Xaver JungCDU/CSU - Lobbyismus an Schulen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir sind selbstverständlich gegen jegliche subtile und einseitige ideologische Beeinflussung an Schulen. Nach dem Durcharbeiten Ihres Antrags, Frau Hein, bin ich mir aber bei Ihnen nicht mehr so ganz sicher.
Ja, junge Menschen müssen in Schulen einen neutralen Raum vorfinden, in welchem sie ihr Weltbild entwickeln können. Hierzu gehört aber auch, dass die Schülerinnen und Schüler mit Demokratie, sozialer Marktwirtschaft und Pluralismus vertraut gemacht werden. Dieser Ansatz ist uns als CDU/CSU besonders wichtig, haben doch NS-Zeit und DDR gezeigt, wie nachhaltig beeinflussbar Kinder in der Schule sind.
Produktwerbung ist zu Recht in fast allen Bundesländern verboten. Sponsoring ist dagegen erlaubt und oftmals dringend notwendig. Sie haben darauf hingewiesen: Es gibt zu wenig Geld. In meiner Heimat bemühe ich mich selbst gerade intensiv bei Verbänden und Unternehmen um Unterstützung bei der schulischen und außerschulischen MINT-Bildung, und das mit sehr gutem Gewissen, Frau Hein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Selbstverständlich bemühen sich Unternehmen und Verbände wie Greenpeace und der BUND genauso wie die AOK und die Sparkassen um die Aufmerksamkeit der Schulen. Im Vordergrund des Engagements steht dabei sicher nicht immer die Kundenwerbung, sondern zu Recht auch die Sorge, dass Gesundheits- und Finanzbildung nicht ausreichend thematisiert werden.
(Sven Volmering [CDU/CSU]: So ist das!)
Selbstverständlich geht es dabei oftmals nicht ganz uneigennützig auch um die Deutungshoheit bei bestimmten Themen. Und selbstverständlich gibt es dabei auch große Unterschiede hinsichtlich der Qualität der Angebote an die Schulen. Daher ist Kontrolle durchaus sinnvoll. Lehrer und Schulleitungen sind dafür speziell ausgebildet. Die können das, und die machen das auch, Frau Hein.
Gerade in jüngerer Zeit wird verstärkt über den häufig naiven und unkritischen Umgang unserer Kinder mit der Konsumwelt diskutiert. 16-Jährige können heute Begriffe wie „Glyphosat“ rauf- und runterdeklinieren, wissen aber nicht, was ein Kontokorrentkredit ist. Konsum- und Verbraucherschutzfragen aus dem Finanz- und Wirtschaftsbereich gehören zweifellos zu den wichtigsten Herausforderungen einer lebensnahen Schulbildung. Das kommt meines Erachtens in unseren Schulen immer noch viel zu kurz.
Sie haben es gesagt: Damit Unterricht begeistert, muss dieser aktuell sein. Schulbücher verweilen durchschnittlich sieben bis acht Jahre lang im Klassenzimmer. Gehen Sie acht Jahre zurück! Weder die Krisen in der Finanzwelt oder in der Ukraine, Griechenland und Syrien noch die Flüchtlingskrise oder den Brexit findet man in einem aktuell verwendeten Schulbuch. Was spricht also dagegen, sich der Kompetenz von außen zu bedienen? Dass entsprechende Inhalte fehlen, ist der Grund, warum sich gute Lehrerinnen und Lehrer auf die Suche nach aktuellen und passenden Referenten und Unterrichtsmaterialien machen. Meist werden aber nur einzelne Seiten ausgewählt; sie müssen kein ganzes Werk prüfen. Da muss geschaut werden, was für die Schule brauchbar ist, aber eben auch, was außerhalb der Schule zu bleiben hat.
(Sven Volmering [CDU/CSU]: Genau so ist es!)
Und die Lehrer und die Schulleitungen können das tatsächlich.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zwischen dem Horrorszenario der von Ihnen vermuteten einseitigen Manipulation durch die böse Wirtschafts- und Finanzwelt einerseits und der schulischen Realität andererseits stehen Lehrende und Schulleitungen. Es zeugt, wie ich finde, von unerträglichem Misstrauen gegenüber allen Lehrerinnen und Lehrern, dass Sie unterstellen, sie wären nicht in der Lage, Materialien und Hilfsmittel zu interpretieren und in einem ausgewogenen Gleichgewicht zu präsentieren, ohne zusätzlichen staatlichen TÜV. Klar, bequemer wäre das. Aber muss es wirklich eine Pflicht sein?
Wenn im Sinne Ihres Antrags alles, was im Unterricht verwendet wird, von einer Monitoringstelle beleuchtet und bewertet werden sollte, dann müssten die Lehrkräfte letztendlich jeden Zeitungskommentar zum aktuellen Tagesgeschehen einschicken und bewerten lassen, bevor er thematisiert würde.
(Karin Binder [DIE LINKE]: Das ist doch Quatsch!)
Mir ist schon klar, dass Sie das nicht wollen; damit wäre jede Prüfstelle überlastet. Aber jeder interessante Kommentar ist doch letztlich subjektiv.
(Karin Binder [DIE LINKE]: Beim Kommentar steht „Kommentar“ drüber!)
Im Normalfall wird er als solcher vom Lehrer nicht nur erkannt, sondern oft auch gezielt als provozierender Impuls verwendet, um ihn hinterher mit den Schülern kritisch zu reflektieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In Ihrem Antrag kritisieren Sie die angeblich einseitige Präsentation von Themen. Leider argumentieren auch Sie dabei sehr einseitig, und leider – wie immer – mit Ihrem gewohnt wirtschaftskritischen Ansatz, der da lautet: Mehr Sozialismus à la Wagenknecht denn soziale Marktwirtschaft à la Ludwig Erhard.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen der Abg. Karin Binder [DIE LINKE] – Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das ist jetzt unter Ihrem Niveau, Herr Jung!)
Sorry, Frau Hein, Ihr Antrag riecht verdächtig nach staatlicher Zensur.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine oft zitierte angeblich afrikanische Weisheit lautet: „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ Dazu gehört nach unserem Verständnis auch der Teil, der den Wohlstand unserer Dörfer und ihrer Bewohner garantiert: die soziale Marktwirtschaft. Da sind die Afrikaner schon weiter.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7010422 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 193 |
Tagesordnungspunkt | Lobbyismus an Schulen |