Marianne SchiederSPD - Lobbyismus an Schulen
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für den vorliegenden Antrag gibt es aus meiner Sicht keine bessere Zusammenfassung als die Worte von Kurt Tucholsky: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.
(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Ja!)
Hört man allein den Titel dieses Antrags – „Kein Lobbyismus im Klassenzimmer“ –, kann man sicher schnell zu dem Schluss kommen: Ja, das ist doch gut. Wer will schon, dass der Unterricht an unseren Schulen zu einer – zugespitzt formuliert – verkappten Verkaufsveranstaltung wird? Doch denkt man ein bisschen nach, fragt man sich sehr schnell: Was für ein Lobbyismus ist denn gemeint? Ist Lobbyismus wirklich per se schlecht? Wo ist die Grenze, ab der Lobbyismus nicht mehr zulässig sein kann? Also wäre es gut bei einer solchen Forderung, ein wenig zu differenzieren. Der Antrag hat mir aber gezeigt, dass Sie das nicht tun; denn gleich zu Beginn des Antrags ist die Rede von einer seit den 90er-Jahren ständig wachsenden Einflussnahme auf die Unterrichtsinhalte.
(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Seit dem Mauerfall! Ständig wachsend! Ganz schlecht!)
Dabei werden in einem Atemzug Wirtschafts- und Finanzverbände, Unternehmen, Stiftungen und Vereine genannt, selbstverständlich, ohne zu unterscheiden, geschweige denn darzustellen, um welche Form von Einflussnahme es sich handelt.
Später, im Zusammenhang mit dem Vorwurf, dass wirtschaftliche Interessen in die Schulen getragen werden, wird von der AOK gesprochen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Sie wissen doch ebenso gut wie ich, dass die AOK in Sachen Gesundheitsprävention eine ganze Menge macht,
(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Genau so ist es! – Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Sie müssen mal den Antrag ganz durchlesen!)
dass sie eine ganze Menge Broschüren und Themenzusammenstellungen herausgibt, die man sehr wohl gut in der Schule verwenden kann.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Es kann doch nicht angehen, dass Sie in Ihrem Antrag ein solches Beispiel anführen.
Was ist dagegen zu sagen, wenn der Landesbund für Vogelschutz oder der BUND, was oft geschieht, im Rahmen der Nachmittagsbetreuung Projekte und Aktionen präsentiert, die bei Kindern und Jugendlichen das Interesse für Natur- und Artenschutz wecken sollen?
Wieso ist es schlecht – so stellt Ihr Antrag das dar –, wenn die Bundesregierung das Anliegen teilt, unternehmerisches Denken und Handeln in Schulen früh fördern zu wollen?
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Durch das vom BMWi betriebene Internetportal „Unternehmergeist in Schulen“ entsteht, so schreiben Sie, „durch den Bund eine Einflussnahme auf Bildungsinhalte an der Verantwortung der Länder vorbei“. Abgesehen davon, dass dieses Internetportal nur ein Angebot ist und Sie und die Länder dieses Angebot ganz genau kennen – da läuft nichts an den Ländern vorbei –, fordern Sie in Ihrem Antrag selbst von der Bundesregierung eine massive Einflussnahme auf die Länder. Lesen Sie Ihre Forderungen in Ihrem Antrag. Liebe Frau Kollegin Dr. Hein, was ist Ihr Rezept gegen den Lobbyismus?
(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Steht im Antrag!)
Der Bund soll die Länder an einen Tisch holen und ihnen zeigen, wo es langgeht. Das steht in dem Antrag drin, bei jedem Punkt. Ganz ehrlich, ich glaube, diesen erhobenen Zeigefinger brauchen die Länder nicht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich halte es auch nicht für angebracht, unsere Lehrerinnen und Lehrer pauschal als unkritisch und unsensibel für das Thema Lobbyismus abzustempeln.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das machen jetzt gerade Sie! Ich nicht!)
– Das steht so drin. Lesen Sie es nach. In dem Antrag steht, es sei nicht verwunderlich, dass Lehrkräfte auf kostenloses Unterrichtsmaterial aus der Wirtschaft zurückgreifen, wenn die eigenen Schulbücher veraltet oder nicht in ausreichender Menge vorhanden sind. So schreiben Sie das. Ich bin ziemlich sicher, da ich ziemlich viele kenne, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer ganz gut erkennen können, ob kostenloses Lehrmaterial sinnvoll eingesetzt werden kann oder ob es lediglich der Werbung dient.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Wenn man politisch so verblendet ist, kann das auch nichts werden! Das ist unter Ihrem Niveau!)
Wenn es solche Fälle gibt – das will ich ja nicht ausschließen, weil wir viele Schulen in Deutschland haben –, dann müssen Sie diesen Einzelfällen nachgehen, dürfen aber nicht pauschal in einem solchen Rundumschlag so tun, als würde an unseren Schulen nicht differenziert.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das sind flächendeckende Einzelfälle! Merken Sie das nicht?)
– Ich habe mir schon gedacht, dass Sie sich aufregen. Das müssen Sie sich halt anhören, wenn Sie solche Anträge schreiben.
Zu guter Letzt möchte ich betonen: Auch wenn man mit Leidenschaft Bildungspolitiker ist – das bin ich auch –, muss man seine Kompetenzen erkennen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Alles, was in diesem Antrag steht, fällt sicherlich nicht unter die Bundeskompetenz, sondern unter die Kompetenz der Länder. Ehrlich gesagt, selbst wenn es kein Kooperationsverbot gäbe, könnte es nicht angehen, dass der Bund bis in die Details in die Schulgesetze der Länder hineinregiert.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wenn die das hören, dann wollen sie von der Beseitigung des Kooperationsverbots erst recht nichts mehr wissen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Sven Volmering, CDU/CSU-Fraktion, hat jetzt das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7010432 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 193 |
Tagesordnungspunkt | Lobbyismus an Schulen |