Christian KühnDIE GRÜNEN - Mietpreispolitik und Mieterschutz
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Luczak, ich lade Sie ein, im Internet die Seite von Immobilienscout aufzurufen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine grandiose Einladung!)
Das können wir auch gemeinsam machen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da komme ich mit!)
Schauen wir uns einfach einmal an, was in Berlin, Ihrer Stadt, beispielsweise in Kreuzberg, angeboten wird: 10 Quadratmeter kosten 590 Euro, 59 Euro der Quadratmeter. Skandalös, oder?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Cansel Kiziltepe [SPD]: Geht gar nicht!)
Ich sage Ihnen eins: Dieser Preis gilt für eine Wohnung in einem Gebiet mit Mietpreisbremse. Wie ist das möglich? Weil diese Wohnung möbliert ist. Das ist nur ein Beispiel für die vielen Schlupflöcher und Ausnahmen, die Sie in dieses Gesetz hineingeschrieben haben.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Sie“ großgeschrieben!)
Deswegen funktioniert die Mietpreisbremse nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Schlupflöcher sind: umfassende Modernisierung, Neubau, Rügepflicht, fehlende Transparenz; das haben Sie alles beschrieben. Diese Schlupflöcher müssen Sie stopfen, sonst wird diese Bremse nicht bremsen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
Die Menschen auf den 300 angespannten Wohnungsmärkten, auf denen die Mietpreisbremse gilt, warten darauf, dass Sie von der Union Ihr Versprechen aus dem letzten Bundestagswahlkampf, die Mieten in Deutschland zu begrenzen, endlich wahrmachen. Ansonsten produzieren Sie Politikverdrossenheit und schützen eben nicht Mieterinnen und Mieter, sondern stellen sich vor diejenigen, die in Deutschland die asoziale Praxis des Heraussanierens betreiben und die Menschen übervorteilen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Luczak, nach Ihrer Rede ist mir eins klar geworden: Sie wollen einfach nicht, dass die Mietpreisbremse funktioniert. Das ist die Position der Union. Ich finde, das ist heute sehr deutlich geworden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! – Ulli Nissen [SPD]: Die Berliner Wähler haben sich gerächt, Herr Luczak! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür solltet ihr euch aber nicht rühmen! 21 Prozent ist nicht viel!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle, die Mietenpolitik machen – ich meine die vielen Kolleginnen und Kollegen aus der Linkspartei und der SPD und andere –, bekommen Briefe von verzweifelten Mieterinnen und Mietern in Deutschland, weil sie Ankündigungen für eine Modernisierung, verbunden mit einer Mietpreissteigerung von bis zu 200 Prozent, erhalten haben. Sie wissen nicht, ob sie in den nächsten Monaten noch in ihrer Wohnung, in der sie 10 oder 15 Jahre gewohnt haben, bleiben können. Diese Mieterinnen und Mieter wissen, dass sie aus ihrem Quartier, ihrem Stadtteil oder manchmal sogar aus ihrer Stadt wegziehen müssen und dass sie dann ihre Kinder in eine andere Schule oder in eine andere Kita schicken müssen. Diese Menschen müssen ihr vertrautes Umfeld verlassen. Das liegt an der im Mietrecht verankerten Modernisierungsumlage. Dieser Paragraf führt dazu, dass Mieterinnen und Mieter heraussaniert werden. Diese asoziale Geschäftspraxis muss beendet werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Herr Luczak, Sie haben nicht mehr viel Zeit, in der Großen Koalition zu verhandeln. Sie haben gesagt: Wir reden darüber. – Wie lange wollen Sie denn noch darüber reden? Die Legislaturperiode ist bald zu Ende. Wenn Sie sich nicht beeilen, dann wird in diesem Punkt gar nichts mehr passieren. Dann schauen die Mieterinnen und Mieter auf den 300 angespannten Wohnungsmärkten am Ende in die Röhre.
Das Mietrecht ist in eine Schieflage geraten, weil das Mietrecht kein Schutzrecht ist, wie die Mieterinnen und Mieter glauben, sondern ein Ausgleichsrecht. Aber auf angespannten Wohnungsmärkten funktioniert dieses Recht nicht mehr. Deswegen müssen wir es grundsätzlich ändern. Wir müssen die Ursachen bekämpfen, die zu steigenden Mieten in unseren Metropolen führen.
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Genau!)
Eine der Ursachen ist Spekulation. Dazu haben Sie gar kein Wort verloren; das ist peinlich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist die entscheidende Frage!)
Gegen diese Spekulation müssen wir vorgehen. Deswegen ist es umso peinlicher, dass einer der größten Spekulanten in dieser Republik hier auf der Regierungsbank sitzt. Das ist Herr Schäuble, der mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben nichts anderes macht, als Grundstücke spekulativ zu verwerten.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Jetzt reicht es aber!)
Das ist offenkundig geworden, weil wir seit drei Jahren eine Debatte darüber führen. Es gibt zwar eine Verbilligungsrichtlinie betreffend die verbilligte Abgabe von Liegenschaften an Kommunen. Aber leider profitieren bislang nur sechs Kommunen davon, weil die Umsetzung durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben skandalös ist. Sie umgeht eigentlich den entsprechenden Haushaltsbeschluss und setzt ihn nicht um. Damit muss endlich Schluss ein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir brauchen dringend eine Gesetzesreform bei der BImA. Wir brauchen ein neues BImA-Gesetz. Wir brauchen eine andere Liegenschaftspolitik des Bundes.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)
In Zeiten, in denen wir hohe Steuereinnahmen haben, müssen wir Geld für den sozialen Zusammenhalt ausgeben. Das heißt, wir geben den Kommunen verbilligt unsere Liegenschaften für sozialen Wohnungsbau, Flüchtlingsunterbringung und bezahlbares Wohnen, damit sie auf diesen Grundstücken günstig bauen können, Herr Luczak.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Herr Schäuble tut nichts gegen die Spekulation auf unseren Wohnungsmärkten. Er schließt nicht die Schlupflöcher beispielsweise bei den Share Deals, bei denen die Grunderwerbsteuer umgangen wird. Damit heizt er weiterhin die Spekulation in Deutschland an und schadet den Mieterinnen und Mietern in Deutschland.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was machen Sie denn?)
Wenn wir Familien mit kleinen Einkommen schützen und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nicht gefährden wollen, dann müssen wir jetzt in den sozialen Zusammenhalt investieren. Dann müssen wir Wohnen als Daseinsvorsorge begreifen und nicht als einen Markt, auf dem Wohnungen wie Waren gehandelt und Menschen hin und her geschoben werden. Wenn wir darauf keine Antwort finden, Herr Luczak – ich meine die Union generell –, dann schüren wir damit Ängste. Die Menschen, die mir Briefe schreiben, haben konkrete Ängste, insbesondere die Menschen, die in den abgehängten Stadtteilen am Stadtrand leben. Wir sollten ihre Ängste nicht schüren, indem wir uns im politischen Hickhack verlieren und am Ende keine Lösungen präsentieren. Wir müssen Antworten auf die Ängste geben, die diese Menschen haben, und damit den Rechtspopulisten in Deutschland den Nährboden entziehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wohnen ist ein soziales Grundrecht. Wir in der Politik, insbesondere im Deutschen Bundestag, tragen Verantwortung dafür, dass die Wohnungsmärkte nicht weiter aus dem Ruder geraten. Deswegen brauchen wir eine Mietpreisbremse, die tatsächlich bremst. Wir brauchen ein Mietrechtspaket II, das die asoziale Praxis des Heraussanierens beendet. Wir brauchen eine Wohnungswirtschaft, die sich am Gemeinwohl orientiert. Deswegen haben wir Grüne gemeinsam mit der Linken die Debatte über Wohnungsgemeinnützigkeit angestoßen. Da werden wir Sie weiterhin vor uns hertreiben; denn wir brauchen Wohnungsmärkte, die nicht mehr Spekulanten dienen, sondern sich am Gemeinwohl orientieren.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Für die Bundesregierung hat jetzt das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Kelber.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7009799 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 193 |
Tagesordnungspunkt | Mietpreispolitik und Mieterschutz |