Karl SchiewerlingCDU/CSU - Flexibilisierung des Übergangs in den Ruhestand
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Idee der Flexirente ist nichts anderes als eine Antwort auf die großen Herausforderungen in der Rentenversicherung, vor denen wir in Zukunft stehen. Wir wollen die Menschen motivieren, länger zu arbeiten und den Übergang in die Rente nicht abrupt zu gestalten. Wir wollen, dass sie ihre Arbeitskraft weiterhin einsetzen können und so die Möglichkeit haben, ihre Rente aufzubessern. Die Flexirente ist nach vorne gerichtet, nicht nach hinten. Sie ermöglicht längeres Arbeiten. Wir belohnen längeres Arbeiten. Der Übergang von der Arbeit in den Ruhestand lässt sich fließender und individueller gestalten. Die Flexirente ist ideologiefrei und dient daher den Menschen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Herr Kollege Birkwald, lassen Sie mich eine Bemerkung zu Ihrer Rede machen; ich will nicht auf alle Punkte eingehen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schade!)
Es war ja wieder ein Feuerwerk von Vermischungen, Vertuschungen und Verwirrungen.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nein, von Aufklärung!)
Das war dazu angetan, alle Menschen wuschelig zu machen, und vor allen Dingen dazu, das blanke Elend Deutschlands präzise zu beschreiben. Es ist nur leider danebengegangen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Welche Rede haben Sie denn gehört?)
– Ich habe Ihre Rede gehört. – Ich will Ihnen eines sagen: Wir sollten uns darauf verständigen, dass wir es bei der Rentenversicherung mit einem Sozialversicherungssystem zu tun haben und nicht mit einem Fürsorgesystem. Je mehr wir bei der Rente Fürsorge und Versicherung vermischen, umso unklarer wird für die Menschen, dass das, was sie in die Rentenkasse einzahlen, ihre eigene Lebensleistung ist und dass das, was der Arbeitgeber einzahlt, der Beitrag der Arbeitgeber zur Alterssicherung ist. Das ist das Prinzip der Versicherung, und der Bund, der Staat, gibt Geld dazu. Wenn wir anfangen, all die Wünsche, die Sie aufgezählt haben, in das System der Rentenversicherung aufzunehmen, werden wir die Rentenversicherung überfordern. Deswegen bin ich ein großer Freund davon, diese Dinge präzise auseinanderzuhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das machen wir mit diesem Gesetz.
In dem Gesetzentwurf geht es um drei Bereiche; die Kollegin Katja Mast hat bereits richtigerweise darauf hingewiesen.
Erstens geht es um die Phase des Übergangs. Wenn jemand 63 ist, aber nicht aus dem Beruf aussteigen, sondern nur schon einmal einen Teil der Rente in Anspruch nehmen will und den weiteren Teil bis zu der Höhe des letzten Verdiensts hinzuverdienen möchte, dann bietet dieses Gesetz, glaube ich, ein attraktives Angebot. Dass das für die Rentenversicherung möglicherweise nicht einfach zu berechnen ist und sie Schwierigkeiten hat, das für den individuellen Fall zu berechnen, das will ich ja gerne glauben. Aber die Deutsche Rentenversicherung steht im Dienst der Versicherten, und sie hat die Aufgabe, die Versicherten ordentlich zu beraten. Das wird sie auch auf Grundlage dieses Gesetzes tun; davon bin ich fest überzeugt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Zweitens wollen wir diejenigen mobilisieren, die sagen: Ich bin schon in Rente gegangen, habe aber festgestellt, dass ich noch fit bin. Ich bin gerne bereit, weiter zu arbeiten. – Das ist der Punkt, auf den der Kollege Carsten Linnemann immer wieder hingewiesen hat. Deswegen steckt auch viel Herzblut von ihm in diesem Gesetz; er wird ja gleich noch reden. In diesem Fall wollen wir die Möglichkeit eröffnen, wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Wenn man für die Arbeit, die man dann verrichtet – vielleicht 10, 15 oder 20 Stunden pro Woche –, noch selbst Geld in die Rentenversicherung einzahlt und dadurch den Arbeitgeberbeitrag aktiviert, bringt dies entsprechende Vorteile. Das ist ein Angebot, keine Pflicht oder Verpflichtung. Es ist ein Anreiz. Ich halte diesen Anreiz für eine gute Antwort auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Im Übrigen: So aus der Welt gegriffen ist das nicht, wie es manche darzustellen pflegen. Es gibt schon heute einen deutlichen Aufwuchs an Menschen, die im Rentenalter länger arbeiten. Mittlerweile sind es fast 15 Prozent. Diese Zahl ist nicht zu unterschätzen. Deshalb wollen wir diesen Anreiz verstärken, indem wir die Rahmenbedingungen begünstigen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Drittens. Wir halten es zwar für notwendig, länger zu arbeiten, wissen aber auch, dass es nicht wenige Menschen gibt, die sich aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen damit schwertun. Wir wollen ihnen helfen, durch rechtzeitige präventive gesundheitliche Vorsorge, durch vernünftige gesundheitliche und berufliche Rehabilitation für den Arbeitsmarkt wieder gesund zu werden. Aber ich sage auch sehr deutlich: Wenn im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel die Arbeitgeber sagen längeres Arbeiten sei richtig, dann setzt das voraus, dass die Betriebe die entsprechenden Voraussetzungen dafür schaffen, dass dies möglich ist. Dieser Gesetzentwurf ist so ausgerichtet, dass er sich in Kooperation mit den Tarifpartnern, mit den Betrieben zu einem guten Instrument entwickeln kann, um Menschen länger in Beschäftigung zu halten. Unter diesem Gesichtspunkt geht alles, was wir in Bezug auf Rehabilitation und Prävention vorhaben, in die richtige Richtung.
Meine Damen und Herren, unter welchen Gesichtspunkten diskutieren wir über dieses Thema? Wir diskutieren es unter dem Gesamtgesichtspunkt der demografischen Entwicklung. Vor dieser Herausforderung stehen wir bei allen Altersvorsorgesystemen, sowohl den kapitalgedeckten Systemen als auch den umlagefinanzierten Systemen, bei allen Fragen, mit denen wir uns in Zukunft bei der Alterssicherung beschäftigen. Deswegen ist es ein guter Ansatzpunkt, dass wir den Menschen sagen: Das Angebot der Flexirente, das wir hiermit unterbreiten, ist ein Angebot, sich für einen fließenden Übergang in die Rente zu entscheiden, und bezieht sich auf die Gestaltung des Alltags und den Eintritt in die Ruhephase.
Ich sage das auch vor dem Hintergrund der aktuell laufenden Rentendebatte; das ist ja im Augenblick ein Topthema. Ich finde es sehr gut, dass die Bundesarbeitsministerin von sich aus gesagt hat, dass sie im Herbst den Rentenbericht vorlegen wird – auf diesen warten wir jetzt – und auf dieser Grundlage Vorschläge unterbreiten wird, wie es mit der Rente weitergeht. Damit haben wir dann eine gute Grundlage für eine gescheite Diskussion. Für wenig zweckdienlich halte ich die augenblickliche Aufgeregtheit, indem man punktuell ein Thema herausgreift – wie zum Beispiel im Augenblick das Thema Rentenniveau –
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das Rentenniveau ist der wichtigste Baustein der gesamten Rentenpolitik!)
und dieses in den Vordergrund stellt, aber alle anderen Fragen zur Rente in der öffentlichen Debatte völlig ausblendet. Es geht nicht nur um das Rentenniveau.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der wichtigste Punkt!)
Wenn wir das Rentenniveau möglichst hoch halten wollen, wird das nur gehen, indem mehr Geld in das Rentensystem eingezahlt wird – egal ob über Beiträge oder über Steuern – oder indem die Menschen länger arbeiten. Wir müssen den Menschen die Wahrheit sagen: Die Rentenversicherung ist kein Wünsch-dir-was, sondern ein mathematisches System, das aus vier Stellschrauben besteht. Das ist die Ordnung in diesem alten System. Ich kann uns nur raten, davon nicht abzuweichen und offen, klar und entschieden zu sagen, unter welchen Rahmenbedingungen wir die zukünftige Alterssicherung organisieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir sagen aber auch in aller Deutlichkeit: Wir wollen, dass die Menschen Sicherheit haben. Ohne Sicherheit, ohne Verlässlichkeit wird man nicht frohgemut in die Zukunft schauen können. Die Menschen brauchen Planbarkeit. Diese Planbarkeit aber muss auf realen Grundlagen stehen; sonst täuschen wir die Menschen. Das haben wir nicht vor. Die Unionsfraktion steht dazu: Rente ist Lohn für Lebensleistung. Wir wollen alles tun, dass die Menschen im Alter vernünftig leben können. Dazu aber gehören alle Säulen: die gesetzliche Rente, die private Vorsorge und die betriebliche Vorsorge. An diesen Dingen arbeiten wir. Die Flexirente ist ein wichtiger Baustein. Wir hoffen und wünschen sehr, dass sie entsprechende Resonanz bei der Bevölkerung findet.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Schiewerling. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Markus Kurth das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7009835 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 193 |
Tagesordnungspunkt | Flexibilisierung des Übergangs in den Ruhestand |