29.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 193 / Zusatzpunkt 2

Fritz GüntzlerCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu den Ergebnissen zur Reform der Erbschaftsteuer

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 21 Monate Beratung über Erbschaftsteuer liegen hinter uns, und man hat gespürt: Es wird nicht nur fachbezogen argumentiert, sondern die Dinge werden oft sehr ideologisch angegangen – so wie bei Frau Haßelmann, die anscheinend gerade die Flucht ergreift.

(Michaela Noll [CDU/CSU]: Nein, nein! Das hat sie mir extra gesagt! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, ich gehe in den Ältestenrat und bin entschuldigt!)

– Gut. Das wusste ich nicht. Entschuldigung! – Ich gebe zu, dass in dem Zusammenhang manche Interessenverbände mit manchen Forderungen an uns herangetreten sind, deren Umsetzung auch nicht verfassungswidrig gewesen wäre. Im Ergebnis können wir aber, glaube ich, feststellen, dass wir nach diesen 21 Monaten einen guten Kompromiss gefunden haben.

Wenn Frau Haßelmann dem Parlament oder den Regierungsfraktionen hier Untätigkeit vorwirft, dann muss ich sagen: Untätig waren der Bundesrat und die Bundesländer.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Denn es ist eine Ländersteuer; die Länder hätten hier einen Entwurf vorlegen können und müssen. Sie hätten nicht nur torpedieren sollen, sondern von vornherein sagen sollen: So stellen wir uns das vor. – Aber eine Einigung der Bundesländer war ja wohl nicht möglich.

Herr Pitterle, Sie haben das Urteil ja sehr holzschnitt­artig dargestellt. Das kenne ich gar nicht von Ihnen; denn Sie argumentieren sonst sehr genau. Man muss sich vergegenwärtigen, dass das Verfassungsgericht gesagt hat, die Ziele der Steuerbefreiung nach §§ 13a und 13b Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz seien verfassungskonform. Das ist die erste These des Bundesverfassungsgerichts.

Es hat auch gesagt, Unternehmensvermögen könnten sogar zu 100 Prozent verschont werden. Ich höre von Ihnen, es sei eine Sauerei, dass Unternehmensvermögen zu 100 Prozent verschont werden könnten. Das Bundesverfassungsgericht hat aber festgestellt, dass wir das dürfen. Es hat zudem festgestellt, dass wir das bisherige System beibehalten können und kein neues System einführen müssen.

Natürlich ist die Übertragung großer Vermögen betrachtet worden. Aber im Urteil stand nicht, dass wir diese Vermögen unbedingt höher besteuern müssen. Gucken Sie ins Urteil! Es gibt eine höhere Darlegungslast bei möglichen Verschonungen.

(Richard Pitterle [DIE LINKE]: Eine Bedürfnisprüfung!)

– Ja, eine Bedürfnisprüfung, eine höhere Darlegungslast, wenn wir verschonen. – Es steht aber nicht drin: Ihr müsst die größeren Vermögen besteuern. Das ist, glaube ich, ein feiner Unterschied.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn wir uns einig sind, dass der Bestand der Unternehmen nicht gefährdet werden soll, dann bin ich schon einmal froh, dass wir uns grundsätzlich im Ziel einig sind.

Ich will auch darauf hinweisen: Es geht hier nicht um Unternehmer – das geht in der Diskussion oft durcheinander –; es geht tatsächlich um Unternehmen, die wir schützen wollen. Damit wollen wir einen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Unternehmen gewährleisten. Darum haben wir die Regelungen ja an die Lohnsumme gekoppelt. Denn wir wollen, dass die Unternehmen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fortgeführt werden.

Dann wird hier immer vorgetragen, es gebe ja noch gar kein Unternehmen, das aufgrund einer Erbschaftsteuerzahlung in die Insolvenz gegangen sei.

Es ist zunächst einmal so, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil festgestellt hat, dass die Gefährdungsprognose, die der Gesetzgeber angestellt hat, grundsätzlich plausibel ist. Das war ja in Karlsruhe Gegenstand; es ist ja darüber gesprochen worden, ob es eine Insolvenzgefahr gibt. Wenn Sie jetzt anführen, es gebe keine Zahlen oder keine Fälle, die Ihnen bekannt seien, dann liegt das natürlich daran, dass wir derzeit Verschonungsregelungen haben. Wir haben ja nur auf die Gefahr hingewiesen: Wenn es diese Verschonungen in Zukunft nicht mehr gäbe, es zu Liquiditätsbelastungen käme und den Unternehmen Liquidität entzogen würde, dann könnte es Insolvenzen geben. – Wir wollen Insolvenzen verhindern. Es ist schlimm, dass Sie erst dann bereit wären, zu handeln, wenn es schon Insolvenzen gegeben hätte. Das ist nicht seriös, Herr Pitterle. Von daher: Wir gehen da schon in die richtige Richtung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Richard Pitterle [DIE LINKE])

Ich glaube, es war klug, Herrn Minister Schäuble auch zu folgen, als er gesagt hat: Wir machen einen minimalinvasiven Eingriff in das Erbschaftsteuerrecht und erdenken kein völlig neues Modell. – Ich will nicht ausschließen – das Steuerrecht bringt mir seit 20, 30 Jahren wirklich Spaß –,

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Echt?)

dass man über andere Modelle nachdenken und fabulieren kann. Aber ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, in der Gemengelage, die heute mehrfach beschrieben worden ist, ein völlig neues Modell zu beschließen. Wie wären wir da zu einem Ergebnis gekommen? „ Flat Tax“ hört sich toll an. Die Grünen haben auch ein Modell, ein Stufenmodell; das ist kein reines Flat-Tax-Modell mehr. Der Kollege Schneider hat ja darauf hingewiesen, dass es da Gewinner und Verlierer gäbe. Hielten wir es aus, wenn große Privatvermögen auf einmal viel niedriger besteuert würden? Der Teufel steckt dort meines Erachtens im Detail. Von daher sollten wir da nicht zu schnell schießen.

Im Ergebnis haben wir die vom Bundesverfassungsgericht gestellten Aufgaben angenommen. Es ging darum, dass das Verwaltungsvermögen nicht mehr in dem Maße übertragen und begünstigt werden darf. Wir hatten das Thema, dass wir den Lohnsummentest erst bei 20 Arbeitnehmern nicht mehr akzeptieren können; jetzt sind wir bei 5 Arbeitnehmern gelandet. Wir haben auch die Bedürfnisprüfung und zu Recht ein Abschmelzungsmodell eingeführt, weil wir keinen Fallbeileffekt haben wollen, der dann entsteht, wenn es ab der Grenze von 26 Millionen Euro gar keine Verschonung mehr gibt. Das läuft jetzt bei 90 Millionen Euro aus. Irgendjemand hat vorhin gesagt: 90 Millionen Euro wären eine riesige Verschonung. Aber schauen Sie sich an, wie viel Verschonung Sie bei 89 Millionen Euro tatsächlich noch haben: eigentlich gar keine mehr. Sie sind ziemlich schnell bei der vollen Besteuerung.

Abschließend noch eine Bemerkung zur Bewertung. Sie sagen, es sei eine Begünstigung, dass es, nachdem wir vom 18-Fachen kommen, jetzt das 13,75-Fache sein wird. Ich kann Ihnen dazu sagen: Die 18 waren völlig irre, sie entbehrten jeder Realität; und das sind die 13,75 übrigens auch. Jetzt provozieren wir dadurch, dass jedes Unternehmen ein zusätzliches Gutachten in Auftrag geben muss, also Kosten verursacht werden, Probleme gerade für kleinere Unternehmen. Wir zwingen sie nämlich dazu, Wirtschaftsprüfer zu beauftragen. Das kann meinen Berufsstand letztendlich freuen, aber ich glaube, das sollte nicht das Ziel des Gesetzgebers sein. Stattdessen wollten wir mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren den Steuerpflichtigen ein Verfahren an die Hand geben, durch das man zu realistischen Werten kommt. Von daher wäre ein niedrigerer Faktor viel besser gewesen.

Abschließend können wir feststellen – Carsten Schneider hat es so schön gesagt –: Wenn die SPD es alleine gemacht hätte, dann wäre etwas anderes herausgekommen. Wenn die CDU oder die CSU es alleine gemacht hätte, dann wäre wieder etwas anderes herausgekommen. Von daher ist die gefundene Lösung ein guter Kompromiss. Die Diskussionen werden weitergehen. Das Beste ist aber, dass die Unternehmen derzeit Rechts- und Planungssicherheit haben.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bis zum nächsten Urteil!)

Von daher können wir mit gutem Gewissen zustimmen.

Ich glaube auch, dass wir uns in Karlsruhe irgendwann wiedersehen. Es ist egal, was wir heute beschließen: Der Weg nach Karlsruhe wird wieder beschritten werden; denn es gibt immer klagefreudige Steuerpflichtige und Steuerberater. Aber mit dem geplanten Gesetz werden wir in Karlsruhe gut um die Ecke kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Lothar Binding hat für die SPD-Fraktion als nächster Redner das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7010037
Wahlperiode 18
Sitzung 193
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Ergebnissen zur Reform der Erbschaftsteuer
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