszeitverkürzungen

– das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –

müssen die Arbeitgeber bei der Finanzierung des Lohnausfalls in die Pflicht nehmen.

Super, ehrlich! Was kommt als Nächstes? Null Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich?

(Zuruf von der LINKEN: Gute Idee! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Null Inhalt bei zehn Minuten Redezeit, Kollegin!)

Vor Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschützt werden. Mit Ihrer Politik zerstören Sie den Mittelstand, und damit ist niemandem geholfen.

Ich wünsche allen ein stress- und arbeitsfreies Wochenende. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat die Kollegin Helga Kühn-Mengel für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7007089
Wahlperiode 18
Sitzung 191
Tagesordnungspunkt Wochenhöchstarbeitszeit
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