Philipp MurmannCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu den Ergebnissen zur Reform der Erbschaftsteuer
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir erleben das durchaus: Die Erbschaftsteuer ist eine sehr emotionale Sache.
(Michaela Noll [CDU/CSU]: Ja!)
Das hat natürlich auch dazu beigetragen, dass der Prozess so lange gedauert hat, bis wir diese Einigung, die nun auf dem Tisch liegt, gefunden haben. Aber ich kann Ihnen sagen: In den Familienunternehmen ist die Erbschaft eine genauso emotionale Sache.
Frau Hajduk hat das betriebliche Vermögen dem Vermögen anderer Art gegenübergestellt. Das ist natürlich ein Thema, das in der Diskussion aus meiner Sicht eine größere Rolle spielt; denn es ist natürlich ein Unterschied, ob ich ein betriebliches Vermögen oder sozusagen einen Sack Geld erbe. In vielen Familien geht es um die Frage: Kann ich es eigentlich der nächsten Generation zumuten, diesen Betrieb erfolgreich weiterzuführen, oder wäre es nicht besser, ihn zu verkaufen, den Sack Geld zu nehmen und die 30 Prozent zu zahlen? – Das ist in jeder Familie eine große Diskussion, und diese Fragestellung kommt in der politischen Auseinandersetzung meines Erachtens viel zu kurz.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])
Sie haben es natürlich zu Recht gesagt – und es ist auch so –: Familienunternehmen stehen in unserer Gesellschaft ganz anders da als Konzerne. Wir kennen ja viele: Lürssen, Freudenberg, Boehringer Ingelheim und wie sie alle heißen. Einige von uns haben sie in ihren Wahlkreisen. Gerade bei den großen Unternehmen unter ihnen, auf die ich gleich noch einmal zu sprechen komme, ist es natürlich noch etwas ganz Besonderes. Sie nehmen in der Regel eben auch eine große Verantwortung wahr, erstens gegenüber ihren Mitarbeitern und deren Familien, aber zweitens auch in ihrer Region.
Wir können eindeutig feststellen, dass gerade in Krisenzeiten versucht wird, die Mitarbeiter zu halten, auch aus sozialen Gesichtspunkten und Aspekten. Auch das ist ein Wert an sich, und er geht auch mit diesem Betriebsvermögen einher. Deswegen kann man nicht Betriebsvermögen und Geldsäcke direkt miteinander vergleichen. Aus meiner Sicht sollte man sogar mit den Richtern, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, noch einmal darüber diskutieren, wie das in Zukunft für die Gesellschaft insgesamt zu sehen ist. Ich bin nun kein Jurist. In juristischer Hinsicht ist das sicherlich auch ein Thema. Das verstehe ich schon.
(Richard Pitterle [DIE LINKE]: Sie können auch was den Arbeitnehmern zukommen lassen! Die Arbeitnehmer könnten das auch erben!)
– Die Arbeitnehmer könnten das auch erben. Das ist sogar in vielen Betrieben so, aber meistens nur in Familienunternehmen. Über die Siemens-Stiftung zum Beispiel gibt es auch einen Anteil für die Mitarbeiter, was bei Aktiengesellschaften völlig unüblich ist.
Aus meiner Sicht gibt es auch noch ein anderes Argument. Ich glaube, dass die Erbschaftsteuer ein relativ kurzsichtiges Instrument ist. Denn wir haben etwa 3 Millionen Familienunternehmen, und ungefähr alle 30 Jahre wird vererbt. Das heißt, es gibt etwa 100 000 Erbschaften pro Jahr, bei denen dieses Thema eine Rolle spielt. Klar, es gibt die Verschonung bei den kleinen Unternehmen, die aus meiner Sicht sehr gerechtfertigt ist. Aber Sie müssen bei den großen Unternehmen 30 Prozent aus dem Unternehmen nehmen.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Murmann, Sie kennen die Statistik! Es sind nicht 100 000! Es sind 100 pro Jahr!)
– Nein, es sind in etwa 100 000 Erbschaften, die pro Jahr anfallen. Viele werden natürlich verschont. Deswegen spielen sie im Moment keine Rolle.
Mein Argument ist, dass die Erbschaftsteuer als solche ein relativ kurzsichtiges Instrument ist. Aus meiner Sicht wäre es viel sinnvoller, das Geld im Unternehmen zu belassen, statt die 30 Prozent in dem Moment aus dem Unternehmen zu nehmen und zu vereinnahmen. So können Mitarbeiter eingestellt werden, die Lohnsteuer zahlen und konsumieren. Die Unternehmen müssen investieren. Sie zahlen Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und anderes. Das ist über 30 Jahre gesehen aus meiner Sicht viel einträglicher – auch für die Finanzminister der Länder –, als wenn der Staat einmalig die Erbschaftsteuer von den Unternehmen bekommt. Insofern, finde ich, sollte man, wenn man das Thema noch einmal aufmacht – ich hoffe, dass das jetzt erst einmal nicht passiert –, noch einmal darüber nachdenken, ob es wirklich solch ein intelligentes Instrument ist, wie mancher jetzt aus dem Bauch heraus argumentiert.
Wir haben nun einen Kompromiss gefunden. Wir haben über Alternativen, nämlich über die Einführung eines einheitlichen Steuersatzes oder von vielleicht zwei Steuersätzen, diskutiert. Die Argumente dazu, denke ich, sind ausgetauscht. Ich persönlich habe auch eine gewisse Sympathie für solch ein relativ einfaches Modell, das natürlich viel Planungssicherheit und Verlässlichkeit mit sich bringt.
Wir haben jetzt den Kompromiss. Das ist erst einmal gut. Aber er hat aus meiner Sicht einen großen Nachteil für Unternehmen ab einer Schwelle von 90 Millionen Euro, zumindest dort, wo nur ein oder zwei Erben nachkommen; denn in diesen Fällen wird wirklich Geld aus den Unternehmen herausfließen. Das sind vielleicht nicht allzu viele Fälle, aber diese Fälle sind sehr relevant, weil es sich häufig um Unternehmen handelt, die Weltmarktführer sind. Dadurch werden sich ihre Strukturen verändern; ein paar Namen habe ich bereits genannt.
Wir haben natürlich auch das Problem, dass es eine sehr komplizierte Regelung ist und dass es wegen der Bewertungsgeschichte sicherlich zusätzliche Verfahren und zusätzliche Diskussionen geben wird. Jeder, der schon einmal eine Betriebsprüfung im Unternehmen mitgemacht hat, weiß, wie da diskutiert und verhandelt wird. Das kostet die Finanzministerien Zeit, aber das kostet auch den Unternehmer Zeit.
Ich möchte mit dem Positiven enden; auch das müssen wir natürlich erwähnen. Ich denke, dass das Verschonungsmodell bestehen bleibt und auch vom Verfassungsgericht akzeptiert wurde, ist grundsätzlich richtig. Dass wir das Abschmelzmodell und keinen Fallbeileffekt haben, ist sicherlich ein sehr positiver Aspekt. Dass die Investitionsklausel bleibt, ist absolut zu begrüßen; ich halte das für notwendig und denke, das ist im Sinne aller. Der Wertansatz hätte etwas anders und realistischer sein können. Wir sind uns jedenfalls in vielen Bereichen einig.
Ich möchte noch einmal allen, die über viele Jahre daran mitgearbeitet haben, Dank sagen. Herr Staatssekretär Meister hat sich viel Mühe gegeben und musste mit vielen, die hier sitzen, aber auch mit vielen anderen Personen sehr viele Stunden über dieses Thema reden. Carsten Schneider, Ralph Brinkhaus und auch Gerda Hasselfeldt haben einen Kompromiss ausgehandelt, der die Basis dafür war, dass wir uns am Ende geeinigt haben.
Die Stärke Deutschlands ist auch die Bereitschaft zum Kompromiss. Insofern würde ich mich freuen, wenn dieser nun errungene Kompromiss durchträgt und im Bundestag, im Bundesrat, aber auch von den Gerichten und auch von der Gesellschaft mitgetragen wird.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7010044 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 193 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den Ergebnissen zur Reform der Erbschaftsteuer |