28.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 192 / Zusatzpunkt 1

Wilhelm PriesmeierSPD - Aktuelle Stunde zu Konsequenzen aus nicht tragbaren Verhältnissen in Tierställen

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als tierschutzpolitischer Sprecher meiner Fraktion habe ich mich lange Zeit mit den verschiedensten Entwicklungen des Tierschutzrechtes beschäftigt. Wir haben im Laufe der Jahre einen Diskussionsprozess durchlaufen. Tierschutz ist zu einem zentralen Thema in der Gesellschaft geworden und wird auch in Zukunft die Entwicklungschancen vor allen Dingen des Veredelungssektors und vieler landwirtschaftlicher Betriebe und Familien ganz entscheidend bestimmen.

Deshalb haben mich die Bilder und auch die Videosequenzen, die ich mir angeschaut habe, als Tierarzt sehr betroffen gemacht. Denn, ich glaube, ich kann aufgrund meiner Ausbildung einschätzen, was chronisch ist. Entzündete Gelenke, Abszesse oder großflächige Wunden mit viel Granulationsgewebe entstehen nicht von heute auf morgen, sondern sind im Regelfall die Folge eines längeren Entzündungsprozesses; andere Tiere haben sich dort sozusagen auch bedient.

Wir wissen um die Schwierigkeiten in dem Sektor in Gänze. Wir wissen auch, dass solche Unterlassungen – so sehe ich das – in dem Zusammenhang nicht immer vorsätzlich oder absichtlich geschehen. Manchmal sind die Betriebe auch einfach überfordert: auf der einen Seite aufgrund der Erwartungen, die wir an sie haben, auf der anderen Seite im Hinblick auf die Möglichkeiten, die sie haben. Jeder, der einen Betrieb führt, hat dafür die Verantwortung zu tragen. Recht und Gesetz gelten für alle und für jeden. Da kann sich keiner ausnehmen, auch nicht diejenigen, die jetzt namhaft gemacht worden sind.

Der Bauernverband hat ja eine Klarstellung verlangt. Ich gehe davon aus, dass es eine Klarstellung geben wird. Ich hoffe im Sinne der jetzt namentlich Erwähnten und Betroffenen, dass sie nicht in der Weise betroffen sind, wie es auf diesen Bildern deutlich wird. Sie werden einen Vertrauensverlust erleiden. Das gilt erst recht für diejenigen, die, wie es zum Teil der Fall ist, eine öffentliche Funktion in Verbänden wahrnehmen. Das Kapital, das man hat und mit dem man überzeugen kann, ist die Glaubwürdigkeit. Wenn Aussage und Handeln nicht übereinstimmen, dann ist man nicht mehr glaubwürdig, dann bekommt man auch in den Funktionen, die man wahrnimmt, Probleme.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich kann daher nur appellieren, wenn denn einige Betroffene dabei sein sollten, die Vorgänge offen aufzuarbeiten und sich dazu zu bekennen. Dann wird es auch für die anderen Betriebe einfacher, die jetzt in Mithaftung genommen werden. Denn ein Nichtkenner, also jemand, der nicht regelmäßig in solchen Ställen ist, weiß nicht, wie es dort zugeht, sondern er vermutet etwas. Deshalb ist es meiner Einschätzung nach sehr wichtig, dass Transparenz gewährleistet wird. Wir brauchen Transparenz, Offenheit und Klarheit. Wir brauchen auch die Bereitschaft, am Schlachthof erhobene Befunde zu dokumentieren und zugänglich zu machen, damit wir die Vorgänge nachvollziehen können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Dazu gehört zum Beispiel die Betrachtung der Mortalitätsrate; sie ist der wichtigste Indikator, wenn man eine Aussage über den Hygienezustand eines Betriebes treffen will. Dazu gehören aber auch weitere Faktoren, die einzubeziehen sind, auch wenn es um die Weiterentwicklung unseres Tierschutzrechtes geht.

Das, was wir an Tierschutzrichtlinien auf europäischer Ebene haben, ist eine Schweinehaltungsrichtlinie von 1991, bei der wir in Deutschland nach langem Hin und Her nur die vorgegebenen Mindeststandards umgesetzt haben, nicht mehr. Der angekündigte Bericht, der 2008 vorliegen und eine Bewertung enthalten sollte, ist auf europäischer Ebene nie aufgetaucht. Das macht deutlich, dass wir in der Gesellschaft zwar heftig über dieses Thema debattieren, dass es aber auf anderen Ebenen und zum Teil auch in anderen europäischen Mitgliedstaaten nicht die Bedeutung hat, die es bei uns hat.

Wir sollten im Sinne unserer Betriebe und ihrer Wettbewerbsfähigkeit dafür sorgen, dass wir auch im Hinblick auf den europäischen Rechtsrahmen gleiche Bedingungen und Voraussetzungen haben. Wichtig ist vor allen Dingen, dass derjenige, der bereit ist, höhere Standards umzusetzen und den Tierschutzanforderungen besser zu entsprechen, für sein Produkt besser bezahlt wird. Deshalb halte ich es für vernünftig und richtig, solche Produkte klar zu kennzeichnen. Was die Bemühungen betrifft, im Rahmen der verschiedensten Strukturen in Schritten voranzugehen, muss man schauen, ob sie dauerhaft Bestand haben.

Verglichen mit dem, was der Lebensmitteleinzelhandel und andere, die an der Landwirtschaft verdienen und ihre Wertschöpfung daraus ziehen, übrig haben, hat ein Landwirt im Regelfall zwar ein höheres Risiko, aber weniger übrig. Das ist der Punkt, an dem wir ansetzen müssen. Wir müssen auch den Unternehmen und Betrieben deutlich machen, dass es so nicht weitergehen kann. Da macht es wenig Sinn, Vorgänge zu skandalisieren und jemanden in die Ecke zu stellen. Das alleine löst das Problem nicht. Ich kann an diejenigen, die jetzt betroffen sind, nur appellieren: Ändern Sie die Bedingungen in Ihren Beständen, und gestalten Sie Ihre Bestände so, dass man jederzeit hineinschauen kann!

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Videoüberwachung!)

Auch derjenige, der vielleicht zu einer anderen Einschätzung kommt, weil er mit der Landwirtschaft nicht viel zu tun hat, sollte hineinschauen dürfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Kollegin Marlene Mortler für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7009630
Wahlperiode 18
Sitzung 192
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Konsequenzen aus nicht tragbaren Verhältnissen in Tierställen
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