29.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 193 / Zusatzpunkt 2

Lothar BindingSPD - Aktuelle Stunde zu den Ergebnissen zur Reform der Erbschaftsteuer

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Carsten Schneider hat, wie ich glaube, vorhin auf einen ganz wichtigen Begriff abgehoben, und zwar auf den der Verantwortung. Er hat zwei Dinge genannt, für die wir große Verantwortung tragen. Das ist zum einen der Unternehmensübergang in die nächste Generation, und das ist zum anderen die Frage: Wie wichtig sind uns Arbeitsplätze? Dann wurde noch erwähnt, dass eine Flat Tax gefährlich ist, weil das eine aggressive Umverteilung von unten nach oben bedeutet, also die Schwachen geben den Starken. Auch das wollen wir nicht. Das bildet damit eigentlich die Grundlage, auf der wir diskutieren.

Jetzt ist es so, dass 80 Prozent aller Vermögen aus Erbschaften kommen. Es ist der ewige Denkfehler von Hans Michelbach, man könne nur verteilen, was man erarbeitet hat. Nein, das meiste wird durch Erben verteilt. Gemessen an der Unsicherheit, an dem Schwebezustand, den wir lange hatten, ist es sehr gut, dass wir uns jetzt auf ein entsprechendes Gesetz geeinigt haben. Es erzeugt bei uns eine gewisse Zufriedenheit; denn der Schwebezustand hat nun ein Ende.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist doch schon mal was!)

– Natürlich, aber wir hätten mehr machen können.

Vielleicht schauen die Bürgerinnen und Bürger, die hier sitzen, verwundert, wenn sie hören, dass wir im Zusammenhang mit Erbschaften bis zur Höhe von 90 Millionen Euro über eine Bedürfnisprüfung nachdenken. Festhalten kann man, dass man ohne Bedürfnisprüfung eine Erbschaft in Höhe von 90 Millionen Euro voll versteuern muss. Da sagen sich die Leute jetzt wahrscheinlich: „Da komme ich ja richtig in Gefahr“, und gehen ganz angstbesetzt nach Hause.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist keine Bedürftigkeitsprüfung!)

Dass es die Grünen nicht ganz leicht haben, ist verständlich. Klar ist übrigens: Wir haben es auch nicht ganz leicht. Man muss schon sagen: Vielleicht wird ja das Ross, auf dem man sitzt, kleiner, wenn man sich anschaut, wie Herr Kretschmann agiert. Wir wollen uns gar nicht hinter Herrn Kretschmann verstecken, wir sagen nur: Auch er trägt Verantwortung, und die Ministerpräsidenten beschließen einstimmig. – Es gibt also schon asymmetrische Machtverhältnisse, die wir in den Blick nehmen müssen. Auch haben wir mit der CDU, anders als die Grünen, keine geheimen Nebenabsprachen. Wir agieren ganz offen. Immerhin merkt man daran, dass Realpolitik manchmal dazu geeignet ist, wieder geerdet zu werden, und dass wir alle hier ziemlich normal sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir hätten uns gewünscht, dass uns die Grünen und auch die Linken in diesem schwierigen Verfahren gezeigt hätten, welchen Weg sie gehen wollen. Das wäre schön gewesen. Dann hätte ich heute über Anträge schimpfen können, die sie gestellt haben. Das kann ich nicht, weil man über eine leere Menge schlecht etwas sagen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Vorsicht jetzt! – Ganz anders ist es bei der CSU.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Die hatte viele Vorschläge!)

Die CSU wollte ja die Steuer auf große Erbschaften zinslos und ohne Ratenzahlung einfach so zehn Jahre stunden.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Ihr habt da zugestimmt! – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Im Todesfall!)

– Na ja, der Erbe ist ja nicht tot; er erbt doch. Und ihm sollen wir für zehn Jahre die Steuer stunden? Jetzt stelle ich mir einmal vor, was los wäre, wenn ein Arbeitnehmer sagen würde: Ich kann die Lohnsteuernachforderung in diesem Jahr nicht zahlen. Kann ich das später machen? – Da ist eine Asymmetrie in der Betrachtung.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Nein!)

Es geht um das Gefühl für Gerechtigkeit, und wir haben das Gefühl, dass das, was ihr wollt, ungerecht ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Aber dem Gesetzentwurf haben Sie doch zugestimmt!)

– Ja, ich stimme Kompromissen immer zu, weil der Kompromiss an sich einen eigenen Wert hat,

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist doch entscheidend!)

und wir werden alle hier sehr bescheiden; das habe ich ja gerade gezeigt.

Fänden Sie es richtig, die Cash-GmbH, eines der größten Schlupflöcher, zu reaktivieren?

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Haben wir doch nicht!)

– Nein, ich rede von Zielen, die die CSU hatte. Im Vergleich zu diesen Zielen ist unser Erfolg ziemlich groß.

(Beifall bei der SPD)

Wertvolle Immobilien von Brauereien und ähnlich gelagerten Unternehmen wollen wir per Gesetz begünstigen. Wir schreiben also ein Steuersparmodell für eine Branche ins Gesetz. Seit wann machen wir als Finanzer denn so was?

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ihr habt doch zugestimmt!)

Wir stehen hier immer und rufen: Steuerschlupflöcher stopfen! Die Reichen entweichen ärgerlicherweise durch die Schlupflöcher! – Und jetzt wollt ihr die Schlupflöcher ins Gesetz schreiben? Das ist eine Sache, die wir überhaupt nicht nachvollziehen können.

Diese mehrfache Privilegierung, die es jetzt gibt, ist nichts Tolles: Der Unternehmenswert sinkt bei Familienunternehmen um fast 30 Prozent; darüber kann man streiten. Ein Kapitalisierungsfaktor von 18 war euch zu viel. Aber was ist mit 13,75?

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Auch zu viel!)

– Ja, das ist eure Meinung. Die ist aber falsch. Deshalb trage ich das ja vor.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Also, ein Abschlag von 30 Prozent bei Familienunternehmen ist schwierig. Das ist ein Abschmelzmodell. Wenn ein Arbeitnehmer sagen würde: „Lass uns mal über ein Abschmelzmodell reden“, dann würde man sagen: Moment! Das hätte in fiskalischer Hinsicht, also auf der Einnahmeseite, riesige Konsequenzen. Das ist a priori unmöglich. Das kommt überhaupt nicht infrage. – Über solche Sachen haben wir aber nachgedacht.

Dazu muss man auch sagen, dass die CSU die CDU manchmal ein bisschen am Nasenring herumführt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)

– Doch, das stimmt schon. – Wer versucht, vor dem Hintergrund der insgesamt schwierigen Lage und der Forderungen der CSU, diesen Kompromiss zu bewerten, der ahnt, warum wir trotzdem einigermaßen zufrieden sind.

Angesichts der Rahmenbedingungen schauen wir also optimistisch in die Zukunft.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Dann seid der CSU dankbar!)

Es ist richtig: Nach dem Gesetz ist vor dem Gesetz, und den Rest entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist ja ein Förderprogramm für uns!)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Anja Karliczek für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7010039
Wahlperiode 18
Sitzung 193
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Ergebnissen zur Reform der Erbschaftsteuer
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