Tobias LindnerDIE GRÜNEN - Bundeswehreinsatz SEA GUARDIAN im Mittelmeer
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Herr Hardt, es ist richtig: Wir beraten hier heute zum ersten Mal dieses Mandat Sea Guardian. Es wird oft so dargestellt – gerade haben auch Sie es versucht –, als sei es der Nachfolger von Active Endeavour.
Was richtig ist und was hier auch alle Seiten gesagt haben: Es ist gut, dass Artikel 5 des NATO-Vertrages nicht mehr als Begründung für ein solches Mandat herhalten muss. Meine Fraktion hat fast mantraartig Jahr für Jahr genau darauf hingewiesen und als einzige konsequent gesagt: Wenn Artikel 5 des NATO-Vertrages nicht als Begründung dienen kann, dann ist ein Mandat nicht zustimmungsfähig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber wenn es so wäre, Herr Kollege Hardt, dass wir es hier nur mit einem Nachfolgemandat zu tun hätten, dass die Erteilung dieses Mandats die größte Errungenschaft dieser Koalition sei, dann frage ich Sie: Warum ist man nicht hergegangen und hat einfach den Mandatstext genommen und die Begründung mit Artikel 5 des NATO-Vertrages ersetzt, so wie Sie es eben in Ihren Ausführungen gemacht haben?
Wir haben es hier nicht mit einer Entkoppelung zu tun; vielmehr bedeutet dieses neue Mandat eine unglaubliche Entgrenzung der Möglichkeiten, was die Bundeswehr räumlich und von ihren Fähigkeiten her im und am Mittelmeer tun kann, ohne dass dieses Parlament dafür zuvor noch einmal befragt werden muss.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie können dann quasi überall in der Region, in den Anrainerstaaten Ausbildung, Luftaufklärung, andere Dinge betreiben. Sie können ausbilden, ohne den Bundestag zu fragen; sie brauchen lediglich die Einladung und die Genehmigung des dortigen Staates. Es ist ein Blankoscheck, den Sie ausstellen wollen. Dieses riesige Aufgabenspektrum hebelt auch parlamentarische Kontrolle aus. Das verstößt gegen die gebotene Mandatsklarheit, die wir hier bei Bundeswehrmandaten zu Recht einfordern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Man kann es auch anders formulieren: Sie haben sich lange Mühe gegeben, hier ein Parlamentsbeteiligungsgesetz vorzulegen; man kann auch sagen: ein „Parlaments-weniger-Beteiligungsgesetz“; denn das war von Anfang an das Ansinnen der Union bei den durchgeführten Anhörungen. Dann haben Sie nach langer Zeit, nach langem Hin und Her zwischen den Koalitionspartnern etwas aufgeschrieben, eine Anhörung durchgeführt. Bei dieser Anhörung sind Sie krachend auf die Nase gefallen. Den Sachverständigen, der sagt: „Das ist ein großer Fortschritt; das Ganze ist verfassungskonform“, müssen Sie mir noch nennen. Nachdem Sie damit also auf die Nase gefallen sind, probieren Sie nun einen anderen Weg. Sie wollen den Parlamentsvorbehalt über solche Mandate aushöhlen, und da wird meine Fraktion nicht mitmachen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dann gibt es noch einen anderen Punkt. Das können Sie gern einmal nachprüfen, wenn Sie wollen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nee!)
– Herr Kauder, Sie als Jurist sollten das eigentlich schaffen; ich traue es Ihnen zu.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ich höre Ihnen jetzt zu! Das langt mir!)
Gucken Sie sich einmal die bisherigen Bundeswehrmandate, zum Beispiel UNIFIL, an! Gucken Sie sich an, was die Bundeswehr in der Ägäis macht! Mögliche Ausbildung libyscher Kräfte – Herr Hardt, Sie sind darauf eingegangen –, dazu bräuchten Sie dieses Parlament nicht mehr zu befragen. Sie bräuchten noch nicht einmal UNIFIL irgendwo zur Abstimmung zu bringen. Dieses Mandat, das heute vorliegt und über das Sie heute abstimmen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, soll und wird alles das ersetzen. Ich kann mir nicht erklären, warum Sie sich als Parlament in dieser Art und Weise so unglaublich stark selbst beschränken wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Fraktion – das wissen Sie – prüft jedes Mandat, das die Bundesregierung vorlegt, gründlich und ernsthaft. Das können Sie auch an unserem Abstimmungsverhalten bei den verschiedenen Mandaten ablesen. Diesen Blankoscheck, den Sie heute ausstellen wollen, diese Entgrenzung, diese Vermeidung parlamentarischer Kontrolle werden wir von Bündnis 90/Die Grünen nicht mittragen. Das ist nicht im Sinne des Parlaments und im Übrigen auch nicht im Sinne der Verantwortung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten, die sich in diesen Einsatz begeben. Wir lehnen den Antrag der Bundesregierung heute hier ab.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herzlichen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Julia Obermeier.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7010414 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 193 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz SEA GUARDIAN im Mittelmeer |