29.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 193 / Tagesordnungspunkt 4

Christian HaaseCDU/CSU - Mietpreispolitik und Mieterschutz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Städten fehlen bezahlbare Wohnungen; darüber sind wir uns meines Erachtens nach einer so langen Debatte einig. Ich hoffe, wir sind uns auch über den Grund dafür einig: Es wurde in den vergangenen Jahren viel zu wenig gebaut. So sieht das auch der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten. Ich zitiere:

Steigende Nachfrage und ein nicht ausreichend wachsendes Angebot führen in der Regel zu steigenden Mieten.

Hier helfen die Anträge der Opposition keinen Millimeter weiter. Weder sinken die Grundstückspreise, wenn wir die Mietpreisbremse anpassen, noch sinken die Baukosten, wenn der Bund seine Liegenschaftspolitik ändert. Die Zauberwörter heißen nicht BImA und Bremse, sondern Bauen, Bauen, Bauen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Stattdessen wird munter die Arbeit der BImA kritisiert. Das ist aber gar nicht nötig; denn erstens müssen Grundstücke zu ihrem Wert verkauft werden. Meine Damen und Herren, wir müssen uns doch einmal klarmachen, wessen Eigentum wir hier verwalten. Es ist das Eigentum der deutschen Bürger, und damit haben wir verantwortungsvoll umzugehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Haase, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lay?

Gerne.

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben ja gerade das beliebte Mantra der CDU wiederholt, dass Bauen, Bauen, Bauen die einzige Lösung für eine soziale Wohnungspolitik sei.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Schön, dass Sie dazulernen!)

Wie sehen Sie es denn vor diesem Hintergrund, dass erst kürzlich eine Studie festgestellt hat, dass nur bei 5 Prozent der Neubauten, die in den deutschen Großstädten errichtet wurden, Wohnraum zu bezahlbaren Mieten entstanden ist, bezahlbar gemessen am Durchschnittsverdienst? In Berlin sind nur 2,5 Prozent aller Neubauten für die Durchschnittsverdiener erschwinglich. Meinen Sie nicht, dass Sie vor diesem Hintergrund Ihr Mantra „Bauen, Bauen, Bauen“ dringend überdenken müssen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Angebot und Nachfrage!)

weil es in der Praxis Traumhäuser und Luxuswohnungen bedeutet, mit denen weder den sozial schwachen Menschen noch irgendeinem Durchschnittsverdiener gedient ist?

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Neubauten haben Dämpfungseffekte auf den Bestand!)

Frau Kollegin Lay, ich weiß nicht, welche Studien Sie lesen. Wir könnten ja einmal Quartett spielen: Sie legen Ihre Studie vor, ich lege Ihnen 20 andere Studien vor. Ich glaube, dass nach wie vor richtig ist: Nur dann, wenn wir den Bestand an Wohnungen erhöhen, werden wir auch wieder bezahlbaren Wohnraum bekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir das Angebot nicht erhöhen, wird das knappe Gut noch stärker nachgefragt. Das ist ein marktwirtschaftliches Prinzip;

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welches Segment wir bauen, ist entscheidend!)

dass Sie damit Ihre Schwierigkeiten haben, ist mir klar.

Kommen wir zurück zur BImA. Ich glaube, es geht an den eigentlichen Problemlagen vorbei, wenn man glaubt, mit der BImA Wohnungsbaupolitik betreiben zu können. Gucken wir nach Berlin: Die BImA unterhält hier 0,3 Prozent des Wohnungsbestandes. Ich glaube, das können wir doch nicht ernsthaft in den Blick nehmen. Die BImA leistet bereits hervorragende Arbeit; das will ich ausdrücklich loben: Die energetische Sanierung der Bundesimmobilien kommt gut voran. Die BImA hat auch die Vorgaben der Bundespolitik schnell umgesetzt. Seit 2015 können Länder und Kommunen zum Zwecke des sozialen Wohnungsbaus Grundstücke und Immobilien zu günstigen Preisen erwerben, oder ihnen werden mietzinsfrei Immobilien zur Unterbringung von Asylbewerbern zur Verfügung gestellt.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sechs Verkäufe in ganz Deutschland seit 2015! Das ist ein Skandal!)

Für 2016, Herr Kühn, rechnet die BImA damit, dass die Länder und Kommunen dadurch 500 Millionen Euro sparen. Da sagen Sie: Das ist nichts.

Bei der Mietpreisbremse werden wir überprüfen, ob sie in der Praxis so umgesetzt wird, wie wir das geplant haben. Kollege Luczak – Frau Kiziltepe, ich würde ihn anders bezeichnen als Sie; für mich ist das ein kluger Kopf unserer Fraktion –

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

hat bereits klargestellt, dass es hier nicht um Verschärfungen gehen darf. Unser Ziel ist es, dass die Mietpreisbremse erst einmal so gelten soll, wie wir sie im Gesetz festgeschrieben haben. Um das festzustellen, brauchen wir Evaluationen; wir haben bisher noch gar nicht genug Erfahrung dazu gesammelt. Das sagt uns im Übrigen auch unser eigenes Institut, das BBSR.

Wenn wir uns die Probleme in den Städten anschauen, stelle ich mir schon die Frage, ob wir mit der Mietpreisbremse nicht eine verfehlte Wohnungsbaupolitik und -planungspolitik von Ländern und Kommunen kaschieren. Wir sollten uns hier nicht hinter die Fichte führen lassen. Anstatt an den Symptomen herumzuwerkeln, lassen Sie uns das Problem doch einmal an der Wurzel anpacken. Wie schaffen wir bezahlbaren Wohnraum in Deutschland? Hier liegen doch die wahren Baustellen in unserem Land. Eine der größten Baustellen ist ohne jeden Zweifel die soziale Wohnraumförderung. Die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland ist gesunken. Das liegt sicherlich nicht an der Liegenschaftspolitik des Bundes, wie es uns der Antrag der Linkspartei weismachen will.

Wofür zahlen wir den Ländern seit fast zehn Jahren Kompensationsmittel von jährlich 518 Millionen Euro?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie sich seit zehn Jahren nicht dafür interessieren in der Union! Deshalb liegt der soziale Wohnungsbau danieder!)

Das macht seit 2007 insgesamt 4,7 Milliarden Euro.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In diesen zehn Jahren haben die Länder insgesamt 100 000 Wohnungen gebaut. Wir brauchen aber 400 000 Wohnungen – und das jährlich. Mehrere Länder haben es sogar geschafft, in diesem Zeitraum gar keine Wohnungen zu bauen. Da brauchen wir uns am Ende nicht zu wundern, wenn bezahlbarer Wohnraum in Deutschland fehlt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Caren Lay [DIE LINKE]: Da regiert aber überall die CDU mit!)

Gemäß dem Prinzip Hoffnung geben wir den Ländern in diesem Jahr noch eine halbe Milliarde Euro obendrauf. Vielleicht geben sie dann das Geld so aus, wie wir uns das vorstellen. Das müsste ich mal zu Hause machen: Ich gebe meiner Tochter 100 Euro für Klavierstunden, sie kauft sich davon irgendeinen Blödsinn, und ich gebe ihr dann 200 Euro in der Hoffnung, dass irgendwas für Klavierstunden übrig bleibt. Und wenn das immer noch nicht klappt, dann gebe ich ihr 300 Euro. – So machen wir das nämlich im Bundeshaushalt 2017, in dem wir noch einmal eine halbe Milliarde Euro obendrauf legen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Das ist ein riesiger Vertrauensvorschuss, den wir den Ländern geben. Frau Hendricks – sie ist leider abwesend; sie ist im Ausland –, Sie müssten einmal die Länderminister an einen Tisch bringen, damit wir detailliert hören, was mit unserem Geld in den Ländern passiert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn die Länder es schon nicht schaffen, mit unserem Geld Sozialwohnungen zu bauen, dann hätten sie in der Vergangenheit dieses Geld nehmen sollen, um auf die Erhöhung der Grunderwerbsteuer zu verzichten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das wäre auch jetzt noch eine kluge Möglichkeit, sofort etwas zu unternehmen, um die Baukonjunktur in unserem Land anzukurbeln.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es gibt auch viele andere vernünftige Vorschläge, die man jetzt einfach nur umsetzen müsste. Das Zehn-Punkte-Programm der Wohnungsbau-Offensive hat viel bessere Ideen als Mietpreisbremse oder BImA-Bashing: Baulandausweisung, Nachverdichtung, Vereinfachung des Baurechts und nicht zuletzt – es ist schon angesprochen worden – eine steuerliche Förderung. Sonderabschreibungen für den Bau neuer Wohnungen in Ballungszentren wurden in den letzten Jahren immer mal wieder diskutiert. Jetzt stellen Sie sich einmal vor: Sie wollen investieren und bekommen die Diskussion mit. Ja, dann warten Sie doch erst einmal ab, ob irgendwann einmal entschieden wird oder ob der Vorschlag wieder auf das Abstellgleis geschoben wird. Deshalb kann ich das ganze Haus nur auffordern: Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken und den Knoten durchschlagen! Wir brauchen eine steuerliche Förderung, um mehr bezahlbare Wohnungen in Deutschland entstehen zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Wohnungsgemeinnützigkeit!)

Ein anderer Aspekt – ich will auch ein wenig für die kommunale Seite sprechen –: Ich war selbst als Bürgermeister Aufsichtsrat in einer kommunalen Baugenossenschaft. Dort wird hervorragende Arbeit geleistet. Ich finde es richtig, dass die eine oder andere Stadt darüber nachdenkt, ob sie wieder mit so etwas beginnt. Was wir nicht brauchen, sind die großen Kraken. Das ist für die Kommunen viel zu groß. Das kann die Privatwirtschaft wirklich besser. Aber wenn lokal, vor Ort, kleine Wohnungsbaugenossenschaften existieren, macht das in meinen Augen Sinn.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf einen Aspekt eingehen, der mir in der ganzen Debatte um Wohnungsnot in den Großstädten zu kurz kommt. Als Bundespolitiker müssen wir die Entwicklung aller Regionen voranbringen, des städtischen Raums, aber auch des ländlichen Raums. Wenn ich die Debatte über dieses Thema hier verfolge, stelle ich fest: Es wird schnell der Eindruck erweckt – er ist falsch –, als gäbe es ein Menschenrecht auf ein Leben in der Stadt. Ich persönlich bin vom Gegenteil überzeugt: Es ist ein Privileg, im ländlichen Raum zu leben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist aber kein Argument für eine Vertreibung!)

Deshalb steigen die Mieten nach den neuesten Studien im Augenblick gerade in den ländlichen Räumen, und in den städtischen Ballungszentren sehen wir ein Abflachen der Mietsteigerungskurve.

Viele Menschen suchen aber immer noch den Weg in die Stadt, weil dort das Arbeitsplatzangebot vermeintlich besser sei. Mit Blick auf mein Bundesland Nordrhein-Westfalen kann ich das nicht bestätigen. Leider bilden wir mit einem Nullwachstum bei der Wirtschaftsentwicklung das Schlusslicht in Deutschland. Das gilt aber nicht für das ganze Bundesland. Während die Kommunen im Ruhrgebiet mit einer hohen Arbeitslosigkeit kämpfen, suchen Unternehmen in den ländlichen Räumen, in Südwestfalen oder in Ostwestfalen-Lippe, Arbeitskräfte.

Meine Damen und Herren, dieses Beispiel zeigt, dass es viel zu einseitig ist, über Großstädte zu diskutieren, ohne dabei auch die Folgen für den ländlichen Raum zu berücksichtigen. Selbstverständlich ist die anhaltende Urbanisierung ein Trend, auf den die Politik reagieren muss. Aber anstatt diesen Trend zu fördern, könnte man dem Ganzen ja auch einmal etwas entgegensetzen und die ländlichen Räume fördern. Wenn noch mehr Menschen vom Land in die Städte ziehen, weil in ihrer Heimat Leistungen wegzubrechen drohen – ich denke an Busverbindungen, Kulturangebote oder den Dorfarzt –, dann verschärft das die Probleme sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Denn wenn in den Städten immer mehr Menschen auf engstem Raum zusammenleben, bringt das auch viele Probleme mit sich.

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit?

Mehr Menschen bedeuten mehr Verkehr, mehr Lärm und mehr Konflikte.

Schließen will ich mit dem Zitat einer jungen Frau, die aus Hamburg in meine Region, in ein 400-Seelen-Dorf, zurückgekehrt ist:

In der Stadt habe ich auch nicht alles vor der Haustür, und in den Großstädten ist das Leben unglaublich teuer. Wir mussten beide arbeiten, um die hohe Miete und die anderen Kosten überhaupt tragen zu können. In der Stadt glitzert auch nicht alles. Und wenn man eine Gesamtbilanz zieht, stellt man fest, dass das Land durchaus etwas zu bieten hat.

Diese Botschaft dürfen wir ruhig etwas offensiver vertreten, meine Damen und Herren.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als Nächstes spricht für die SPD-Fraktion der Kollege Dennis Rohde.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7009814
Wahlperiode 18
Sitzung 193
Tagesordnungspunkt Mietpreispolitik und Mieterschutz
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