29.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 193 / Tagesordnungspunkt 7

Marian WendtCDU/CSU - Digitale Verwaltung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind biblische Zeiten in Deutschland,

(Heiterkeit des Abg. Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD])

zumindest was die Verwaltung angeht, nicht paradiesische; verstehen Sie mich nicht falsch. Unvorstellbar eigentlich, dass Menschen für manche Anliegen in ihren Geburtsort zurückkehren müssen.

(Barbara Woltmann [CDU/CSU]: Das ist doch mal ganz schön! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach Sachsen!)

Wenn ein Kind geboren wird, steht eine wahre Ochsentour bevor: am ersten Tag zum Standesamt, am zweiten Tag zur Krankenkasse, am dritten Tag gegebenenfalls zum Jugendamt, am vierten Tag zur Kindergeldkasse. Das ist in Deutschland Realität.

In der freien Wirtschaft dagegen können wir Tag und Nacht jede digitale Dienstleistung in Anspruch nehmen, nachts ein Paket bei Zalando oder Amazon bestellen, und am nächsten Tag wird geliefert. Kredite online beantragen und genehmigt bekommen – alles kein Problem. Aber alltägliche Dinge, die mit der Verwaltung zu klären sind, brauchen länger. Eine einfache Wohnungsummeldung hier in Berlin nimmt zum Beispiel einen Monat Zeit in Anspruch. Muss das so sein? Wir sagen: Nein. Mit unserem Antrag „Innovativer Staat“ ergänzen wir jetzt die richtigen Schritte, die die Bundesregierung mit der Digitalen Agenda bereits getan hat.

Schön und gut, wenn man die Steuererklärung am heimischen Computer machen kann; aber wenn man sie am Ende doch wieder ausdrucken muss, damit sie auf dem Finanzamt entsprechend bearbeitet werden kann – dort muss alles händisch eingetragen werden –, ist das kein Schritt zur Verwaltungsmodernisierung oder ‑vereinfachung. Solche Medienbrüche kosten viel Zeit und Geld. Sie müssen in Zukunft schleunigst und rigoros abgebaut werden.

Viele Behörden, viele Datengrundlagen, viele komplizierte Plattformen – das bedeutet auch viel Aufwand, für die Menschen ebenso wie für die Verwaltung. Mit der Flüchtlingskarte und dem dazugehörigen Kerndatensystem haben wir es geschafft, alle diese komplizierten Datengrundlagen, Schnittstellen und Plattformen auf der kommunalen Ebene, auf der Länderebene und auf der Bundesebene zu vereinheitlichen und miteinander zu verknüpfen. Ich denke, es ist richtig, dass wir diesen Weg konsequent weitergehen, so wie es die Kolleginnen und Kollegen bereits angesprochen haben.

Warum sollte solch ein System nicht für alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland nutzbar sein? Nach unserem Antrag sollen daher Bürgerkonten angelegt werden, die als zentrale Zugangspunkte für alle Anliegen an die Verwaltung genutzt werden sollen. Ein Zugang für alle Anliegen bei allen staatlichen Stellen, alle Daten parat – wie einfach könnte es dann sein! Wir müssten die Tage nach der Geburt eines Kindes nicht auf verschiedenen Ämtern verbringen, sondern könnten bei der Familie sein.

Den Menschen in unserem Land ist es egal, ob der Verwaltungsprozess, der hinter dem Anliegen steckt, digital ist, wer ihn bearbeitet. Für sie ist wichtig: Es muss einfach sein, schnell gehen und funktionieren. Das ist auch unsere Leitschnur für die digitale Verwaltung, nämlich nicht Digitalisieren um der Digitalisierung willen, nicht die alten Prozesse einfach digital machen, einfach in Computer einpflegen, sondern neue, der Technologie angepasste Prozesse entwickeln, die der Funktion folgen. Wenn man einen Führerschein digital beantragen kann, stellt sich natürlich die Frage, ob das noch vom Landkreis vor Ort bearbeitet werden muss oder ob das zum Beispiel zentral in Flensburg bearbeitet werden kann. Es sind solche Fragen, die wir stellen müssen. Wir müssen die Prozesse grundsätzlich hinterfragen.

Meine Damen und Herren, unser Antrag bringt die digitale Verwaltung voran. Wir brauchen – um das zusammenfassend noch einmal festzustellen – einfachere und leichter zugängliche Verfahren, am besten durch die Schaffung eines über alle staatlichen Ebenen hinweg nutzbaren Bürgerkontos, gekoppelt mit der eID-Funktion unseres Personalausweises. Außerdem brauchen wir eine möglichst umfassende zentrale Steuerung des digitalen Wandels, damit die vielen kleinen Könige entmachtet werden, die den Fortschritt derzeit behindern und an alten Systemen festhalten. Da ist – das muss ich leider feststellen – der Föderalismus in unserer Ausprägung – bei aller Herrlichkeit – eine große Hürde, die wir hier zu nehmen haben. Wir brauchen weiterhin eine stete Evaluation und Verbesserung in der Verwaltungsarbeit; denn das, was heute richtig ist, kann morgen schon überholt sein.

Ich freue mich, dass wir hier sehr einhellig über dieses Thema in erster Lesung beraten haben. Ich freue mich auf die Ausschussberatung und denke, dass wir im Ergebnis unseren Antrag so beschließen können, damit die Leute künftig nicht immer wieder in ihre Geburtsstädte zurückkehren müssen, um ihre Geburt nachzuweisen oder Ähnliches. All das wollen wir künftig nicht mehr. Ich wünsche uns viel Erfolg bei den jetzigen Beratungen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7010081
Wahlperiode 18
Sitzung 193
Tagesordnungspunkt Digitale Verwaltung
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