28.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 192 / Zusatzpunkt 1

Christina Jantz-HerrmannSPD - Aktuelle Stunde zu Konsequenzen aus nicht tragbaren Verhältnissen in Tierställen

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute in der Aktuellen Stunde „über nicht tragbare Verhältnisse in Tierställen“. Aktuell ist das Thema, ja. Doch neu ist es wahrlich nicht. Betroffen macht es jedes Mal aufs Neue.

Jedem, der sich mit dem Thema Nutztierhaltung befasst, ist leider bekannt, dass es in den Ställen große Missstände in Sachen artgerechte Tierhaltung geben kann.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider!)

Hier darf man aber nicht der Versuchung erliegen, nur die konventionelle Landwirtschaft zu nennen. Dennoch ist gerade sie besonders gefährdet, den Tierschutz dem Profit unterzuordnen. Sie steht aktuell wie keine andere Form der Landwirtschaft unter dem ökonomischen Druck.

Was zeigt uns die aktuelle Debatte? Erstens. Sie zeigt uns, dass die tierschutzrechtlichen Vorschriften hierzulande offensichtlich immer noch unzureichend sind.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Sie zeigt, dass selbst die unzureichenden geltenden Regelungen noch lange nicht eingehalten werden. Drittens. Sie zeigt, dass die Kontrollmechanismen vor Ort oft nicht greifen.

Ich erwarte daher, dass die Kontrollbehörden ihre Arbeit nun kritisch hinterfragen. Die Beschaffung des Bildmaterials kann und muss – das klang hier an – sicher kritisiert werden. Doch sie scheint immer noch effektiver zu sein als die behördlichen Kontrollen.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider! Leider!)

Auch die Spitzenfunktionäre der Agrarverbände sollten ihre Arbeit kritisch hinterfragen. Sie zeichnen ein Bild von guter landwirtschaftlicher Praxis. Dieses Bild ist mit den widerwärtigen Verhältnissen, die es, wie gesagt, leider immer noch in den deutschen Ställen gibt, absolut nicht in Einklang zu bringen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein einfacher Verweis auf vermeintlich schwarze Schafe oder die Schaffung einer Wagenburgmentalität durch die Landwirtschaft werden dies nicht ändern. Diese Taktik vergrößert eher die Kluft, die wir zwischen Gesellschaft und Bauernschaft haben. Sie nimmt darüber hinaus die Höfe in Geiselhaft, die tatsächlich gute landwirtschaftliche Praxis betreiben. Das ist, meine Damen und Herren, wie ich denke, immer noch die Mehrheit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Katharina Landgraf [CDU/CSU])

Gerade wenn ich in meinem Wahlkreis unterwegs bin, erlebe ich das.

Es reicht nicht aus, die bereits relativ hohen Tierschutzstandards in Deutschland immer wieder zu preisen und ansonsten nur die mangelnden Kontrollen zu beklagen. Als Deutscher Bundestag sind wir für die Recht­setzung zuständig. Doch hier fehlt an mancher Stelle der Mut. Teilweise werden unsere Bemühungen für mehr Tierschutz sogar konterkariert. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union – ich möchte Sie auch einmal direkt ansprechen – , warum lassen Sie Ihren Minister bei dem Vorstoß, das Töten trächtiger Tiere zu verbieten, bislang im Regen stehen?

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier übrigens lobbyiert der Deutsche Bauernverband – die Agrarverbände hatte ich vorhin schon erwähnt – gemeinsam mit dem Bundesverband Praktizierender Tierärzte dafür, das geplante Verbot der Schlachtung hochträchtiger Tiere auf Rinder zu beschränken. Aber was ist mit Schweinen, Schafen und Ziegen? Hier rücken sich die Akteure ganz von selbst in ein äußerst schlechtes Licht.

Es gibt also viel zu tun, um die Situation der Tiere in den Ställen zu verbessern: Wir müssen endlich einen Sachkundenachweis für Nutztierhalter einführen. Wir müssen gegen Qualzuchten vorgehen. Wir müssen die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern verbieten. Und wir müssen vor allen Dingen – ein weiteres wichtiges Thema, meine Damen und Herren – sicherstellen, dass männliche Kälber in der Milchindustrie nicht als genauso wertlos betrachtet werden, wie es derzeit bei männlichen Eintagsküken in der Geflügelzucht der Fall ist.

Immerhin tut sich etwas in Sachen Label. Um Landwirten und auch gerade den Verbrauchern ein Instrument an die Hand zu geben, welches ihnen die Entscheidungsfindung erleichtert und den Landwirten die Möglichkeit gibt, ihre guten Haltungsbedingungen zu beschreiben, brauchen wir das staatliche Tierschutzlabel.

An Expertise zur Verbesserung des Tierschutzes in Deutschland mangelt es bekanntlich nicht. Alle Expertise der Welt hilft aber nicht, wenn die Erkenntnisse dann kaum oder gar nicht umgesetzt werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir erwarten daher von Ihnen, Minister Schmidt, den Abschlussbericht des Kompetenzkreises Tierwohl, der seit kurzem vorliegt, nicht so stiefmütterlich zu behandeln wie das Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ des Wissenschaftlichen Beirats.

Minister Schmidt, Sie müssen auch in Sachen Tierschutz deutlich aktiver werden.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt!)

Denn ansonsten ist zu befürchten, dass Ihrem Wirken leider nur das Prädikat „organisierte Unverantwortung“ verliehen wird.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Insbesondere eine Novelle des Tierschutzgesetzes – das ist angeklungen – ist überfällig. Wir als SPD stehen dafür bereit.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Dr. Anton Hofreiter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7009637
Wahlperiode 18
Sitzung 192
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Konsequenzen aus nicht tragbaren Verhältnissen in Tierställen
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