29.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 193 / Tagesordnungspunkt 10

Lothar RiebsamenCDU/CSU - Paritätische Beteiligung an Krankenkassenbeiträgen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich glaube, dass das, was die rot-grüne Koalition 2005 gemacht hat, richtig war. Wir hatten damals 5 Millionen Arbeitslose; das ist schon mehrfach angeklungen. Die Wirtschaftsinstitute hatten prognostiziert: Wenn die Regierung nichts tut, dann wird die Arbeitslosenquote noch weiter ansteigen. Im Übrigen wird auch die Jugendarbeitslosenquote ansteigen.

Jetzt warne ich schon sehr davor – wir sind ja Gesundheitspolitiker –, diese präventiven Maßnahmen, die wir damals getroffen haben, nicht rückgängig zu machen. Es ist so wie in der Prävention allgemein: Wenn ich 5 Kilogramm durch Prävention abgenommen habe und mir dann sage: „So, jetzt habe ich 5 Kilogramm abgenommen und kann jetzt wieder fett essen“, dann geht das in die Hose.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Der Vergleich hinkt, aber gewaltig!)

Dann werden wir wieder in die Situation kommen, in der wir 2005 waren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Wenn wir 5 Euro den Arbeitnehmern abgenommen haben! Darum geht’s! – Gegenruf des Abg. Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Nimm doch erst mal 5 Kilo ab!)

Frau Klein-Schmeink hat den Begriff „Globalisierung“ ins Spiel gebracht. So weit will ich gar nicht gehen. Es reicht doch schon, wenn wir uns Europa ansehen. Gucken wir uns doch die Staaten in Europa an, die keine Strukturmaßnahmen durchgeführt haben. Das wird uns doch jeden Tag vor Augen geführt. Wir sind heute in der Situation, dass wir zu einem beachtlichen Teil auch für die Staaten haften, die bisher nicht bereit oder in der Lage waren, in ihren Sozialsystemen Strukturverbesserungen durchzuführen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sind in der Lage, weil Sie sie Gott sei Dank durchgeführt haben; wir haben es mitgetragen. Wir sind offenbar die Einzigen, die dazu stehen, obwohl wir diese Entscheidung nur mitgetragen haben.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es längst überfällig ist, da Korrekturen zu machen!)

Aber das machen wir gerne. Wir sind heute in der Lage, den Staaten, die Probleme haben, ein Stück weit zu helfen. Unsere Steuereinnahmen sind so hoch wie noch nie. Wir können über Steuerentlastungen reden.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt wieder nur den Gutverdienern zugute! – Gegenruf von der SPD: Lassen Sie uns zumindest darüber reden!)

Das ist ein erfreuliches Thema.

Frau Klein-Schmeink, Sie haben ausgerechnet, dass dieser Zusatzbeitrag bei einem Handwerker 0,42 Prozent seines Lohnes ausmachte; das seien Peanuts, das würde die Handwerker im Wettbewerb nicht zurückwerfen.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Da haben Sie das Handwerk nicht begriffen.

(Zuruf von der SPD: 6 Cent!)

Wissen Sie, die Handwerker stehen nicht in erster Linie im Wettbewerb untereinander, also der eine Malerbetrieb gegen den anderen. Die Handwerker stehen im Wettbewerb gegenüber der Schwarzarbeit.

(Beifall des Abg. Thomas Stritzl [CDU/CSU])

Wenn wir die Lohnnebenkosten nicht im Auge behalten, dann befördern wir die Schwarzarbeit. Das hat mit Wettbewerb innerhalb des Handwerks so gut wie nichts zu tun. Da haben Sie schon recht. Das ist nicht das Problem – um das einmal deutlich zu sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Schwarzarbeit werden Sie durch den Zusatzbeitrag nicht verhindern!)

Die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Handwerk ist die eine Sache. Die andere Sache ist der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen. Mit dem Zusatzbeitrag – das Thema Parität hängt damit zusammen – haben wir für Wettbewerb zwischen den Krankenkassen gesorgt. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag steigt in diesem Jahr – manche Krankenkassen erheben gar keinen Zusatzbeitrag – um 0,2 Prozentpunkte. Wenn man von einem Monatseinkommen in Höhe von 3 500 Euro ausgeht, dann sind das etwa 7 Euro. Man kann natürlich sagen, dass das viel Geld ist. Wenn man aber dieser Auffassung ist, dann darf man nicht wie Herr Weinberg sagen, dass die rein rechnerischen steuerlichen Entlastungen in Höhe von rund 7 Euro für jeden Bundesbürger in dieser Legislaturperiode – das Gesamtvolumen der Entlastungen beläuft sich bei 80 Millionen Menschen auf rund 5 Milliarden Euro – Peanuts sind und dass das keinem weiterhilft.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das ist linke Tasche, rechte Tasche!)

Wenn es aber um 7 Euro Belastung durch einen Zusatzbeitrag geht, geht die Welt unter. So kann man es natürlich nicht machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben von Verarschung gesprochen. Ich sage Ihnen: Genau das, was Sie machen, ist Verarschung.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Riebsamen, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung oder -frage – das ist definitiv die letzte; das habe ich vorhin angedroht – des Kollegen Dr. Harald Terpe?

Ja, bitte schön.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist aber nicht nett, Frau Präsidentin, dass Sie keine Fragen mehr zulassen wollen!)

Machen Sie das mit Ihren Kollegen aus, die heute Abend um 22 Uhr noch immer hier sitzen, wahrscheinlich im Gegensatz zu Ihnen.

(Heiterkeit – Tino Sorge [CDU/CSU]: Wir sind dann sicher im Plenum!)

– Gut, dann machen Sie das.

Bitte, Herr Terpe.

Herr Kollege Riebsamen, es ist mir eine Freude, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen. Ich bin sehr dankbar, dass Sie sie zulassen.

Immer gerne.

Da Redner von der Union zum zweiten Mal auf den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen hingewiesen haben und das eine große Rolle spielt: Stimmen Sie mir zu, dass ein Wettbewerb zwischen den Krankenkassen auch möglich ist, wenn man die Parität einführt?

Ja, ich stimme Ihnen ohne Weiteres zu, dass es Wettbewerb auch ohne Parität gibt.

(Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Parität!)

Der finanzielle Wettbewerb wird aber erst dann deutlich, wenn die eine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erhebt und die andere nicht. Den Wettbewerb, den Sie meinen, gab es bereits 50 Jahre. Bloß hat das niemanden interessiert. Nun wird durch die Zusatzbeiträge deutlich, dass es tatsächlich einen Wettbewerb gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss. Ich glaube, meine Redezeit neigt sich ohnehin dem Ende zu.

22 haben Sie noch.

22 Minuten habe ich also noch.

(Heiterkeit)

Von wegen!

Ich fasse zusammen. Sie diskutieren über die Einführung einer Bürgerversicherung

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Habe ich kein einziges Mal gesagt!)

und wollen den Zusatzbeitrag abschaffen. Ich erinnere daran, dass nicht wir, sondern Sie die Praxisgebühr und die Kopfpauschale eingeführt haben.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein Fehler! Wir haben daraus gelernt!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7010165
Wahlperiode 18
Sitzung 193
Tagesordnungspunkt Paritätische Beteiligung an Krankenkassenbeiträgen
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