Dieter StierCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Konsequenzen aus nicht tragbaren Verhältnissen in Tierställen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir bewerten heute den Fernsehbeitrag des Norddeutschen Rundfunks aus der Reihe Panorama von letzter Woche, doch diese Bewertungen werden meiner Meinung nach unterschiedlicher nicht ausfallen können.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um das Nichthandeln der Bundesregierung!)
Welche Bilder konnten wir sehen? Es waren Bilder, die den meisten Bürgerinnen und Bürgern in ihrer alltäglichen Lebenswelt fremd sind, und ja, es waren Aufnahmen von kranken und verletzten Tieren; daran gibt es nichts zu rütteln, die ausgestrahlten Bilder belegen das. Wir konnten zum Beispiel die Tötung eines Ferkels sehen, die nicht gesetzeskonform erfolgte. Solche Vorfälle sind abzustellen und auch zu ahnden. Deshalb ist eine kritische Befassung mit dem Gesehenen durchaus geboten. Meine Schlussfolgerungen sind aber vollkommen andere als die der Panorama- Redaktion.
(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wundert mich ja!)
Erstens. Die gezeigten Bilder belegen nicht den Alltag oder einen Dauerzustand in der deutschen Tierhaltung,
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerade das tun sie!)
wie Sie, lieber Kollege Ostendorff, uns das immer weismachen wollen, sondern sie sind jeweils Momentaufnahmen kranker Tiere; ein Zustand, der von den betroffenen Tierhaltern weder gewünscht noch gebilligt und schon gar nicht akzeptiert worden ist.
(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Aber zu verantworten!)
Die Verantwortlichen haben sich zum Teil der Kritik gestellt, und sie waren wie jeder verantwortungsbewusste Landwirt bestrebt, solche Vorfälle sofort abzustellen.
Zweitens. Zu den Tatsachen gehört aber leider auch, dass Erkrankungen und Verletzungen bei Tieren immer wieder auftreten können, dass Tiere auch verenden können, im konventionellen wie im Biobetrieb, und zwar im ganzen Land, nicht nur bei bestimmten Verbandsfunktionären. Das wird nie vollständig zu vermeiden sein. Keiner konnte den Bildern entnehmen, ob zum Beispiel eine Behandlung erfolgte. Auch die strengsten Vorschriften und die besten Tierärzte können Erkrankungen nicht verhindern.
Drittens will ich feststellen: In unserem Land gibt es die nötigen Gesetze und Regelungen. Diese sind im Vollzug von den Ländern umzusetzen. Das Tierwohl ist zu verbessern. Das ist in unser aller Sinn, und das bleibt eine Daueraufgabe.
Der eigentliche Skandal liegt für mich woanders. Er liegt in einer suggerierten Schlussfolgerung, die darauf abzielt, von den gesehenen Defiziten auf die gesamte deutsche Tierhaltung zu schließen.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Skandal ist nicht der Skandal, sondern darüber zu reden?)
Es ist für mich auch erschreckend, dass sich das beitragsfinanzierte öffentlich-rechtliche Fernsehen für eine solche Kampagne gegen die deutsche Landwirtschaft instrumentalisieren lässt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin fassungslos!)
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Auftrag, durch objektive Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie jetzt hier von der Lügenpresse reden, oder was?)
Bildung, Information und Beratung wären meiner Meinung nach seine Pflichten, stattdessen erleben wir erneut eine gezielte und bewusst gesteuerte einseitige Darstellung gegen Tierhalter,
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In welcher Partei sind Sie eigentlich!)
die jegliche Ausgewogenheit der Berichterstattung vermissen lässt.
Viertens. Richtig wäre es meiner Meinung nach gewesen, die Probleme umgehend dem zuständigen Veterinäramt zu melden, sie sofort abzustellen und sie nicht mit politischem Kalkül zu verwenden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Verbandsvertreter zu diskreditieren oder die ganze Branche zu verteufeln, das gehört nicht zum Aufgabenspektrum der ARD.
(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unfassbar!)
Die Mitarbeiter der landwirtschaftlichen Betriebe, die tagtäglich, auch sonn- und feiertags, die Nahrungsgrundlagen für alle Menschen in diesem Land bereitstellen, und das in einer Zeit, in der die Branche genügend Probleme zu bewältigen hat, haben es in der Gesamtheit nicht verdient, generell immer wieder an den Pranger gestellt zu werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht darum, an den Pranger zu stellen!)
Im Gegenteil: Wir sind ihnen für ihre Arbeit zu Dank verpflichtet. Das sollten wir immer wieder deutlich machen.
Lassen Sie mich abschließend noch auf einen anderen wichtigen Punkt eingehen. Für mit den geltenden Gesetzen unvereinbar halte ich die angewandten Methoden der Nachrichtenbeschaffung. Auch darüber müssen wir reden. Wer Einbrüche in Tierhaltungsanlagen großzügig als elementaren Bestandteil von Pressefreiheit interpretiert, der lebt außerhalb unserer Rechtsordnung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Eine Straftat mit einer anderen zu rechtfertigen, das kann kein gangbarer Weg sein.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tierschutz steht aber auch im Grundgesetz!)
Es ist abenteuerlich genug, wenn sich sogenannte Aktivisten unerlaubt Zutritt zu Betrieben verschaffen, dort, wie ein Fall im Bördekreis in meinem Heimatland Sachsen-Anhalt zeigt, auch noch unerlaubt Videoaufnahmen anfertigen und dann vom zuständigen Amtsgericht freigesprochen werden, weil sie sich auf den rechtfertigenden Notstand berufen durften.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Problem sind die anderen! Das Problem ist, dass man es herausgefunden hat?)
Auch ein derartiges Urteil ist ein falsches Signal. Ich erwarte, dass wir darüber reden. Ich erwarte, dass auch unser Justizminister dazu Stellung nimmt.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hui! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja der Hammer! Das gibt es ja gar nicht! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wir wussten schon, dass es peinlich wird!)
– Da können Sie gerne schreien; das ist meine Meinung. Wir haben es hier meiner Meinung nach mit einer Verschiebung des Wertesystems zu tun,
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, bei Ihnen!)
die zumindest ich so nicht mittragen kann.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, die Notwendigkeit eines effektiven Tierschutzes ist und bleibt unbestritten. Die deutschen Tierschutzstandards sind im europäischen und internationalen Vergleich hoch.
(Lachen bei der LINKEN)
Sie setzen Maßstäbe, die andere erst einmal erreichen müssen. Wir sollten uns daher von dramatisierten und kampagnenmäßig verbreiteten Verfehlungen nicht den Blick aufs Ganze verstellen lassen.
In der Summe bleiben wir Vorreiter im Tierschutz. Ich sage es Ihnen noch einmal: Den Tieren in unserem Land geht es insgesamt so gut wie noch nie.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kennen Sie die Bilder?)
Das Wort hat die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7009621 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 192 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Konsequenzen aus nicht tragbaren Verhältnissen in Tierställen |